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Die kurze Anna

Der Große Belt ist diesig und wolkenverhangen. Musholm verliert sich im Dunst. Die „Kurze Anna“ ist längst nicht mehr zu erkennen. Während die kaum merkliche Brise von West über Nord auf Nordost drehte, ließ ich das morgendliche Ambiente auf mich wirken. Was es bedeutet, allein mit seinem Boot unterwegs zu sein in einer großen, weiten, prächtigen Welt, von der man nichts sieht außer einigen Kabellängen platten Wassers in direkter Umgebung, gleichwohl vorangetrieben von einer Woge der Begeisterung - das lässt sich nicht in verständliche Worte fassen. Man muss es erleben.

September 2017

Die gute Seemannschaft erfordert es, dass ich mir Gedanken mache. Knapp drei Meilen voraus liegt Weg Tango, der Tiefwasserweg durch den Großen Belt. Dort hat die Großschifffahrt Vorrang. So lange ich weder die Brücke noch die Betonnung sehe, ist er für mich ein Paar Wegpunkte auf dem GPS: Einer, wo wir in Weg T einlaufen. Ein zweiter an der Stelle, wo wir ihn wieder verlassen. Beide liegen auf einer Kurslinie zur Westbrücke. Eine halbe Seemeile diesseits und jenseits der Mitte des Tiefwasserwegs markieren die Wegpunkte jeweils einen Schluck Wasser. Reduktion auf das Einfache und Wesentliche, könnte man sagen. Aber in Anbetracht von Frachtern und Tankern, die mit zwanzig Knoten unseren Kurs kreuzen könnten, erscheint es mir auf unbefriedigende Weise abstrakt.

Die Sicht reicht definitiv nicht, um eine sichere, niemanden behindernde oder gefährdende Passage zu gewährleisten. Ich ziehe in Erwägung, mich über Funk bei Great Belt Traffic zu vergewissern, dass die Bahn frei ist. Nehme das Smartphone, werfe bei shipspotter.de einen Blick auf die AIS-gestützte Verkehrslage. Als ich diesen Blick aktualisieren will, reicht die Netzqualität nicht mehr aus, die Seite neu zu laden (inzwischen ist sie zur Baustelle degeneriert...).

Dann kommen sie im gleichen Moment: Der Regen und der Wind. Der Wind bewirkt, dass Paula nun mit guten fünf Knoten losrennt. Der Regen wäscht die Nebeltropfen aus der Luft und sorgt vorläufig für erheblich verbesserte Sicht. Ich erkenne einen Frachter, der von Süden kommend zwei Meilen vor uns durchgeht. Und einen zweiten, der von Norden kommt. Gemeinsam markieren sie Weg T viel anschaulicher als zwei GPS-Wegpunkte. Ich nehme den Fockausbaumer weg, Paula luvt an. Sie saust aufs Heck des näher kommenden Schiffes zu, dessen Konturen deutlicher und deutlicher werden. Als wir ihn querab haben, halten wir direkt auf ihn zu. Hastig entweicht er unserer Reichweite. Und als ich nicht nur sein Heck, sondern auch seine Steuerbordseite sehe, weiß ich: Weg T ist gequert, sicher und problemlos. Paula geht wieder auf Kurs.

Die Westbrücke, kaum fünf Meilen entfernt und gestern noch in voller Größe und Pracht zu sehen, zeigt sich schemenhaft, verschwindet wieder, zeigt sich erneut. Irgendwann ist Betonnung erkennbar, dann auch die Durchfahrt in der Mitte der Brücke. Wir sind nicht auf diese Durchfahrt angewiesen - elf Meter Masthöhe passen auch durch westlichere Segmente. Die Ausrichtung der Brücke, der Seegang, der inzwischen ganz enorme Speed sowie die erhebliche Strömung sorgen dafür, dass wir letzten Endes mit ausgebaumter Fock auf Am-Wind-Kurs durch die Brücke segeln. Das ist ein bisschen knifflig, aber es geht. Es geht überhaupt so gut wie alles, wenn Paula und ich unterwegs sind. Ich kann sogar für den kurzen Moment des Hindurchrauschens die Schönheit genießen, mit der das Regenwasser von der Straße zwischen den Brückenpfeiler hinunterplätschert.

Hinter dem Monstrum von Brücke ist kaum Wind. Für ein paar Hundert Meter ist das normal, die Pfeiler verwirbeln Luft- und Wasserströmung. Doch die Brise berappelt sich nicht wieder, und auch der Regen hört auf - die Brücke ist auch eine Wetterscheide. Ich beschließe, aus Erfahrung klug geworden, es heute nicht zu übertreiben: Der nächste Hafen ist Nyborg. Wir haben drei Tage Zeit für neunzig Meilen Rückweg - heute sollen zwanzig genügen.

