Folkeboote im Winterlager nicolas thon: fotografie -schreiben - segeln
Paula
Salty
Martha Frieda Oliese



Winterarbeit 2014-5

Über vierzig Jahre alte Boote bedürfen erheblicher Pflege. Längst nicht alle neuralgischen Punkte sind aufgearbeitet, hier und da hat ein Vorbesitzer geschlampt. Die Charterboote sind dreimal so viel im Einsatz wie eine durchschnittliche Eigneryacht - und sollen mindestens genauso zuverlässig sein. Langeweile kommt also nicht auf.

Aber was treiben die "Wildgänse" denn so über den Winter?




1. März: In den verschiedenen Winterlagerhallen glänzt und funkelt es tüchtig, was nur Eines bedeuten kann, nämlich dass wir mit dem Klarlack schon ein gehöriges Stück weit gekommen sind. Vorläufig ist es zu kalt für einen vernünftigen Endlack, aber wir liegen so gut im Zeitplan, dass eine kleine Verzögerung kein Drama bedeutet. Eine kurze Verschnaufpause tut mir, ich gebe es zu, sogar ganz gut. Denn in den letzten vier Monaten ist Einiges passiert:

Paula
Wir kennen uns inzwischen eine Weile. Unangenehme Überraschungen sind selten geworden. Letzten Winter habe ich die vor Jahren schon einmal provisorisch reparierte Rumpf-Deck-Verbindung auf der Backbordseite in einen dauerhaft tauglichen Zustand versetzt, dieses Jahr ist die Steuerbordseite dran. Die sah damals schon schlimmer aus, und sie tut es auch jetzt.

Dass da ein bisschen Sperrholz ersetzt werden möchte, ahnte ich schon - aber es geht tatsächlich nur um zwei kleine Flicken. Die mache ich natürlich mit besonderer Hingabe. Da wird zunächst eine Falz angefräst, sowohl an den Flicken als auch dem Drumherum noch tauglichen alten Holzes. Natürlich sind Balkweger und Decksbalken der Fräse im Wege, also wird der klassische Stechbeitel bemüht.

Nach dem Einkleben des Sperrholzes kommt der Schwingschleifer zum Einsatz, bis alles leidlich strakt. Und dann: Glasfaser und Epoxi. Parallel dazu mache ich zwei waagerechte Schnitte mit der Kreissäge und entferne das dazwischen stehengebliebene Holz. Die entstandene Nut wird mit Fichtenholz aus dem Baumarkt ausgeleistet. So gelangen wir mit geringen Kosten und wenig Aufwand zum gewünschten Ergebnis: Der Gammel ist weg, das Schiffchen dicht. Die Fichte verschwindet nachher unter einer Lage GFK und der neuen Scheuerleiste. Man kann alternativ auch die obere Planke erneuern, ein solches Projekt steht momentan unvollendet mit aufgebrauchtem Budget in der gleichen Halle.

Der Rest sind Kleinigkeiten an Mastspur und Spiegel, sowie eine Führung für die Fockschot. Die hakt sich nämlich gerne unter Namensschild oder Positionslampe. Unter Deck könnte eigentlich auch mal wieder tüchtig lackiert werden. Das Kajütdach von innen habe ich mal angeschliffen und die Decksbalken abgeklebt, mich an das Geklecker aber noch nicht herangewagt.

Dennoch geht es voran: 9. März - Klarlack und Unterwasserschiff sind fertig. 29. März: Scheuerleiste und Fußreling sind montiert. Alina und Thabea, die enthusiastischsten Helferinnen, die man sich wünschen kann, haben ein wahres Wunder vollbracht dank ihres mitreißenden Elans. Ich weiß ja schon, wie solche Arbeiten bei mir aussehen in dieser Zeit des Jahres, wenn die Power einfach weg ist und ich nur noch die Boote zu Wasser haben möchte. Doch diesmal habe ich mich nicht getraut zu sagen, och, das sei schon okay, wenn eine Schäftung im ersten Versuch nicht ganz perfekt war. Also wurde nachgearbeitet. Das Problem ist nur, dass jetzt erst richtig auffällt, wie schlampig ich letztes Jahr an der Backbordseite gearbeitet habe, noch dazu mit den alten Leisten, die ich zusammengestückelt wieder angeschraubt habe.


