Über vierzig Jahre alte Boote
bedürfen erheblicher
Pflege. Längst nicht alle neuralgischen Punkte sind
aufgearbeitet,
hier und da hat ein Vorbesitzer geschlampt. Die Charterboote sind
dreimal so viel im Einsatz wie eine durchschnittliche Eigneryacht - und
sollen mindestens genauso zuverlässig sein. Langeweile kommt
also
nicht auf.
Aber was treiben die "Wildgänse" denn so über den
Winter?
1. März: In den verschiedenen
Winterlagerhallen
glänzt und funkelt es tüchtig, was nur Eines bedeuten
kann,
nämlich dass wir mit dem Klarlack schon ein gehöriges
Stück weit gekommen sind. Vorläufig ist es zu kalt
für
einen vernünftigen Endlack, aber wir liegen so gut im
Zeitplan,
dass eine kleine Verzögerung kein Drama bedeutet. Eine kurze
Verschnaufpause tut mir, ich gebe es zu, sogar ganz gut. Denn in den
letzten vier Monaten ist Einiges passiert:
Paula
Wir kennen
uns inzwischen eine Weile. Unangenehme Überraschungen sind
selten geworden. Letzten Winter habe ich die vor Jahren schon einmal
provisorisch reparierte Rumpf-Deck-Verbindung auf der Backbordseite in
einen dauerhaft tauglichen Zustand versetzt, dieses Jahr ist die
Steuerbordseite dran. Die sah damals schon schlimmer aus, und sie tut
es auch jetzt.
Dass da ein bisschen Sperrholz ersetzt werden
möchte, ahnte ich schon - aber es geht tatsächlich
nur um zwei kleine Flicken. Die mache ich natürlich mit
besonderer
Hingabe. Da wird zunächst eine Falz angefräst, sowohl
an den
Flicken als auch dem Drumherum noch tauglichen alten Holzes.
Natürlich sind Balkweger und Decksbalken der Fräse im
Wege,
also wird der klassische Stechbeitel bemüht.
Nach
dem Einkleben des Sperrholzes kommt der Schwingschleifer zum Einsatz,
bis alles leidlich strakt. Und dann: Glasfaser und Epoxi. Parallel dazu
mache ich zwei waagerechte Schnitte mit der Kreissäge und
entferne
das dazwischen stehengebliebene Holz. Die entstandene Nut wird mit
Fichtenholz aus dem Baumarkt ausgeleistet. So gelangen wir mit geringen
Kosten und wenig Aufwand zum gewünschten Ergebnis: Der Gammel
ist
weg, das Schiffchen dicht. Die Fichte verschwindet nachher unter einer
Lage GFK und der neuen Scheuerleiste. Man kann alternativ auch die
obere Planke erneuern, ein solches Projekt steht momentan unvollendet
mit aufgebrauchtem Budget in der gleichen Halle.
Der
Rest sind
Kleinigkeiten an Mastspur und Spiegel, sowie eine Führung
für
die Fockschot. Die hakt sich nämlich gerne unter Namensschild
oder
Positionslampe. Unter Deck könnte eigentlich auch mal wieder
tüchtig lackiert werden. Das Kajütdach von innen habe
ich mal
angeschliffen und die Decksbalken abgeklebt, mich an das Geklecker aber
noch nicht herangewagt.
Dennoch geht es voran: 9. März -
Klarlack
und Unterwasserschiff sind fertig. 29. März: Scheuerleiste und
Fußreling sind montiert. Alina und Thabea, die
enthusiastischsten
Helferinnen, die man sich wünschen kann, haben ein wahres
Wunder
vollbracht dank ihres mitreißenden Elans. Ich weiß
ja
schon, wie solche Arbeiten bei mir aussehen in dieser Zeit des Jahres,
wenn die Power einfach weg ist und ich nur noch die Boote zu Wasser
haben möchte. Doch diesmal habe ich mich nicht getraut zu
sagen,
och, das sei schon okay, wenn eine Schäftung im ersten Versuch
nicht ganz perfekt war. Also wurde nachgearbeitet. Das Problem ist nur,
dass jetzt erst richtig auffällt, wie schlampig ich letztes
Jahr
an der Backbordseite gearbeitet habe, noch dazu mit den alten Leisten,
die ich zusammengestückelt wieder angeschraubt habe.
Stolz reckt Salty ihre neue Bugspitze in die Höhe. "Na, wie
sehe ich aus?" fragt sie, als käme sie gerade vom
Frisör. Paula nickt anerkennend, und hinter dem Lob steckt
nicht nur Höflichkeit - die Reparatur ist wirklich gelungen.