Nachdem das geklärt ist, denke ich nach über die Steigerung des Adjektivs „intensiv“. Als „intensiv“ beschreibe ich fast alle unsere Reisen. Weil es zutrifft. Aber diese sechs Tage, längst ist das unzweifelhaft, ragen noch wieder heraus aus dem grandiosen Rest. Wenn ich immer das gleiche Wort verwende, fangen die Leser an zu gähnen und vermuten, dass auch ich es tue. Und alsbald die Lust verliere. Doch das Gegenteil ist der Fall, und dafür fehlen mir die Worte.

Ich ziehe kurz eine physikalische Definition in Erwägung. Doch ein psychologisches Phänomen wie die Intensität, mit der eine bestimmte Person ein bestimmtes Erlebnis erlebt, in naturwissenschaftlicher Präzision zu messen, ist nicht einfach. Zu viel hängt ab von den vorigen Erfahrungen der Person: Ein Skippertraining, das neben zwei, drei Anlegemanövern einen Segelschlag von Arnis nach Kappeln beinhaltet, führt bei Segelanfängern, die bisher Jolle und Mitsegeln kennen und sich nun auf ihren ersten eigenverantwortlichen Folkeboottörn vorbereiten, zur abrupten Erschöpfung der Aufnahmefähigkeit und wird ihnen ewig im Gedächtnis bleiben. Das ist allemal zu einhundert Prozent intensiv. Mir und Paula muss Anderes geboten werden. Die Intensität der Wahrnehmung hängt aber auch ab von der individuellen Bereitschaft, Neues und Großartiges überhaupt zu erkennen. Anzuerkennen. Zu genießen.

Statt also Intensität mit einer Formel zu berechnen, die Windgeschwindigkeit, Sichtweite, Pulsfrequenz, Hormonausstoß, zurückgelegte Strecke und ähnliche Faktoren beinhaltet, erstmals erreichte Territorien berücksichtigt, mit der Anzahl gelungener Anlegemanöver potenziert und durch die Zahl der Segeltage dividiert wird, und die am Ende die Maßeinheit „Paula“ trägt - statt dessen beschränke ich mich auf die Vorsilben für die Zehnerpotenzen jener Maßeinheit.

Kilopaula, Megapaula, Gigapaula. 1000 Paula. 1.000.000 Paula. Und so weiter. Der Jungendslang lässt die Maßeinheit weg und war vor einigen Jahren schon an dem Punkt, zu sagen: „Das ist mega!“ Jenseits des Giga ist das Terra von der Kapazität von Festplatten bekannt. Also sage ich: Der Törn war nicht einfach intensiv - er war terraintensiv. Denn Terra - die Erde - führt uns geradeaus zum Wesentlichen zurück: Wenn der richtige Mensch und das passende Boot zusammen unterwegs ist, hält jeder Quadratmeter ihrer Oberfläche ein Quantum Glück für ihn bereit.



Dyreborg, 31. August: Paula und ich genießen die Sonne. Das haben wir uns verdient nach eineinhalb klaglos ertragenen Tagen mit mehr oder weniger Dauerregen. Ein weiterer wunderbar prima gelungener Anleger unter Segeln bedeutet, dass wir seit Kappeln, also seit fünf Tagen, den Außenborder nicht mehr benötigt haben. Und weil wir ein bisschen mit den befreundeten Großen aus dem Kappelner Museumshafen um die Wette segeln, haben wir heute einen Logenplatz.

Amazone bemüht sich, eine vor Avernakø festgekommene Yacht freizuschleppen. Das haben wir im Blick - wobei es so aussieht, als sei es eine schwierige Prozedur, weil sich das Schiff zwei Stunden lang nicht von der Stelle bewegt. Endlich begreife ich, dass der Grundsitzer längst im Hafen liegt, Amazone vor Anker. Ebenso im Blick hatten wir Fionia und ein weiteres dänisches Schiff, die beide von Faaborg Richtung Lyöö unterwegs waren. Als dann Fionia über Funk die Fortuna vergeblich rief, konnte das nur bedeuten: Fortuna liegt bereits auf Lyöö, die Dänen wollten irgendwas bezüglich des Anlegens klären, aber Fortuna hatte die Funke bereits aus. Leider auch der Bootsmann sein Handy, sonst hätte ich helfend eingreifen können.

