Paulas Törnberichte | ||||||
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"Hardcore Sailing" - Flottillentörn
13.-19. Juni 2015
So wird es wohl nirgendwo angeboten: Folkebootsegeln als Gruppenreise,
Dänische Südsee für vier Crews mit geringer
Segelerfahrung. In seiner geplanten Form musste das
„begleitete Flotillensegeln“ aufgrund der
Wetterlage ausfallen. Statt dessen machten wir intensives
Starkwindtraining. Leute, hört auf, übers Wetter zu
jammern, und macht es wie wir: Trotz - wenn nicht sogar wegen - der
Wetterbedingungen erlebten wir eine wunderschöne,
unvergleichlich lehrreiche und zweifellos unvergessliche Woche.
Juni 2015
Kurz
gefasst
Fünf Folkeboote. 137 Seemeilen. Arnis - Mommark - Troense -
Korshavn - Lyø - Aarø - Sønderborg -
Arnis. Viel Wind, furchtbare Kälte wie das gesamte
Frühjahr, oft bedeckt, zur Belohnung auch mal sonnig, es
regnete aber auch nur in Maßen. Außer Segeln
gehörten ein Besuch bei im
Museum
in Valdermar's Slot und ein ausgiebiger Landggang auf Lyø
zum Programm, vor allem aber gemeinsame Abendessen, wo immer wir einen
Gemeinschaftsraum vorfanden, sowie gegenseitige Hilfe beim An- und
Ablegen, tägliches Aufarbeiten der bisherigen Erfahrungen und
Vorbereitung auf den nächsten Schlag.
Was das Segeln betraf: Es war nie langweilig,
bisweilen aufregend, durchweg lehrreich und
kurzweilig. Ungefähr so hatte ich mir das vorgestellt und
hatten es die Gäste gebucht. Vor allem auf der Kreuz bei
Starkwind und entsetzlich kurzer, hackiger Welle schwärmten
alle von dem beruhigenden Gefühl, das die befreundeten Schiffe
in Sichtweite ausstrahlten, auch wenn wir einander bei Problemen doch
nicht wirklich helfen konnten.
Lehrreiches
Außer „Paula“ war nur
„Oliese“ mit überdurchschnittlicher
Segelerfahrung besetzt -
und war prompt die Erste, die nach einem Navigationsfehler auf Grund
lief. Didaktisch verliefen die ersten Tage ganz wunderbar: Wir
starteten bei leichtem Südost, je nach Wunsch kreuzten oder
motorten wir aus der Schlei, alle machten sich mit ihrem Boot ein wenig
vertraut. Dann gönnten wir uns bei 5-6 einen Raumschotstag,
der richtig Laune machte, aber erhebliche Probleme zu Tage
förderte, wenn es darum ging, unterwegs aus der Seekarte die
richtigen Schlussfolgerungen zu ziehen. Anschließend mussten
wir das alles wieder zurückkreuzen, bei einer strammen 6
starteten wir im geschützten Svendborgsund und waren dann
froh, gerefft zu haben.
Die wilde Kreuz war zwar genau nach meinem
Geschmack, und auf „Frieda“ und
„Oliese“ sah es ebenfalls nach tierischem
Vergnügen aus, aber um den Rest der Flotille machte ich mir
durchaus Sorgen. Dort erlebte man die eigenen Grenzen, es gab hinterher
kritische Stimmen: von Entspannung könne jedenfalls keine Rede
sein - aber es beruhigte, dass ich den Zielhafen von
Avernakø auf Korshavn änderte und dadurch die zu
bewältigende Strecke um eine gute Stunde abkürzte.
Ich würde immer wieder einen derartigen Galopp einbauen, wenn
sich die Gelegenheit ergibt: Beim Schönwettersegeln ist der
Lerneffekt gering, früher oder später wird man aber
dem Wind in die Falle tappen, und dann ist es gut, bereits zu wissen,
wie man auf Stress, Anspannung, Ruderdruck, Schräglage,
Spritzwasser und ein mulmiges Gefühl bei der Sache im
Ernstfall reagiert.
Nach meiner Wahrnehmung hatten wir danach genug
Erfahrungen gesammelt, um sie in konzentrierter Form anhand von
Seekarte und Hafenhandbuch aufzuarbeiten. Wir sahen uns nicht nur die
zurückgelegten, sondern auch die nun bevorstehende Strecke
gründlich an: Welche Tonnen und Untiefen sind zu beachten?