Zunächst sah es so so aus, als sei jemand einen sportlichen
Anleger gefahren, ohne es zu können, und hätte dann
allzu optimistisch versucht, das abgebrochene Stückchen wieder
anzukleben. Doch die Stevenspitze
hatte wahrlich keine Chance: Der Bootsbauer
hat es
damals
gut gemeint und einen langen, waagerechten Bolzen eingebaut, der
durch das Bugband bis in den Steven reicht. Stahl in Eiche - es ist
erstaunlich, dass es immerhin fünfzig Jahre gedauert hat, bis
der aufblühende Rost den Steven sprengte. Ein beherzter
Sägeschnitt förderte dieses Debakel unverkennbar
zutage.
Der Bolzen ist jetzt, so tief es ging, gekappt
und zugespachtelt, danach habe ich ein ein schönes
neues Stück
Eiche angeschäftet. Die Schäftung ist geschraubt und
verleimt, das dürfte ein paar Jahre halten. Traumhaft! Nach
dem Lackieren
müssen nur noch Scheuerleiste und Fußreling sowie
der Stevenbeschlag wieder ran. Aber
seid bloß vorsichtig mit der Kaimauer, Leute - ich
möchte dieses Meisterwerk nicht als Trümmerhaufen in
Kappeln an der Stadtpier wiedersehen.
Salty ist damit aber noch lange nicht fertig. Der Lack ist hin, und das
Deck braucht zumindest eine
gründliche Überholung. Unschön: Unter der
hässlichen Leiste um den Aufbau herum zeigte sich in drei der
vier Ecken Gammel. Komisch
nur, dass ich es in zwei Stunden schaffe, so
eine Stelle auszuleisten - die Ringsumleiste anzufertigen, um den
Schaden zu verdecken, hat mit Sicherheit länger gedauert.
Nicht nur die Leiste um den Aufbau ist endlich verschwunden. Darunter,
zwischen Sperrholz und Süll, sollte eine Vergussmasse
für
eine wasserdichte und dauerelastische Verbindung sorgen. Elastisch muss
das an dieser Stelle gar nicht sein, und dicht war sie schon lange
nicht mehr - vermutlich deswegen hat man seinerzeit die Leiste
montiert. Durch das Entfernen der dusseligen Vergussmasse entstand ein
fünf
Millimeter breiter Spalt. Da ist nun mit reichlich Epoxi
eine Leiste eingeklebt und der Decksbelag wieder geschlossen.
Saltys Bilge ist von Mastspur bis Achtersteven neu lackiert. Es wird
niemals meine größte Leidenschaft werden, mehr oder
weniger
kopfüber in die einzelnen Segmente zwischen den Bodenwrangen
zu
tauchen und mit einem Pinsel, dessen Borsten längst
hochgebogen
sind, unter jedem Spant herumzustochern, damit die Farbe auch wirklich
in jedes kleine Eckchen vordringt. Wenn man nicht auf der Schicht vom
Vortag gleich mit den dreckigen Schuhen herumtrampeln möchte,
sind
Bewegungsfreiheit und mögliche Sitz-/Knie-/Hockplätze
extrem
eingeschränkt, was zu einer reichlich unbequemen
Körperhaltung führt. Und das Lösungsmittel
von Danboline
ist...nennen wir es: kräftig. Kein Riesenspaß also,
aber
unumgänglich, wenn da allmählich blankes,
ungeschütztes
Holz zum Vorschein kommt und die Brocken blätternder Farbe
darauf
lauern, die Bilgepumpe zu verstopfen. Außerdem soll so eine
Bilge
ja auch deswegen sauber und ordentlich wirken, damit man
sich tatsächlich traut, dort Bier und Butter zu
stauen.
Oliese
Oli
hat letzten Winter eine Rundumpflege bekommen, dieses Jahr sind nur
kleine Aus- und Nachbesserungen vorgesehen: Spachteln am Deck, der
letzte Gast hat eine Klampe zertreten, beim Kranen fiel mir eine offene
Schäftung auf.
Außerdem stand da
in
der Werkstatt eine wunderschöne Pinne nutzlos herum - weil Oli
mir
bisher so vergleichsweise schmucklos erschien, soll dieses
Prachtexemplar in Zukunft ihr gehören.