Heute war wirklich alles dabei: Grau in Grau, Regen, Fockausbaumer. Beim Ablegen - Paula hing nur an einer Vorleine, das Groß war schon halb oben - noch schnell ein Buch verkauft und mir die Klagen eines Nyborger Frührentners angehört, der den Bürgermeister nicht mag und seinen Arzt verklagen will. Im Svendborgsund die Brücke passiert, eine halbe Stunde bevor der Strom kenterte. Dann riss nach eineinhalb Tagen die Wolkendecke auf, der Wind drehte auf West, wir hoppelten ohne Druck in den Segeln in einer enormen Welle, und ich hatte ein Fragezeichen auf der Stirn. Eine Geduldsprobe später sah ich in der Nachmittagssonne die Schaumkronen auf uns zurollen. Und Sekunden später befanden wir uns in einer packenden Kreuz. Paula erledigte ihren Part wie immer stoisch, souverän und schnell.

Ich muss zugeben, dass es mit dem Kreuz so eine Sache ist: Beim Ankeraufholen in Troense stach mich dort ein Schmerz, der mir seitdem einen Ausblick darauf gibt, wie das Segeln im Alter sein wird. Ergebnis: Immer gut mit den Händen abstützen. Langsam machen. Geht schon. Ein bisschen sommerliche Wärme wäre hilfreich, aber die ist für heute Abend ja geregelt. Ansonsten ist zu diesem medizinischen Problem zu sagen: Solange es dödelig-dümpelig vor sich hin läuft, tut jede Bewegung ein bisschen weh. Wenn es gilt, an den Schoten zu reißen, den Wellen zu trotzen, nebenbei den richtigen Weg zwischen Tonnen und Untiefen zu finden und schließlich Paula sanft und sicher an ihren Liegeplatz zu steuern, ist der Rücken kein Problem.

So soll es ja auch sein - dies ist unser erster Urlaub dieses Jahr - hurra! Soll heißen: Nach neunhundert Seemeilen „Dienstreisen“ in Begleitung der Charterboote dürfen Paula und ich endlich einmal tun und lassen, was wir wollen. Eine Flottille ist träge: Wenn wir morgens ein bestimmtes Ziel verabredet und uns navigatorisch darauf vorbereitet haben, bedarf es guter Gründe, per Funk eine Änderung zu verordnen, und wenn diese eine Änderung verbindlich verabredet ist, muss dabei dann auch bleiben. Jetzt können wir ablegen, ohne zu wissen, wo wir letztlich anlegen werden - mal sehen, was der Wind so bringt. Und es beweist sich, was ich stets behaupte: Kein Segeltag vergeht ohne Überraschungen.

Wir hatten ein vages Ziel, das wir auch erreichten: Nachdem es mir im Juli dort so gut gefiel, wollte ich gerne dieses Jahr nochmal nach Musholm. Ihr wisst schon: „Es ist schrecklich da! Da gibt es NICHTS!“ Erstmal krankte der Samstag daran, dass die letzten Charterer erst nachmittags kamen, sowie an der beharrlichen Flaute. Letztlich passte das ganz gut zusammen, es wäre ja eh kein Schlag nach Dänemark drin gewesen: Schwach umlaufend nennt der Seewetterbericht die schlappen 1-2 Beaufort aus wechselnden Richtungen. Björn, mit Jane gerade aus dem Urlaub zurück, lud zum abendlichen Grillen ein.

Der Sonntag krankte natürlich an den Nachwehen des Grillens, Björn und ich konnten ja nicht früh zu Bett gehen, nachdem wir wochenlang reichlich gesegelt waren, uns aber kaum gesehen hatten, und auch die Regatta in Svendborg noch einmal diskutieren mussten. Paula und ich schafften dann immerhin die Zwölfuhrbrücke. Die Schlei nervte mit Abdeckung, Winddrehern und quälend langsamer Fahrt - kaum waren wir am Leuchtturm vorbei, begann die eigentliche Reise mit satten fünf Knoten.

Ursprünglich war ich der Meinung, es deutlich über Marstal hinaus schaffen zu müssen - da dachte ich aber auch noch, ich müsse am Donnerstag zurück. Doch den Samstag hatte ich genutzt, Frieda und Salty, die nichts zu fahren hatten, segelklar für die nächsten Gäste zu machen. Der Freitag stand also zur Verfügung als letzter Reisetag. Und als wir dann bei Nordwest 4-5 die Rinne aufkreuzten, hatte ich richtig Lust auf Marstal. Wir waren da, man höre und staune, auch erst ein einziges Mal dieses Jahr - und wenn es einen Hafen gibt, der mit Paula, mir, der Jonas, ersten Segelerfahrungen und bleibenden Eindrücken zu tun hat, ist es Marstal.