Welche Kurse müssen wir fahren? Wie können wir beim
Kreuzen sicher festlegen, wo die Wende zu fahren ist? Wie kann uns das
GPS dabei helfen? Welche Informationen gibt uns die Skizze im
Hafenhandbuch? Wo ist dort wieviel Platz und Wassertiefe, welche
Liegeplätze sind bei gegebener Windrichtung zu bevorzugen, und
vor allem: Wo ist die Einfahrt? All diese Dinge hätten wir
auch vor der Abreise in der Grillhütte in Arnis besprechen
können - doch dann wäre es reine Theorie gewesen, die
ohne die zuvor gemachten Erfahrungen kaum auf fruchtbaren Boden
gefallen wäre. Nach den Strapazen freuten sich die Meisten bei
etwas weniger Wind und besserer navigatorischer Vorbereitung
über einen deutlich kürzeren Schlag zur Entspannung.
Ohne
gegenseitige Hilfe wäre kaum ein An- und Ablegen
gutgegangen - es war häufig viel Wind, und oft mussten wir
improvisieren, uns in eine enge Ecke verkriechen oder in
Päckchen liegen. Das klappte größtenteils
hervorragend. In Aarø lieferten wir trotzdem grandioses
Hafenkino nebst unfreiwilligem Bad ab, weil einige bereits gelernt
geglaubte Lektionen doch noch nicht verinnerlicht waren: Zu schnell in
den Hafen sausen, insbesondere unterschätzen, wie doll ein
achterlicher Wind schiebt. Dadurch in Hektik geraten. Das wurde um so
dramatischer, weil ein Folke nach dem Anderen geradewegs in den Hafen
fuhr, anstatt - wie nach dem ersten Anlegen in Mommark verabredet -
draußen oder jedenfalls in sicherem Abstand zu warten, bis
die vorher Eingelaufenen sicher festgemacht hatten.
"Friedas“
Crew wirkte schnell wie eine harmonische
Einheit mit ihrem Schiffchen, brauchte aber ein paar Tage, um sich mit
dem hochsensiblen Außenborder anzufreunden, der beim Starten
auf die richtige Dosis Choke und Gas großen Wert legte. Den
„Saltys“ musste ich aus gegebenem Anlass die
Mechanik nahebringen, mit der man die Flachwasserstellung wieder
entriegelt, in die das gute Stück durch Ausschalten und
Aufholen bei eingelegtem Vorwärtsgang geraten war - was dann
dazu führte, dass er sich vorm Anlegen nicht absenken
ließ. Bevor ich diesen kleinen Vortrag halten konnte, musste
„Paula“ „Salty“ erstmal
abbergen und in den Hafen schleppen, beinahe gegen den Widerstand des
genervten Skippers, der nicht wahrhaben wollte, dass es ihm nicht
gelingen würde, mit der Fock in Reichweite des Liegeplatzes zu
segeln.
Auch
ich bekam meine Lektion um die Ohren gehauen: Vorletzter
Tag, von Aarø nach Sønderborg - Paula und ich
hatten als Letzte abgelegt und uns für Vollzeug entschieden,
während der Rest der Flotte tunlichst gerefft unterwegs war.
Ein Fehler? „Paula“ war exzellent getrimmt, der
erste Schauer zog vor uns durch, im zweiten nahm der Ruderdruck
merklich zu, aber es war alles unter Kontrolle. Die
zusätzliche Segelfläche brachte aber keinen Vorteil,
zumindest holten wir gegenüber den früher gestarteten
keinen Meter auf. Als dann die Sonne schien und wir vorm Wind in den
Als Fjord sausten, braute sich in unserem Rücken Gewaltiges
zusammen, dem man einen aufmerksameren Blick hätte schenken
müssen - dann hätte ich nämlich bestimmt den
unheilvollen Böenkragen bemerkt, den dieser Kracher von Wolke
garantiert zur Zierde vor sich her trug. Oder zumindest daran gedacht,
dass eine Schauerböe ein Problem darstellt, wenn bei strahlend
blauem Himmel schon eine stramme 6 ins Segel drückt.
