Ansegeln
Als wir in Rabelsund die Segeln bargen, fragte ich Paula, ob wir je
schonmal am 9. April auf der Ostsee waren. Ich habe noch nicht die
alten Logbücher studiert, aber ich erinnere mich eher an
Segelanschlagen im Juni oder Frühjahrstörns im Mai
ohne
vorausgehenden Probeschlag. Dieses Jahr hat Manches unvergleichlich gut
geklappt, so dass wir bei frühsommerlicher Wärme und
idealem
Wind - SW 3-4 - so früh segeln gehen konnten wie nie. Ein Tag
Gedümpel auf der Schlei bis 100m vorm Leuchtturm mag nicht
besonders spektakulär erscheinen, aber nach fünf
Monaten
Entzug hat er zweifellos seine eigene Magie.
April 2017
Im
Oktober wusste ich schon: Erster Krantag ist der 3. April. Wie ich es
immer wieder schaffe, genau am Tag davor die Boote fertig zu
bekommen,
bleibt unser Betriebsgeheimnis, aber es sei verraten, dass der gezielte
Einsatz von Zehn- oder Elfstundenschichten ohne Pause
dazugehört.
Ein Frühjahrsputz mit großzügigem Einsatz
von Schwamm
und Seifenwasser sorgt dafür, dass ich schon eine Ahnung habe,
wie
dicht die Damen sind: Wenn das meiste Putzwasser nicht in der Bilge
landet, sondern in der Halle, gibt es ein Problem, das nur weiteres
Wasser, am besten aus dem Schlauch, behoben werden kann. Diesmal rannen
nur einzelne Tropfen zwischen den Planken hindurch - der Winter war
mild, aber nicht sehr trocken. Mit dem "Wassereinbruch", der beim
Kranen eher ausblieb als folgte, kamen die kleinen elektrischen
Bilgepumpen - auch Frieda und Oliese haben jetzt welche -
mühelos zurecht.
Guten Mutes machte ich mich also daran, an
besagtem Montag Martha und
Frieda zu Wasser zu bringen. Das Wetter, windstill, warm und sonnig,
war ideal. Der Hafenmeister suchte beinahe verzweifelt nach Booten, die
er bei diesen Idealbedingungen kranen durfte. Niels und ich
ließen die Frühstückspause ausfallen und
brachten gegen
Mittag auch Paula in den Hafen. Hinter ihr stand Oliese fertig verzurrt
auf dem Trailer, Niels konnte sie ohne meine Mitarbeit einfach
anhängen, und so reiste sie an, als ich Paula gerade in ihrer
Box
vertäut hatte. Danach stand nur noch Salty an Land, und ein
Blick
auf die Uhr verriet, dass wir die auch noch leicht schaffen konnten.
Alle fünf an einem einzigen Tag also, ein neues Konzept, das
nur
funktionieren konnte, weil wir unser Winterlager jetzt hafennah auf
zwei Hallen in nichtmal einem Kilometer Distanz konzentriert haben.
Auch am folgenden Tag war das Wetter ideal, und
die Werft hatte einen
bisher noch unausgelasteten Praktikanten. Dem konnte ich gleich ein
bisschen Sonne statt dunkler Halle präsentieren, indem ich ihn
zum
Mastenstellen shanghaite. Als es dann aufbriste, nutzte ich die Zeit,
um Segel anzuschlagen und das Rigg klarzumachen - unermüdlich
(naja...) und konzentriert. Denn es galt ja am Sonntag das
vielversprechende Wetter zum ersten Urlaubstag seit Oktober zu nutzen.
Wobei Probeschläge mit Charterbooten keineswegs als reines
Vergnügen zu gelten haben.
Als ich gegen acht Uhr im Hafen eintraf, hatte
ich es erstmal nicht
eilig: Dichter Nebel und null Wind. Nach ein paar Erledigungen und ein
bisschen Klönschnack löste sich der Nebel auf, eine
Brise kam
auf, und ich machte Frieda klar. Sie bekommt Ostern als Erste
Chartergäste, also musste sie auch als Erste ausprobiert
werden.
Wir segelten nach Kappeln und zurück, und alles funktionierte
reibungslos.
Für Martha - ihre Saison beginnt
Ostermontag - wählte ich
einen Schlag in die andere Richtung, an der Badestelle vorbei bis
Höhe Grödersbyer Noor. Erste Überraschung:
Es gab an
ihrer Baumnock keinen Beschlag, um die Dirk anzuschlagen. Der muss vorm
Lackieren verschwunden sein, die Löcher für die
Schrauben
sind noch da. Ich konnte mir behelfen, war aber froh, dass dieses
Problem nicht bei der Einweisung aufgetaucht ist: "Und die Dirk wird
hier angeschl...., äh, ...., okay, vergesst die Dirk!"
Ich konnte dann auch gleich noch
überprüfen, dass die
Aufnahme für die Motorpinne tatsächlich zu
Geradeausfahrt
führt, dass sie aber ein bisschen wackelt. Es sind noch sieben
Tage Zeit, um den inzwischen gefundenen Beschlag und die Aufnahme
ordentlich zu verschrauben. Dass bisweilen die gar nicht mehr
funktionierende Logge ein nerviges Klackern erzeugt, ist ein neues
und hoffentlich temporäres Phänomen.
Und dann ging es also mit Paula wieder Richtung
Kappeln, diesmal
allerdings - mit Vollzeug plus Außenborder - durch die
Brücke. Neben uns segelte eine größere
Yacht unter
Groß. Das Vorsegel zog nicht so gut, weil es nicht einsetzbar
war: Zwischen Vorstag und Mast machten es sich zwei Mädchen in
einer Hängematte gemütlich. Wir fuhren also davon.
Die Freude
wurde getrübt von dem jährlichen Heringswahnsinn:
Angler an
Land werfen einem beinahe die Haken ins Cockpit, die Angelboote ankern direkt
am oder auch gleich mitten im
Fahrwasser oder werden an den Tonnen angebunden. Abdeckung und
Funkdialoge - eine Yacht mit leerem Tank bat vor Schleimünde
mangels Wind um
Schlepphilfe - ließen mich zweifeln, ob wir wirklich einmal
zur
Ostsee und zurück segeln sollten.
Doch
ausgangs des Rabelsunds war
plötzlich richtiges Segeln, mit
ordentlich speed trotz inzwischen einlaufendem Strom. Und
tatsächlich gelang es uns, einmal kurz den Blick in die Weite
der
Ostsee zu genießen, zu wenden, mit sechs Knoten und
tüchtig
Schräglage in die Schlei zurückzusegeln, ein
motorendes
Folkeboot locker zu überholen und nach Rabelsund gut in der
Zeit
für die nächste Brücke
zurückzukehren. Hier endete
das Segelvergnügen - es war nur noch gegenan, und ich
fühlte
mich inzwischen müdegesegelt. Keine Kreuz also mehr, sondern
schonmal
ein
bisschen aufklaren.
Und doch war es ein verheißungsvoller
Saisonauftakt. Einige
faszinierende Aufnahmen sind auch noch entstanden - und so war es ein
wunderbarer erster Segeltag des Jahres.
weiter: Wir sind sieben