Paulas Törnberichte | ![]() |
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Friedlich
Eine Weile segelt Paula mit eineinhalb Knoten absolut
geräuschlos. Nicht auch nur das leiseste Gluckern oder
Plätschern am Rumpf ist zu hören, nur ein Kuckuck,
das Zwitschern von Schwalben und anderen Vögeln, das Schwirren
der Wespe, die uns kurz besucht. In Hardeshøj legt mit
metallischem Klacken die Fähre an. Paulas Schwestern treiben
etwas weiter nördlich, die Gäste unterhalten sich
prächtig. Als wir dann stehenbleiben und auf Wind warten, ist
es pure Entspannung. Ich habe das schon morgens gedacht beim Aufstehen
in Stevning Nor: Es ist so friedlich hier!
Mai 2025
Friedlich
– das kann die Welt gut gebrauchen. Und auch jeder von uns.
Der erste Flottillentörn der Saison ist mal wieder eine
Auszeit von all dem Mist und Stress, den der Alltag
bereithält. Thomas beschreibt es ganz gut: Segeln
füllt die Gedanken vollständig aus. All die
Eindrücke – Farben, Formen, Kurse, Wind, Sonne,
Kälte, Ablegen, Anlegen – wollen verarbeitet werden.
Was vorher im Alltagsleben wichtig schien, rückt in den
Hintergrund, ist aber nicht vollständig weg. Deshalb ist so
eine Segelreise durchaus anstrengend – aber für die
meisten von uns sechs ist sie genau das Richtige.
Meinem
chronisch verspannten Nacken ist es eine Spur zu kühl, aber
Anfang Mai könnte das Wetter nicht besser sein:
Überwiegend sonnig, schwacher bis mäßiger
Wind – es gelingt eine wunderschöne Runde. Thomas,
Natalie und Sven lernte ich vor genau einem Jahr kennen. Auch da war
das Wetter traumhaft, doch es mangelte an Wind, was die Segelrunde
erheblich verkürzte – der Als Sund war versprochen
und blieb unerreicht. Finn ist nicht nur ein überaus
angenehmer Neuzugang, er liefert auch den Running Gag der Woche: Zu
Beginn klagt über viel zu viele Vorräte. Dann
beschwert er sich über ein anderes Problem: „Mittags
waren die Snacks alle.“ Die Rede ist von Würstchen
und Riegeln, die er sich für den Tag zurechtgelegt hatte. Bei
ruhigem Wetter ist es kein Problem, Nachschub aus der Bilge und dem
Schapp zu kramen, aber das geht auf Kosten der Folgetage. In Marstal
geht er doch nochmal mit zum Supermarkt, danach werden die
Vorräte schneller knapp, als er erwartet hat. Und
natürlich muss er sich täglich nach dem Anlegen einen
entsprechenden Spruch anhören.
Wir
sind mal wieder nicht überbesetzt, fünf Boote und
sechs Menschen. Dass der erfahrenste Segler die
größten Anfangsschwierigkeiten hat, mag bei
flüchtiger Betrachtung erstaunen, doch Dirk war jahrelang
Eigner einer 38-Fuß-Yacht. Er muss auf die Schnelle komplett
umdenken – und dazu reichen weder zwei Tage Training noch
eigentlich die ganze Woche. Immerhin bringt er Martha
schließlich, ohne sich wirklich mit ihr anzufreunden, heil
nach Arnis zurück. Was auch wichtig ist und mir ausgezeichnet
gefällt: Die kleine Gruppe integriert ihn vorbehaltlos. Das
minimiert meinen Betreuungsaufwand, und er wird später sagen,
dass es zwar nicht das richtige Boot für ein, es aber
großen Spaß gemacht habe.
Wir
starten in Arnis und segeln erstmal nach Marstal. Es ist ein
wunderbarer Segeltag: Schwacher bis mäßiger Wind,
kein Druck im Tuch und kein Stress, doch die Boote laufen unerwartet
zügig über den Kleinen Belt. Dirk hat beim
Segelauspacken einen Dreher ins Groß gedreht, was ihm
inklusive Grundberührung eine Stunde Rückstand
beschert. Er kommt zuverlässig ans Ziel, muss dann aber im
einsetzenden Regen die Segel packen, während sich seine
Seestiefel in Gummikrümel auflösen. Leider ist dann
auch noch der bewährte Burgergrill, Sønderrendends
Perle, geschlossen. Die Gäste essen Pizza, Erik kommt kurz
vorbei, ich bleibe an Bord und fülle meinem Nacken eine
Wärmflasche.