Fortuna und Amazone gesellten sich zu uns, reichlich bekannte Gesichter aus Traditionsseglervergangenheit und -gegenwart, doch den Abend verbrachte ich anderweitig: Niels und Heike Springer von CO-Segel saßen bei Fru Berg und luden mich zum Biertrinken ein. Seit Jahren bin ich dort Kunde, laufe Niels auch immer wieder in Arnis über den Weg oder lasse mir von ihm einen Satz gebrauchte Segel vermitteln - aber so richtig miteinander gesprochen hatten wir vorher eigentlich nicht. Das war also die Überraschung am ersten Tag.

Das gemeinsame Reisen von See-Ewer und Folkeboot holten wir am flautendödeligen Montag nach, indem wir kurz nach Amazone ausliefen. Beide hatten wir als grobe Richtung das Rudkööbing Lööb genannt, wohin es letztlich gehen sollte, war offen. Wir überholten Amazone nach einer Weile, sogar in Lee, weil das schwere Schiff ohne richtig Druck in den Segeln alle Mühe hatte, sich der seitlichen Strömung zu widersetzten und ins Fahrwasser zurück zu segeln. In der anschließenden Flaute trieben wir, und Paula bekam ihr Deck gewaschen, während Amazone vorbeituckerte. Als dann wieder Wind war, zogen wir mit respektablen vier Knoten erneut vorbei. „Wo wollt ihr denn hin?“ rief ich rüber. Sönke meinte nur, Lohals sei wohl zu weit, und ich hatte mich inzwischen mit Paula auf Troense verständigt. „Auch ne Idee“, fand Sönke. Wir ankerten schließlich im Pilekrog, und das ist immer spannend, weil man in der alle sechs Stunden kenternden Strömung liegt anstatt im Wind. Der Anker kam hinterher blitzsauber und kopfüber auf, von seiner Kette mehrfach umwickelt, hatte also nur durch sein Gewicht gehalten. Amazone lag am Anleger von Ausflugsdampfer Helge, für den Klönschnack musste ich also rudern.

Neuer Tag, neuer Wind, alter Tatendrang trotz stechendem Schmerz: Wir kreuzten aus dem Svendborg Sund, als noch kein anderes Boot unterwegs war. Nordwärts lief es mal mäßig, mal gut, nie exzellent, doch wir hatten genug Zeit. Hinter der Store Belt Bro rannte Paula mit gut fünf Knoten über den Tiefwasserweg, und kurz nach vier legten wir in Musholm an. Wir hatten die Insel nicht ganz für uns alleine, ein dänisches Ehepaar lag am Steg, eine große Yacht ging an die nächste Mooring, aber ruhig und idyllisch wie gewünscht war es allemal. Zwischen Mittagsstunde und Kochen war Zeit für einen ausgiebigen Landgang. Und dabei stellte ich fest: Musholm ist das bessere Helgoland. Nunja - wer gerne Zollfrei Schnaps kauft, ist hier falsch. Und Helgoland ist aus Sandstein, Musholm aus sandigem Lehm. Es wird wohl nicht mehr ewig den Herbststürmen trotzen. Aber analog zur „Langen Anna“, die den Deutschen an sich so viel bedeutet, gibt es auf Musholm eine mindestens genauso hübsche, völlig unterbewertete, wunderbar lehmige „Kurze Anna“. Die physikalischen - oder soll ich sagen: gemomorphologischen - Prozesse sind jedenfalls die Gleichen. Abgesehen davon ist Musholm einfach schön, und es ist dicht am Meer, in Sichtweise eines technokratischen Monsters wie der Store Belt Bro, steht in markantem Kontrast zu ihr, lässt das Herz jedes Ruhesuchenden höher schlagen, gar nicht zu reden vom Herz eines Einhandseglers, den es hier her verschlagen hat.