Ach
- und der Mast wird abgezogen, geschliffen, wo nötig
repariert und neu klarlackiert. Überhaupt gibt es
natürlich
ein paar Tropfen frischen Lack. In ihrer dunklen Ecke lässt
sich
zwar kaum erkennen, ob das gelungen ist, aber auf den ersten Blick
sieht es ganz hübsch aus.
Frieda
Hauptprojekt: Das Teakdeck wird neu verfugt. Das Entfernen der alten
Vergussmasse hat ungefähr drei Tage gedauert, plus ein Tag
Nacharbeiten mit Schleifpapier. Immerhin sind die Fugen
überall
noch tief genug.
Es
ist eine Fleißarbeit: Nach dem Schleifpapier kommt der
Staubsauger, auf ihn folgt ein mit Aceton getränkter Lappen.
Immer sieben Meter vierundsechzig an Backbord von achtern nach vorne,
dann die gleiche Strecke an Steuerbord zurück. Gleiches gilt
schließlich für Pinselchen mit Primer (der Reste
alter Vergussmasse anlöst, das ist so ähnlich wie
beim Fahrradflicken), Kartuschenpresse und Spachtel. Über
Weihnachten und Neujahr darf die fast einheitlich schwarze
Fläche aushärten, dann möchte sie
geschliffen werden.
Ende Januar: Ein bisschen Nacharbeit und ein letzter Schleifgang stehen
noch aus.
Unterdessen sind die meisten Kleinigkeiten erledigt. Zum Beispiel habe
ich die unpraktischen Curryklemmen, in
denen bisher die Fockschot belegt wurde, samt ihrer altersschwachen
Sockel entfernt und angefangen, das Süll wiederherzustellen.
Und
prompt bekam Frieda ein überaus willkommenes
Weihnachtsgeschenk in
Form eines Sortimentes Belegklampen. Zwei davon werden ab dem
Frühjahr ihre Fockschot halten. Die Bilge ist zwischen den
Kojen
angeschliffen, die Kojen selbst sind endlich zu Hause in der
Lackierstube angekommen.
Außerdem
schreit die Außenhaut nach grundsätzlich neuem Lack.
Da
waren
die Blessuren aus dem Chartergeschäft allzu deutlich geworden.
Um
Eignern mit schraddeligem Freibord mal einen Eindruck vom Aufwand zu
vermitteln: Das Abziehen mit Heißluftfön und Kratzer
hat
einen langen, anstrengenden Tag gedauert, tiefer Schlaf war danach
garantiert. Es schien mir die schnellste, gleichzeitig aber
auch
die fürs Holz schonendste Methode zu sein - ohne Fön
trocknen
die Planken zwar nicht, aber Muskelkater und Furchen sind
unvermeidlich. Und von Chemikalien zum Abbeizen hat mir bisher noch
jeder abgeraten und damit meine eigenen Erfahrungen bestätigt.
Es folgten zwei Tage Schleifen mit 60er Körnung. Ziel:
Entfernen
von Lackresten (wichtig - sonst wird es scheckig), Herausschleifen
flachgründiger Dellen und grauer Verfärbungen, sowie
des
scheckigen Gesamteindrucks, hervorgerufen durch jahrelanges Ausbessern.
Ein Riesenaufriss, den ich so intensiv gar nicht betreiben wollte -
doch es wird unmittelbar ersichtlich, wie sehr sich die Arbeit lohnt.
Friedas Lärchenplanken sind der Kracher: Feine Maserung, so
gut
wie keine Astlöcher, Holz von höchster
Qualität. Diese
Schönheit sollte nicht unter einer dicken, unebenen,
honiggelben
Patina verborgen bleiben.
Einige der tieferen Beschädigungen habe ich mit solchen
schönen Proppen beseitigt, wie sie unten auf dem Foto zu sehen
sind. Manche habe ich auch bewusst so gelassen: Man soll dem Schiff
sein Alter ja ansehen und es nicht versehentlich für einen
Neubau
halten, der noch nichts zu erzählen weiß
außer wie
schön sauber es in der Werft ist. Es folgen weitere
Schleifgänge mit 80er und 120er Körnung, und dann
kann die
gut verdünnte Erste der 10 Lackschichten kommen.
Fachgesimpel zum Thema Proppen: Wie für alles gibt es
natürlich auch dafür einen korrekten Fachausdruck. Er
lautet
"Querholzdübel" und verrät, lässt man ihn
sich einmal
auf der Zunge zergehen, tatsächlich, worum es geht. Auch wenn
nämlich manche Boote damit verhunzt sind, ist eine von einem
Rundstab aus dem Baumarkt abgeschnittene Scheibe kein
Proppen, genau wie die dort fertig erhältlichen
Holzdübel.