Sonntag
bleiben wir, wo wir sind: Die Sonne scheint, aber Nord 4 Böen
6 lädt eher zum Landgang ein als zum Segeln. Ich kann einen
Tag Erholung gut brauchen, die Windrichtung ist doof, bringt uns nicht
voran, ich weiß auch keinen geschützten Hafen in
Reichweite. SuperBrugsen, Seefahrtsmuseum, ein neues Café
und der bewährte Eisladen bieten ausreichend Zeitvertreib.
Finn deckt sich nochmal mit reichlich Snacks ein.
Der
Montag beginnt mit schwachem Ostwind, bevor wir im Mørkedyb
auch dank mitlaufender Strömung richtig schnell werden.
Zwischen Drejø und Avernakø geraten wir in die
unerwartet früh sich einstellende Flaute, von der ich gehofft
hatte, ihr komplett zu entgehen. Die dreißig Meilen nach
Faldsled scheinen mir nun überambitioniert, wir einigen uns
auf Lyø. Hafenmeister John begrüßt mich
mit einer herzlichen Umarmung.
Letztes
Jahr um diese Zeit – Thomas, Natalie und Sven erinnern sich
noch genau – haben wir auch auf Lyø einen Segeltag
beendet, der uns viel weiter führen sollte: Nach
Kalvø. Diesmal soll die damals versprochene Runde um Als
unbedingt klappen, auch wenn der Dienstagvormittag sich dagegen
sträubt. Die Aufgabe besteht darin, vormittags gegen einen
schwachbrüstigen Westnordwest zumindest ein Bisschen
voranzukommen und dabei das Vertrauen in den angekündigten
Winddreher nicht zu verlieren. Mittags sind wir immerhin dicht
südlich von Helnæs, plötzlich ist Nordwind,
und wir segeln zeitweise mit sechs Knoten westwärts. Gegen 17
Uhr legen wir in Kalvø an. „Wunderschöner
Segeltag“, fasst Thomas zusammen, aber das sagt er fast immer
– ich mag begeisterungsfähige Gäste.
Das
Restaurant in Kalvø hat dienstags Ruhetag – eine
leichte Enttäuschung für die Gäste, die mich
so gerne zum Essen einladen wollen. Wahrscheinlich werden wir hier
immer nur dienstags sein, weil es nur so in den Törn passt.
Dafür ist jeden Dienstag Oldtimertreffen. Mir gefällt
vor allem der Morris mit der Kuh und den Pinguinen. Ich plaudere mit
dem Eigner, der auch unseren schwimmenden Oldtimern einiges abgewinnen
kann. Da spiele ich noch mit dem Gedanken, noch einen Schlag nach
Norden zu segeln bei dem schönen Wetter. Doch Hochdruck
bedeutet tendenziell wenig Wind jedenfalls für einen
größeren Teil des Tages. Und mehr Wind unter Land
mit Thermikeinfluss, als weiter draußen auf dem Kleinen Belt.
Wir müssten zudem außen ums Schießgebiet
herum, dort wird fleißig geballert.
Gleichwohl
finde ich, wir sollen nun richtig ins Grüne. Wenn Stagodde zu
weit ist, ist Stevning Nor gerade recht. Wir legen mittags ab,
tunlichst bevor womöglich Wind aufkommt, und kreuzen dann im
Pulk bei 2 Bft. aus der Genner Bugt. Ich probiere aus, was ich bisher
immer sträflich vernachlässigt habe: Ich schiebe die
Holepunkte ganz nach vorne, setze mich nach Lee und steuere nur nach
den Trimmfäden der Fock. Das garantiert im Rhythmus der
sanften Böen immer den richtigen Anstellwinkel. Es verhindert,
dass ich eine Bö verpenne, und hält mich davon ab, zu
doll anzuluven. Die Frage ist noch, wie schnell ich auf das Zappeln
eines Trimmfadens reagiere und wie lange ich so konzentriert segeln
kann – aber als ich mich umgucke, sind die Charterboote, eben
noch neben uns, schon zweihundert Meter zurück. Bei
Barsø erreicht Paula als Erste richtigen Wind, und bis in
den Als Fjord wird es ein hübscher Anlieger.
