Paulas Törnberichte | ||||||
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Ein
besonderes Seestück: Flottillentörn
27. Juni -3. Juli 2015
Folkebootsegeln als Gruppenreise - anders als beim
ersten Törn vierzehn Tage zuvor stimmten diesmal die
Rahmenbedingungen - es war endlich Sommer geworden, mit Wärme
und vernünftigem Wind, der zur Krönung auch noch
Mitte der Woche auf Ost drehte und uns ein besonders gelungenes
Seestück ermöglichte.
Juni 2015
Kurz
gefasst
Fünf Folkeboote. 143 Seemeilen. Arnis - Maasholm - Marstal -
Bagenkop - Albuen - Lohals - Faaborg - Arnis. Die
äußeren Bedingungen - sonniges, zunehmend warmes
Wetter, überwiegend passiger Wind ohne fürchterliches
Gepuste - versprachen eine traumhafte Woche. Die wurde es dann auch,
und das lag nicht zuletzt an den Teilnehmern: Wundervolle
Einzelpersonen unterschiedlichster Charaktere, die sich zu einer
unübertrefflich tollen Gruppe ergänzten - unter
Segeln wie im Hafen, wo wir entspanntes Lebensgefühl
vielfältig genießen durften. Jeder brachte sich ein,
alle zogen an einem Strang.
Insgesamt
war deutlich mehr Segelerfahrung
dabei als beim vorigen Flotillentörn. Dafür war es
aber zum Beispiel für Karin der erste Einhandtörn,
den sie sicherlich nie vergessen wird. Vor allem nicht die
täglich wachsende Euphorie, nachdem sie sich zunächst
gar nicht richtig lostrauen wollte. Anton, unser Jüngster, war
das einzige Kind in der Gruppe. Auch er fühlte sich wohl,
wenngleich er die spannendsten Momente in der Koje verbrachte. Naja,
nicht alle, aber davon später mehr...ganz ohne Schwierigkeiten
verlief die Reise nämlich nicht, es muss ja spannend bleiben.
Dafür gelang es vortrefflich, landschaftliche
Höhepunkte mit navigatorischen Leckerbissen zu kombinieren und
durch phantastische Erlebnisse in den Häfen anzureichern.
Albuen, der Naturhafen an der Westseite Lollands, sowie die Passage des
Svendborgsundes bei Traumbedingungen, verdienen besondere
Erwähnung.
Magie des Folkebootes
Die Gäste reisen an, zwei der vier Crews am Freitagabend.
Gerade dem Alltag entflohen auf einer überfüllten A7,
die durch die chronische Problemzone Hamburg führt.
Müde und verspannt von der Fahrt, hungrig an einem Ort, wo man
nach zwanzig Uhr in kein Restaurant mehr gehen muss (aber keine Sorge,
im nahen Kappeln gibt es noch etwas zu futtern). Erfüllt von
vagen Erwartungen und den Lehren, die aus bisherigen
Chartertörns zu ziehen waren, treffen sie auf ihr neues
Urlaubsdomizil nebst Vercharterer, der sich sogleich zu einem
einstündigen Vortrag namens Bordeinweisung hinreißen
lässt.
Das
bin in diesem Fall ich. Ich habe längst
gelernt, dass der reservierte, humorarme, wenig enthusiastische
Ersteindruck den Gästen nie gerecht wird. Sie sind nicht sie
selbst, wenn sie dem Auto entsteigen. Es folgt eine erste Nacht an
Bord, umgeben von Hafenleben, Möwen und
Blässhühnern. Ein windstiller Morgen, der
für Organisatorisches, Einkaufen und Warten auf die letzte
noch fehlende Crew draufgeht. Kurz vor Mittag setzen wir uns zusammen
zu einem kleinen Hallo mit Seekarte.