Bootspflege und Reparaturen früherer Jahre



Salty

Stolz reckt Salty ihre neue Bugspitze in die Höhe. "Na, wie sehe ich aus?" fragt sie, als käme sie gerade vom Frisör. Paula nickt anerkennend, und hinter dem Lob steckt nicht nur Höflichkeit - die Reparatur ist wirklich gelungen.


Zunächst sah es so so aus, als sei jemand einen sportlichen Anleger gefahren, ohne es zu können, und hätte dann allzu optimistisch versucht, das abgebrochene Stückchen wieder anzukleben. Doch die Stevenspitze hatte wahrlich keine Chance: Der Bootsbauer hat es damals gut gemeint und einen langen, waagerechten Bolzen eingebaut, der durch das Bugband bis in den Steven reicht. Stahl in Eiche - es ist erstaunlich, dass es immerhin fünfzig Jahre gedauert hat, bis der aufblühende Rost den Steven sprengte. Ein beherzter Sägeschnitt förderte dieses Debakel unverkennbar zutage.


Der Bolzen ist jetzt, so tief es ging, gekappt und zugespachtelt, danach habe ich ein ein schönes neues Stück Eiche angeschäftet. Die Schäftung ist geschraubt und verleimt, das dürfte ein paar Jahre halten. Traumhaft! Nach dem Lackieren müssen nur noch Scheuerleiste und Fußreling sowie der Stevenbeschlag wieder ran. Aber seid bloß vorsichtig mit der Kaimauer, Leute - ich möchte dieses Meisterwerk nicht als Trümmerhaufen in Kappeln an der Stadtpier wiedersehen.






Salty ist damit aber noch lange nicht fertig. Der Lack ist hin, und das Deck braucht zumindest eine gründliche Überholung. Unschön: Unter der hässlichen Leiste um den Aufbau herum zeigte sich in drei der vier Ecken Gammel. Komisch nur, dass ich es in zwei Stunden schaffe, so eine Stelle auszuleisten - die Ringsumleiste anzufertigen, um den Schaden zu verdecken, hat mit Sicherheit länger gedauert.


Nicht nur die Leiste um den Aufbau ist endlich verschwunden. Darunter, zwischen Sperrholz und Süll, sollte eine Vergussmasse für eine wasserdichte und dauerelastische Verbindung sorgen. Elastisch muss das an dieser Stelle gar nicht sein, und dicht war sie schon lange nicht mehr - vermutlich deswegen hat man seinerzeit die Leiste montiert. Durch das Entfernen der dusseligen Vergussmasse entstand ein fünf Millimeter breiter Spalt. Da ist nun mit reichlich Epoxi eine Leiste eingeklebt und der Decksbelag wieder geschlossen.



Saltys Bilge ist von Mastspur bis Achtersteven neu lackiert. Es wird niemals meine größte Leidenschaft werden, mehr oder weniger kopfüber in die einzelnen Segmente zwischen den Bodenwrangen zu tauchen und mit einem Pinsel, dessen Borsten längst hochgebogen sind, unter jedem Spant herumzustochern, damit die Farbe auch wirklich in jedes kleine Eckchen vordringt. Wenn man nicht auf der Schicht vom Vortag gleich mit den dreckigen Schuhen herumtrampeln möchte, sind Bewegungsfreiheit und mögliche Sitz-/Knie-/Hockplätze extrem eingeschränkt, was zu einer reichlich unbequemen Körperhaltung führt. Und das Lösungsmittel von Danboline ist...nennen wir es: kräftig. Kein Riesenspaß also, aber unumgänglich, wenn da allmählich blankes, ungeschütztes Holz zum Vorschein kommt und die Brocken blätternder Farbe darauf lauern, die Bilgepumpe zu verstopfen. Außerdem soll so eine Bilge ja auch deswegen sauber und ordentlich wirken, damit man sich tatsächlich traut, dort Bier und Butter zu stauen.




Oliese
Oli hat letzten Winter eine Rundumpflege bekommen, dieses Jahr sind nur kleine Aus- und Nachbesserungen vorgesehen: Spachteln am Deck, der letzte Gast hat eine Klampe zertreten, beim Kranen fiel mir eine offene Schäftung auf.

Außerdem stand da in der Werkstatt eine wunderschöne Pinne nutzlos herum - weil Oli mir bisher so vergleichsweise schmucklos erschien, soll dieses Prachtexemplar in Zukunft ihr gehören.