Die
anschließende Kreuz führt uns dann wieder dichter
zusammen, allenfalls Martha hängt unbedeutende zehn Minuten
zurück. Wir sind so richtig, richtig in der grünsten
grünen Idylle, die ich kenne. Einstweilen wird sie von zwei
jungen Männern im Angelboot gestört, dessen
50PS-Außenborder unverkennbar kaputt ist. Beharrlich setzen
sie ihre Startversuche fort. Als er schließlich
läuft, brechen sie auf Richtung Fjord – bis der
Motor nach fünfzehn Sekunden erneut ausgeht. Sie schaffen es
schließlich zurück zum Steg, ruinieren beim Slippen
des Bootes auch noch die Kupplung des Zugfahrzeuges und hatten
insgesamt wohl keinen so guten Tag wie wir. Nachdem Ruhe eingekehrt
ist, spielt ein fröhliches Schwalbenpaar mit unseren
Verklickern.
Donnerstagmorgen
dann: Kein Wind. Dafür ist es – friedlich! Die
sieben Meilen bis Sønderborg Yachthafen könnten wir
notfalls mit dem Stechpaddel schaffen, es gibt also keinen Zeitdruck.
Gegen Mittag legen wir einfach mal ab und kreuzen bei einer schwach
umlaufenden Brise aus dem Nor und rüber Richtung Als Sund.
Sven beschreibt sich als eher ungeduldigen Menschen, der beruflich viel
Stress und Zeitdruck erlebt. Ich kann mir gut vorstellen, wie gut ihm
das jetzt tut, wieder einmal nichts weiter tun zu können, als
auf den angekündigten Wind zu warten. Der kommt zwei Stunden
später, als DMI ihn morgens noch prognostiziert hatte
– aber er kommt. Wie so oft: Fast aus dem Nichts. Hinter uns
zeigt sich plötzlich markantes Gekräusel, das sich
gaaanz allmählich nähert. Schon werden die
Fockausbaumer ausgepackt, und die Boote nehmen Fahrt auf.
In
Sønderborg sollen wir noch durch die Brücke und in
den Yachthafen - nicht mein Lieblings, aber
zweckmäßig als Ausgangspunkt für den
Rückweg an die Schlei. Das Timing für die
Brücke ist nicht toll, eine gute halbe Stunde Wartezeit. Ich
erleichtere mir die Sache, indem ich mir bei dichten Schoten die Pinne
hinter den Rücken klemme. Ergebnis: Paula fährt jede
Minute einen Vollkreis und treibt vom Alsik allmählich zur
Badestelle, ritzt dabei den benötigten Platz ins Wasser, damit
die anderen beim Hin- und Hersegeln Abstand halten. Ich sitze einfach
nur.
Den
gemeinsamen Restaurantbesuch können wir in
Sønderborg natürlich sehr gut nachholen –
es gibt exzellente Burger am Rådhustorvet. Die
Rückreise beginnt um neun Uhr dreißig mit drei
Knoten. Ab Kalkgrund werden es vier. Südlich von
Falshöft setzt die Böigkeit ein. Über Funk
rate ich allen, die Fockausbaumer wegzunehmen, solange das noch
entspannt und gefahrlos ist. In der Schlei dann: Windstärke 4
mit ruppigen Thermikböen 6. Mir gefällt das als
Abrundung des gelungenen Törns, und bei wenig Verkehr ist auch
niemand überfordert.
Also
dann – der erste Törn des Jahres hat
Riesenspaß gemacht. Mein persönliches Highlight darf
auf keinen Fall unerwähnt bleiben, nämlich Paulas
Aufschießer in Kalvø. Normalerweise segelt sie mit
dem Restschwung gegen den Pfahl. Manchmal verhungert sie ein paar
Dezimeter vorher, woraufhin ich den Bug mit der Vorleine bewusst an den
Pfahl ranziehe.
Diesmal
jedoch bleibt sie mit einem Zoll Abstand zum Pfahl butterweich
von alleine stehen! Mit breitem Grinsen lege ich die Vorleine drauf
– und achte streng darauf, exakt so viel Lose zu geben, dass
sie ihre perfekte Position auch beim Segelbergen beibehält.
Nach dem weichsten Aufschießer, seit es Butter gibt, sausen
wir hochzufrieden vor Topp und Takel zum Liegeplatz.
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