Spätestens jetzt sind
alle mit Eifer und Wissbegier und Vorfreude dabei. Wir
beschließen: Kein langer Schlag über offenes Wasser
an diesem schwachwindigen Tag mit hässlicher
Bewölkung. Statt dessen Motoren bis zur Brücke in
Kappeln, kollektives Segelsetzen auf engstem Raum und dann eine
halbstündige Rauschefahrt bei West 5, während sich
die letzte finstere Wolke auflöst und wir in strahlendem
Sonnenschein in Maasholm anlegen. Ganz ohne Hafenkino
übrigens. Die „Gänschen“ zeigen
sich von ihrer besten Seite - wer bisher kein Folke gesegelt hat, ist
jetzt von der herausragenden Qualität dieses Bootstyps
überzeugt. Der schwärmerische Tonfall lässt
bis zur Abreise nicht nach.
Unsere Neu-Einhandseglerin Karin
schließen gleich alle ins Herz - beim ersten Ablegen stehen
wir beinahe Schlange, um die Vorleine zu halten. In den
nächsten Tagen ist es rührend zu sehen, wie vor allem
„Martha“ immer wieder einen Schlenker
fährt, um in „Friedas“ Nähe zu
bleiben. In Maasholm steige ich auf, um ihr den Weg zum
ausgekundschafteten Liegeplatz zu zeigen und die eine oder andere Leine
zu übernehmen. Zwei Tage (naja, fast) haben wir das gemeinsam
geübt, jetzt fährt sie den Anleger
erwartungsgemäß tadellos, aber was ihr noch fehlt,
sind Sicherheit und Selbstvertrauen, und da mache ich mich ganz gut auf
dem Vorschiff. Wir beschließen den Abend mit einem
gemeinsamen Restaurantbesuch. Es wird sogar ohne sofortiges Murren
akzeptiert, dass wir am nächsten Tag um sieben Uhr ablegen, um
Marstal zu erreichen, bevor der Wind einschläft.
Längst ist klar, welch unterschiedliche Charaktere dabei sind
- Salz in der Suppe anregender Gespräche. Gestern noch
gestresste Einzelpersonen, wirkt es jetzt beinahe wie eine seit langem
miteinander bekannte Gruppe.
Pech und Missgeschick
Der frühe Sonntagmorgen ist nach den letzten Wochen ein
Geschenk: Sonne, vernünftiger Wind statt Gepuste, ruhig,
friedlich und verlockend liegt Schleimünde voraus.
„Frieda“ legt als Erste pünktlich ab, der
Motor ist fast auf Anhieb angesprungen.
Das
ist bemerkenswert und Teil
einer längeren Geschichte. „Frieda“
fährt mit dem
Ersatzmotor, zu dessen großen Vorzügen neben seinem
rückenfreundlich geringen Gewicht die Tatsache
gehört, dass er nicht auf dem Grund der Ostsee liegt. Und dass
er tadellos funktioniert, anders als der soeben gebraucht Erworbene,
den das Boot künftig tragen soll. Karin war live dabei, als
ich zwei Tage lang Motoren tauschte und nochmal tauschte, bis der
ursprüngliche Zustand wieder hergestellt war:
„Frieda“ mit einem beim Kaltstart hochsensiblen,
ansonsten aber zuverlässigen Außenborder. Die
Kaltstartsensibiltät freilich brachte Karin eine Vielzahl
schweißtreibender Startversuche ein, uns beiden
einen Anleger unter Segeln, als das Zugseil sauber durchriss.
Nun also scheint alles
zum Besten, und wir segeln nach Marstal. „Paula“
rennt mit ausgebaumter Fock wie der Teufel. Natürlich tut sie
das - erstens möchte sie endlich mal wieder in die alte
Seefahrerstadt, und zweitens haben meine Versuche, den Masttrimm
für Am-Wind-Kurse zu optimieren, zu exzellenten
Raumschots-Eigenschaften geführt. Wir nehmen das, wie es
kommt, und segeln mit sechs Knoten vorneweg. Hinter uns sehe ich bald
nur noch einen großen weißen Fleck (die schnelle
„Oliese“) und drei kleinere
(„Martha“, „Salty“ und
„Frieda“, die einigermaßen im Pulk
fahren).
Ich habe im alten Handelshafen einen Platz für zwei
Päckchen ausgespäht und „Paula“
komplett aufgeklart, als „Oliese“ eintrifft.