Ach - und der Mast wird abgezogen, geschliffen, wo nötig repariert und neu klarlackiert. Überhaupt gibt es natürlich ein paar Tropfen frischen Lack. In ihrer dunklen Ecke lässt sich zwar kaum erkennen, ob das gelungen ist, aber auf den ersten Blick sieht es ganz hübsch aus.





Frieda

Hauptprojekt: Das Teakdeck wird neu verfugt. Das Entfernen der alten Vergussmasse hat ungefähr drei Tage gedauert, plus ein Tag Nacharbeiten mit Schleifpapier. Immerhin sind die Fugen überall noch tief genug.

Es ist eine Fleißarbeit: Nach dem Schleifpapier kommt der Staubsauger, auf ihn folgt ein mit Aceton getränkter Lappen. Immer sieben Meter vierundsechzig an Backbord von achtern nach vorne, dann die gleiche Strecke an Steuerbord zurück. Gleiches gilt schließlich für Pinselchen mit Primer (der Reste alter Vergussmasse anlöst, das ist so ähnlich wie beim Fahrradflicken), Kartuschenpresse und Spachtel. Über Weihnachten und Neujahr darf die fast einheitlich schwarze Fläche aushärten, dann möchte sie geschliffen werden.




Ende Januar: Ein bisschen Nacharbeit und ein letzter Schleifgang stehen noch aus.

Unterdessen sind die meisten Kleinigkeiten erledigt. Zum Beispiel habe ich die unpraktischen Curryklemmen, in denen bisher die Fockschot belegt wurde, samt ihrer altersschwachen Sockel entfernt und angefangen, das Süll wiederherzustellen. Und prompt bekam Frieda ein überaus willkommenes Weihnachtsgeschenk in Form eines Sortimentes Belegklampen. Zwei davon werden ab dem Frühjahr ihre Fockschot halten. Die Bilge ist zwischen den Kojen angeschliffen, die Kojen selbst sind endlich zu Hause in der Lackierstube angekommen.

Außerdem schreit die Außenhaut nach grundsätzlich neuem Lack. Da waren die Blessuren aus dem Chartergeschäft allzu deutlich geworden. Um Eignern mit schraddeligem Freibord mal einen Eindruck vom Aufwand zu vermitteln: Das Abziehen mit Heißluftfön und Kratzer hat einen langen, anstrengenden Tag gedauert, tiefer Schlaf war danach garantiert.  Es schien mir die schnellste, gleichzeitig aber auch die fürs Holz schonendste Methode zu sein - ohne Fön trocknen die Planken zwar nicht, aber Muskelkater und Furchen sind unvermeidlich. Und von Chemikalien zum Abbeizen hat mir bisher noch jeder abgeraten und damit meine eigenen Erfahrungen bestätigt.

Es folgten zwei Tage Schleifen mit 60er Körnung. Ziel: Entfernen von Lackresten (wichtig - sonst wird es scheckig), Herausschleifen flachgründiger Dellen und grauer Verfärbungen, sowie des scheckigen Gesamteindrucks, hervorgerufen durch jahrelanges Ausbessern. Ein Riesenaufriss, den ich so intensiv gar nicht betreiben wollte - doch es wird unmittelbar ersichtlich, wie sehr sich die Arbeit lohnt. Friedas Lärchenplanken sind der Kracher: Feine Maserung, so gut wie keine Astlöcher, Holz von höchster Qualität. Diese Schönheit sollte nicht unter einer dicken, unebenen, honiggelben Patina verborgen bleiben.

Einige der tieferen Beschädigungen habe ich mit solchen schönen Proppen beseitigt, wie sie unten auf dem Foto zu sehen sind. Manche habe ich auch bewusst so gelassen: Man soll dem Schiff sein Alter ja ansehen und es nicht versehentlich für einen Neubau halten, der noch nichts zu erzählen weiß außer wie schön sauber es in der Werft ist. Es folgen weitere Schleifgänge mit 80er und 120er Körnung, und dann kann die gut verdünnte Erste der 10 Lackschichten kommen.