Auf dem Landgang gab es noch mehr zu sehen: Eine echte Höhle, in der sich bei meiner Annäherung gleich ein schnelles, scheues Tierchen verkroch. Man sagt, dass Musholm schon sehr früh bewohnt war - vermutlich stellte damals diese Höhle die bevorzugte Behausung dar. Jede Menge Vögel - Schwalben, Kormorane, Möwen und bestimmt auch einige seltenere Exemplare. Ein furchtbares Gemetzel - da hat eine Möwe den Kürzeren gezogen, mutmaßlich wurde sie von einem Seeadler gerupft. In der Steilküste gibt es unzählige kleine Löcher, im Frühjahr Brutstätte der Schwalben. Der Lehm schimmerte in der Abendsonne rötlich, fürs Foto bot sich vor diesem Hintergrund ein Büschel Margeriten dar. Ächzend, aber ohne Widerspruch, begab ich mich in die Hocke und drückte auf den Auslöser. Inzwischen humpelte ich mehr, als dass ich ging, die Insel ist nämlich klein, aber keineswegs winzig, und dennoch genoss ich jeden Blick und jeden Augenblick. Zum Essen gab es, dem Rezeptvorschlag von Saltys vorletzten Gästen ein Stück weit folgend und dann saisonal abbiegend, Nudeln mit Pfifferlingen und Speck. Es war köstlich. Unter monströsem Sternenhimmel und in Sichtweite der prächtig illuminierten Hochbrücke über den Großen Belt hörte ich bis spät in die Nacht „Black Sabbath“ - warum ausgerechnet diese Band, vermag ich nicht zu sagen, obwohl es eigentlich gut passt: Als ich mit sechzehn die ersten Takte ihrer LP hörte, die ein Schulfreund mir vorspielte, hörte ich den irren, , unverwechselbaren, morbiden Gitarrensound, grinste und sagte: „Cooooooool!“ Und genau so war nun meine Stimmung.

Die Rückreise begann wie berichtet flautig und ging regnerisch weiter. Wir trieben beinahe majestätisch vom Liegeplatz weg und setzten Segel. Seit Kappeln war der Motor nicht mehr zum Einsatz gekommen. In Nyborg - ehemals Fährhafen, jetzt wenig mehr als eine Abfahrt an der Autobahn nach Kopenhagen - ist Anlegen unter Segeln gar keine Frage. Und wir waren früh genug, um den nachmittäglichen Regen erholsam in der Koje zu verbringen. Es legte noch die Johann Smidt an - ein Traditionssegler nur dem Äußeren nach, in Wahrheit erst 1974 gebaut, in meinen Augen nicht allzu schön oder romantisch, dafür aber extrem seetauglich: Die „Johnny“ ist mit Schulklassen in Ostsee, Nordsee und Karibik unterwegs. Sie ist ein bisschen tiefgangbehindert, deshalb musste ich Paula voraus zerren in den „nur“ 3,50 tiefen Teil des Hafenbeckens. Dann kam zuerst der Skipper, um sich für die Kooperation zu bedanken. Und anschließend der Lehrer der mitreisenden Schulklasse, ein Bekannter aus zurückliegenden Winterlagern - Eigner und Erbauer von Folkeboot Wilde Charlotte. Ihm also drückte ich morgens um sieben, als Paula nur noch an einer Vorleine hing und die Zeisinge schon gelöst waren, ein Exemplar unseres Buches in die Hand und kassierte, extra noch einmal an Land steigend, den Preis.

Der daran anschließende Segeltag war viel besser, als es die Stichworte „bedeckter Himmel“, „Regen“ und später „gegenan“ nahelegen. Er war grandios. Er war „mit alles“, wie ein perfekter Döner, nur dass Segeln definitiv besser ist als Döner Essen. Und Dyreborg - eigentlich nur eine Notlösung, ich wollte lieber nach Bjørnø oder sonstwohin, besann mich dann aber eines Besseren wegen der feinen Abdeckung und dem ruhigeren Liegen - bildet einen wundervollen Abschluss eines feinen Kurzurlaubes. Es bleibt noch der Rückweg, bei Westenwind sollte er gelingen, und spätestens in Kappeln, notfalls zwanzig Meilen vorher in der totalen Flaute, werden wir wohl mal wieder den guten Mercury anwerfen.

Es lief inzwischen noch eine kleine Yacht ein, die genau in die Lücke vor Paula und hinter den Locals passte, „extra für euch freigehalten“, wie ich beim Leinen Annehmen behauptete. Die Konstellation an Bord ist so, dass die Frau skippert, der Mann ist der Trainee - schade, dass dies nach wie vor bemerkenswert ist und lobend hervorgehoben werden muss. Bemerkenswert ist auch, dass der Mann Nicolas heißt wie ich. Ich habe sie dann nur noch gefragt, ob sie womöglich Paula heißt. Dann hätte ich auf der Stelle ein weiteres Buch verkauft.


weiter: Silverrudder? Ohne uns!