Über die Steinmole weg sehe ich bald die anderen Drei dicht
beieinander - eine von ihnen deutlich außerhalb des
Fahrwassers chaotische Kreise drehend. Während wir noch zu
dritt rätseln, was das zu bedeuten hat, klingelt das Telefon.
„Martha“ berichtet, „Frieda“
säße auf Grund oder hätte sonst ein
Problem. Wir springen zu dritt auf „Oliese“ und
legen ab.
Hinterher sind wir uns einig: Die gelungene
Schleppaktion ist
eine ausgezeichnete, beinahe unverzichtbare Übung. Karin hat
jetzt zumindest einen Eindruck davon, wie sie in einer solchen
Stressituation reagiert. Das Belegen der Schleppleine auf der Bugklampe
gelingt erst im zweiten Versuch, aber ansonsten behält sie die
Ruhe. Sie weiß jetzt auch, dass „Frieda“
sich nur mit der Fock nicht freikreuzen kann, sondern dass sie
alternativ zum Schlepp das Groß wieder hätte setzen
können, um in den Hafen zu segeln. Dass der Hafen in Marstal
so viel Platz bietet, dass er wirklich ideal zum Anlegen unter Segeln
geeignet ist, konnte sie nicht wissen.
Die
Ursache des Dramas? Der Scherstift ist gebrochen. Allmählich
sind es der Defekte zu viele in zu kurzer Zeit - ich bin eigentlich der
Meinung, der Motor einer Charteryacht müsse
zuverlässig sein. Doch das Pech ist auch ein
riesengroßes Glück: Der Defekt tritt beim
Flotillentörn auf, niemand ist auf sich allein gestellt, denn
wir organisieren das Abschleppen intern. Es geschieht vor Marstal, wo
sich am Montagmorgen problemlos ein neuer Stift auftreiben
lässt, anstatt auf einer entlegenen Insel. Und ich kann selbst
die Reparatur vornehmen. Karin hat eine zusätzliche wertvolle
Erfahrung gemacht und darf die Anerkennung dafür
genießen, sich auf dieses Abenteuer nicht nur einzulassen,
sondern es Schritt für Schritt zu meistern.
In
Bagenkop reißt auch noch das Zugseil
von „Saltys“ Außenborder, lässt
sich aber schnell und problemlos wieder einscheren. Ich
atme auf - endlich Schluss mit der Pechsträhne? Als ich am
letzten Tag schon in Arnis bin und die Wartezeit
auf die Anderen nutze, mein Essen auf den Herd zu stellen, verwandelt
mich ein Anruf von „Martha“ in ein
Nervenbündel: Der Außenborder sei defekt kaputt
nicht mehr zu retten. Den ganzen Tag schon war so gut wie kein Wind,
von Faaborg musste motort werden, es ist schon Abend - und nun auf die
letzten Meilen noch ein solcher Ärger.
„Frieda“ macht sich bereit zum Schlepp, doch beide
Boote haben nicht mehr viel Benzin zur Verfügung. Ich stelle
den Herd ab, steige ins Auto und schnappe mir für jedes Boot
einen vollen Fünfliterkanister. „Am Benzin liegt das
nicht“, begrüßt man mich. Ein Blick in den
Tank lässt mich antworten: „Wollen wir
wetten?“ Und siehe da, mit frischem Futter schnurrt der
Yamaha wieder los. „Martha“ wirkt
eigentümlich desinteressiert, als wüsste sie mehr als
ihre Crew und ich.
Bei einem „normalen“
Chartertörn hätte ich gesagt: „Alles Euer
Bier.“ Jetzt fühle ich mich mitschuldig - wir
hätten in Faaborg noch einmal Sprit nachfassen
können, aber auch ich habe mich nicht ausreichend um den
Vorrat der Anderen gekümmert. Als ich aber später am
Abend - inzwischen liegen alle Boote wieder heil und sicher in Arnis -
die leeren Kanister einsammle, fühle ich mich sofort
rehabilitiert: In einer von „Marthas“ Backskisten
steht - es ist wahrhaftig kaum zu fassen! - unangetastet ein voller
Kanister.