Fachgesimpel zum Thema Proppen: Wie für alles gibt es natürlich auch dafür einen korrekten Fachausdruck. Er lautet "Querholzdübel" und verrät, lässt man ihn sich einmal auf der Zunge zergehen, tatsächlich, worum es geht. Auch wenn nämlich manche Boote damit verhunzt sind, ist eine von einem Rundstab aus dem Baumarkt abgeschnittene Scheibe kein Proppen, genau wie die dort fertig erhältlichen Holzdübel. Sondern ein Längsholzdübel. Bei dem guckt einen das Hirnholz an und grinst, denn es wartet nur darauf, Feuchtigkeit ins Innere zu transportieren. Gerade das möchten wir hier nicht, denn es geht ja darum eine Oberfläche zu verschließen, damit in das Loch eben kein Wasser eindringt. Die Längsholzdübel haben trotzdem einen Sinn: Um zwei Teile miteinander zu verbinden, ist unser Proppen völlig ungeeignet. Er bricht nämlich bei Belastung sofort.

Die schulmeisterliche Lektion wäre natürlich nicht komplett ohne den Hinweis, warum Proppen unbedingt so eingesetzt werden sollen, dass ihre Maserungsrichtung mit der des umgebenden Holzes übereinstimmt. Durch Temperatur- und Feuchtigkeitsschwankungen dehnt sich bekanntlich das Holz oder zieht sich zusammen (es arbeitet). Dieser Effekt ist in Faserrichtung und quer dazu unterschiedlich stark. Ein verdrehter Proppen kann sich deshalb mit der Zeit losarbeiten.



Oha, dass es da so tüchtig in der Sonne glänzt ist ja schön und gut. Aber die Damen sind schon gewaltig getrocknet, aber können sie endlich wieder zu Wasser? Irgendwie fehlt doch da noch Einiges an Beschlägen: Klampen, Winschen, Fenster und Lukendeckel.

Martha

Genau wir bei Frieda sind die Decksfugen dran. Es ist hochinteressant, was man alles erfährt, wenn man so ein wenig in seinen Booten herumpuzzelt - Dinge, die von außen kaum oder gar nicht erkennbar sind. Marthas Deck ist kein Falzdeck wie bei Frieda - die Fugen sind enger und tiefer, die Stäbe schmaler, so dass insgesamt mehr Fugenlänge da ist. Auch ist ihr Deck eindeutig älter, schlechter verarbeitet und in verbrauchterem Zustand. Viele Ursachen also, warum die Arbeit hier erheblich mühsamer ist. Aber Martha tue ich den Gefallen besonders gerne - wenn ich nicht dabei lächele, liegt es an der notwendigen vollen Konzentration. Und sie dankt es mir: Zwar verbrauchte sie erwartungsgemäß doppekt so viel Dichtmasse wie Frieda, aber die ließ sich deutlich schneller verarbeiten.

Hier wird gerade eine der Kojenblenden aufgearbeitet. Das hat nichts mit Leckagen zu tun - die Leimungen sind teilweise aufgegangen, und ein gedankenloser Vorbesitzer hat mit Dutzenden sinnloser Schrauben ebensoviele hässliche Löcher hinterlassen. Bei solchen Details kann man sich leicht verzetteln und das große Ganze nicht mehr schaffen. Ich beschränke mich auf das Nötigste und Machbare, doch das sollte reichen, um aus der Räuberhöhle von Innenraum endlich ein kuscheliges Schmuckkästchen zu machen.

Die eindringende Feuchtigkeit hat über die Jahre auch die Knie um die Rüsteisen in Mitleidenschaft gezogen, die die innenbords gerichteten Kräfte von den Wanten aufnehmen - ein typisches Problem. Zum Glück ist das Holz in Großen und Ganzen noch erhalten, die Reparatur kommt also rechtzeitig: Die Knie zu erneuern würde bedeuten, von oben her das schöne Deck zu öffnen. Jetzt entferne ich nur von unten das weiche Holz und setze neue Stückchen ein.

Unterdessen ist der Riss in der Ruderbank ausgeleistet, gemeinsam mit diversen Teilen der Inneneinrichtung bekommt sie einen neuen Lackaufbau. Die Schwalbennester in der Bildmitte gehören Salty, die hattens auch nötig.

Martha, inzwischen kann ich das nicht mehr leugnen, hat eine lange Liste von Arbeiten, die aufs nächste Jahr verschoben sind. Die wirklich wichtigen werden aber gleich erledigt. 


Traumwelten? Die Weiten des Universums? Falsch. Hier sehen wir:
Marthas Ruderbankauflage vor dem ersten Zwischenschliff