Wie
die
Dinge standen, brachte ich nur die Kamera vor dem Regen in Sicherheit
und zog mir das Ölzeug wieder an. Bevor ich wieder
wasserdicht und aufmerksam an der Pinne
saß, brach eine Bö von 7 oder 8 über uns
herein, "Paula" schoss mit backstehender Fock - wir fuhren eigentlich
Schmetterling! - in den Wind, den Versuch, sie wieder vor den Wind zu
bringen, gab ich auf, als ich sah, wie doll sich die Pinne bog. Statt
dessen holte ich die Fock über und barg das Groß.
"Paula"
kam dabei recht dicht unter Land, so dass ich eilig wendete, um wieder
auf den alten Kurs zu gehen. Ich wusste, dass "Oliese" in der
Nähe war, doch das Groß wehte mächtig aus,
so dass ich momentan nichts sehen konnte. Also kletterte ich aus dem
Cockpit und band, mich an Baum und Segel klammernd, einen weiteren
Zeising darum. "Paula", sich selbst überlassen, ging
wie
üblich auf Halbwindkurs. Im Augenwinkel sah ich etwas
Rötliches, entfernt an "Oliese" Erinnerndes, wie der Blitz an
uns vorbeisausen, ein Manöver des letzten Augenblicks fahrend
und dann im Regengeprassel vorläufig verschwindend. Der Spuk
war nach wenigen Minuten vorbei, das Groß konnte wieder hoch,
und wir hatten ein weiteres Spektakel erlebt, das sich so leicht nicht
vergessen lässt. Gerefft stellte die gleiche Bö
offenbar kein großes Problem dar.
Schönes
Nur zwei der Crews kannten einander und hatten
gemeinsam gebucht, doch die Gruppe harmonierte vortrefflich. Das
Gemeinschaftsgefühl im Hafen bestand wie erwähnt auch
unterwegs, vielleicht noch nicht am ersten, aber spätestens ab
dem zweiten Tag. Alle wollten segeln, und zwar als Gruppe, und das
machte es für mich als Veranstalter, der ja irgendwie doch
eine Menge Verantwortung trug, ausgesprochen leicht.
Trotz relativ
widriger Bedingungen gelang uns eine schöne Runde. Die
Segeltage kann ich nur aus meiner eigenen Sicht glaubwürdig
beschreiben - es kam schon ein wenig Euphorie auf zwischendurch.
Manchmal zusätzlich auch noch im Nachhinein, nachdem ich
morgens zum Aufbruch gedrängelt hatte und es dann eine halbe
Stunde, nachdem wir fest waren, gewaltig aufbriste. Der Ritt von
Mommark in den geschützten Svendborgsund war ein echtes
Highlight, wenn auch getrübt durch
„Olieses“ Malheur, das jedoch durch das Herbeieilen
eines dänischen Seglers, der zwar nicht selbst helfen konnte,
aber einen Fischer verständigte, bald behoben war.
Von
Korshavn nach Lyø brauchten wir kaum mehr als zwei Stunden,
aber es ging diesmal alles glatt und weckte von Neuem Lust auf mehr.
Kaum waren wir fest, riss der Himmel auf, und wir durften die
Wärme der Junisonne in vollen Zügen
genießen. Das Inseldorf mit seinen gepflegten Gärten
und die süßen Backwaren beim legendären
Kaufmann waren allein schon die Reise wert.
Der Schlag nach
Aarø war ebenfalls eine schnelle Reise, hoch am Wind
über zwanzig Meilen. Zu Beginn nervte die Welle, passte nicht
zum Wind und steilte sich unter Land zusätzlich auf, doch im
Verlauf des Tages segelte es sich trotz zunehmender Windgeschwindigkeit
immer angenehmer - die See und das Folkeboot belohnen den, der sich die
Mühe macht, sich eine Meile nach der anderen zu erarbeiten.