Sondern ein Längsholzdübel. Bei dem guckt einen das
Hirnholz
an und grinst, denn es wartet nur darauf, Feuchtigkeit ins Innere zu
transportieren. Gerade das möchten wir hier nicht, denn es
geht ja
darum eine Oberfläche zu verschließen, damit in das
Loch
eben kein Wasser eindringt. Die Längsholzdübel haben
trotzdem
einen Sinn: Um zwei Teile miteinander zu verbinden, ist unser Proppen
völlig ungeeignet. Er bricht nämlich bei Belastung
sofort.
Die schulmeisterliche Lektion wäre natürlich nicht
komplett
ohne den Hinweis, warum Proppen unbedingt so eingesetzt werden sollen,
dass ihre Maserungsrichtung mit der des umgebenden Holzes
übereinstimmt. Durch Temperatur- und Feuchtigkeitsschwankungen
dehnt sich bekanntlich das Holz oder zieht sich zusammen (es arbeitet).
Dieser Effekt ist in Faserrichtung und quer dazu unterschiedlich stark.
Ein verdrehter Proppen kann sich deshalb mit der Zeit losarbeiten.
Oha, dass es da so tüchtig in der Sonne glänzt ist ja
schön und gut. Aber die Damen sind schon gewaltig getrocknet,
aber
können sie endlich wieder zu Wasser? Irgendwie fehlt
doch da
noch Einiges an Beschlägen: Klampen, Winschen, Fenster und
Lukendeckel.
Martha
Genau
wir bei Frieda sind die Decksfugen dran. Es ist hochinteressant, was
man alles erfährt, wenn man so ein wenig in seinen Booten
herumpuzzelt - Dinge, die von außen kaum oder gar nicht
erkennbar
sind. Marthas Deck ist kein Falzdeck
wie bei Frieda - die Fugen sind enger und tiefer, die Stäbe
schmaler, so dass insgesamt mehr Fugenlänge da ist. Auch ist
ihr Deck eindeutig älter, schlechter verarbeitet und in
verbrauchterem Zustand. Viele Ursachen also, warum die Arbeit hier
erheblich mühsamer ist. Aber Martha tue ich den Gefallen
besonders gerne - wenn ich nicht dabei lächele, liegt es an
der notwendigen vollen Konzentration. Und sie dankt es mir:
Zwar verbrauchte sie erwartungsgemäß doppekt so viel
Dichtmasse wie Frieda, aber die ließ sich deutlich schneller
verarbeiten.
Hier
wird gerade eine der Kojenblenden aufgearbeitet.
Das hat nichts mit Leckagen zu tun - die Leimungen sind teilweise
aufgegangen, und ein gedankenloser Vorbesitzer hat mit Dutzenden
sinnloser Schrauben ebensoviele hässliche Löcher
hinterlassen.
Bei solchen Details kann man sich leicht verzetteln und das
große
Ganze nicht mehr schaffen. Ich beschränke mich auf das
Nötigste und Machbare, doch das sollte reichen,
um aus der
Räuberhöhle von Innenraum endlich ein
kuscheliges
Schmuckkästchen zu machen.
Die eindringende Feuchtigkeit hat über die Jahre
auch die Knie um die Rüsteisen in Mitleidenschaft gezogen, die
die
innenbords gerichteten Kräfte von den Wanten aufnehmen - ein
typisches Problem. Zum Glück ist das Holz in Großen
und
Ganzen noch erhalten, die Reparatur kommt also rechtzeitig: Die Knie zu
erneuern würde bedeuten, von oben her das schöne Deck
zu
öffnen. Jetzt entferne ich nur von unten das weiche Holz und
setze
neue Stückchen ein.
Unterdessen
ist der Riss in der Ruderbank ausgeleistet, gemeinsam mit
diversen Teilen der Inneneinrichtung bekommt sie einen neuen
Lackaufbau. Die Schwalbennester in der
Bildmitte gehören Salty, die hattens auch nötig.
Martha, inzwischen kann ich das nicht mehr leugnen, hat eine lange
Liste von Arbeiten, die aufs nächste Jahr verschoben sind. Die
wirklich wichtigen werden aber gleich erledigt.
Traumwelten? Die Weiten des Universums? Falsch.
Hier sehen wir:
Marthas Ruderbankauflage vor dem ersten Zwischenschliff