Und dann war da noch der vorletzte Tag, der Weg von Aarø
nach Sønderborg. West 5-6, unser Standardwind. Grauer Himmel
über uns, Gischt im Gesicht, die Welle war dicht unter Land
aber ganz angenehm. Finstere Schauerböen brachten ein bisschen
Regen und kurzzeitig starke Böen. Doch dann riss der Himmel
auf, und die Sonne tauchte den Als Fjord in gleißendes,
herrliches Licht. Ohne das vorausgegangene Schietwetter hätten
wir gar nicht wertschätzen können, was wir jetzt als
grandioses Geschenk empfanden. Es war wie das Licht am Ende des
Tunnels, wie eine Verheißung, wie eine Belohnung für
stoisch hingenommene Strapazen. In Sønderborg
durften wir an
unserem ureigensten Steg gegenüber vom Schloss in perfekter
Abdeckung anlegen, und diesmal ging es bei allen glatt und verschaffte
uns ein kollektives Erfolgserlebnis.
Fazit
Aus
schwierigen Windverhältnissen haben wir eine Menge gemacht
- das wäre den einzelnen Crews, auf sich gestellt ohne
Flotillentörn, sicher nicht gelungen - falls sie
überhaupt eine einzige Meile gesegelt wären. Ich bin
dankbar, dass letztlich doch alle, selbst wenn sie insgeheim auf
Entspannung, Schönwettersegeln und Badevergnügen
gehofft hatten, das Ganze als die Herausforderung begriffen, die Segeln
immer bedeutet. Reichlich Wind, das ist keine neue Erkenntnis, macht
die Sache interessanter als zu wenig Wind.
Das selten angebotene Konzept, einen gemeinsamen
Törn auf
getrennten Booten zu segeln, funktioniert tadellos: Es vermittelt in
kniffligen Situationen enorme Sicherheit, der Lerneffekt ist erheblich
- zu zehnt auf einer großen Yacht wäre immer nur
einer Ruder gegangen, hätten sich alle hinter der Kompetenz
des Skippers versteckt oder mit ihm über Trimm und Kurs
gestritten. Dort gluckt man ständig auf engem Raum - wir
hatten jeweils unser eigenes kleines Boot und gehörten doch
zusammen. Und in den Häfen erzeugen fünf Folkeboote
ein Maximum an Aufsehen, Interesse und Sympathie.
Beim
nächsten Mal werde ich sicher am Anfang einige Punkte
deutlicher herausstellen, was zum Beispiel das Einlaufen in den Hafen
betrifft oder die Zug um Zug zu verbessernde Kartenarbeit und
Vorbereitung auf den kommenden Schlag. Womöglich ist es dann
sommerlich warm, begleitet von schwachem bis mäßigem
Wind, und ich werde mehr Mühe haben, die Reise trotzdem als
anspruchsvolle Herausforderung zu gestalten, aber das wird sich finden.
Und wenn jede Gruppe so ist wie diese, werde ich noch viele weitere
Flotillentörns anbieten!
weiter: Ein besonderes Seestück
Nachtrag
Die folgende Dankesmail erreichte mich wenige Tage nach dem
Törn. Sie trug den Titel "Hardcore Sailing":
O Martha! My Martha!
Our fearful trip is done...
(Original : O Captain ! My Captain ! by Walt Whitman)
Liebe Martha, lieber Nicolas
Obwohl ich gefühlte tausend Tode ausgestanden und Adrenalin
für ein ganzes Leben ausgeschüttet habe,
hat’s mir gut gefallen und wünsche mir, dass der
Törn auch im nächsten Jahr stattfindet (schlimmer
kann’s kaum werden).
Keine ruhige Minute hatte ich an Deck um ein paar Seiten zu lesen, so
lese ich nun eben zu Hause „Wir Ertrunkenen“.
Der Titel hätte sowieso nicht gepasst für den
Törn. Über so viel Galgenhumor verfüge ich
nun doch wieder nicht.
Ein Bad in der Ostsee war zwar geplant, aber nicht so wie es war. Aber
es kommt bekanntlich immer anders als man denkt.
Der erhoffte braune Teint ist ausgeblieben, dafür hatte ich so
viele blaue Flecken, als wäre ich gerädert worden.
Wie auch immer…
Martha, danke, dass Du uns sicher in jeden Hafen gebracht hast,
wobei wir froh waren, dass unser Stil nicht bewertet wurde.
Du warst mir ein trautes Heim für eine ganze Woche
und ich habe bestens geschlafen.
Ganz dicht bist Du zwar nicht,
aber das bin auch ich nicht….
Hoffentlich bis ein anderes Mal auf Dir oder Frieda!
Beatrice
weiter: Ein besonderes Seestück