Knapper
Kommentar der Vorschoterin:
„Tunnelblick.“ Schnurstracks geht sie zum
Grillplatz, wo die Gruppe zusammensitzt, um die Neuigkeiten in ihrer
unnachahmlichen, mexikanischen Art kundzutun. Als ich dazu komme, macht
ihr Mann ein unbeschreibliches Gesicht, auf dem sich die Qual dieser
peinlichen Niederlage in jeder Falte zeigt. Die Anderen um ihn herum
haben sich die Sturzbäche von Lachtränen nur
behelfsmäßig weggewischt und prusten weiterhin immer
wieder los. Ein Glas Wein und einen Teller Nudeln später kann
auch Wilfried mitlachen.
Tags zuvor geschieht ein weiteres kleines Drama, das die
Beteiligten erst im Nachhinein als großartiges Abenteuer
werden betrachten können. Es beginnt damit, dass ich eine
Meile voraus „Martha“ in die Sackgasse segeln sehe,
nämlich auf den schmalen Damm zu, der Svelmø mit
Fyn verbindet. Dort ist es überall flach, und es gibt keine
Durchfahrt, so sehr es auch nach durchgehender Wasserfläche
aussehen mag. Ich greife zum Telefon.
Auf der
„Martha“ ist Wilfried soeben auch aufgefallen, dass
der Kurs falsch ist, was ich ihm dann noch einmal bestätigen
kann. Sie haben einen Wegpunkt ausgelassen, nämlich die Rote
Tonne westlich von Svelmø, die tunlichst an Steuerbord
gelassen werden muss. „Martha“ kann den Fehler aber
noch leicht korrigieren.
Allerdings
erfahre ich jetzt auch, dass
„Martha“ schlicht und einfach
„Salty“ hinterher gesegelt ist, die, für
mich zunächst nicht zu erkennen, weiter vorne schon
unverkennbar im flachen Wasser unterwegs ist. Und zwar vorm Wind bei 5
mit 6er Böen. An Bord der „Salty“ herrscht
zu diesem Zeitpunkt offenbar schon hektische Betriebsamkeit: Umgeben
von türkisem Wasser greift man zum Fernglas, sucht den Weg, wo
es weitergeht - und muss erkennen, dass ringsum ein Wall aus festem
Boden zu sehen ist, ohne Hoffnung, in dieser Richtung weiterzukommen.
Vielleicht wäre mein Anruf noch rechtzeitig gekommen, doch von
den beiden Handys an Bord ist eines ausgeschaltet, und vom anderen habe
ich die Nummer nicht. Kurz darauf setzt „Salty“
sanft auf, hoppelt mit der nächsten Welle noch ein
Stück weiter und steckt dann endgültig fest. Es ist
keine Freude, das aus der Entfernung kommen und geschehen zu sehen,
ohne dem eigenen Schiffchen und seiner wundervollen Crew helfen zu
können. Diese Crew hat einen gravierenden Fehler gemacht,
dessen Folgen sie nun
ausbaden muss, denn für sie tun kann ich nichts - zu
groß die Gefahr,
selbst festzukommen, zu klein die Chance, mit einem 5
PS-Außenborder „Salty“ gegen Wind und
Welle aus dem Schlick ziehen zu können.
Es
bedarf eines
Anrufes bei der dänischen Seenotrettung, damit Boot und Crew
nach vier Stunden wieder frei kommen. Sichtlich mitgenommen erreichen
sie Faaborg kurz vor Sonnenuntergang - hilflos auf Grund zu sitzen,
nichts tun zu können außer Warten, und dadurch viel
Zeit zu haben für Fluchen und Schimpfen und
Sich-Ärgern über die eigene Ungeschicklichkeit, ist
eine harte Prüfung. Da tröstet es nur
mäßig, dass die Situation weder für Boot
noch Besatzung in irgendeiner Form bedrohlich ist. Hingegen kennen
Wiedersehensfreude, Mitgefühl und allgemeine Erleichterung
kaum Grenzen. Die Einsicht, dass jeder einmal festkommt und jedem
einmal (in der Regel wirklich nur ein einziges Mal) ein solch grober
Navigationsfehler unterläuft, und dass man immer davon
profitiert, auf so harmlose und doch realistische Weise das Verhalten
im Seenotfall zu üben - diese Einsicht wird wohl erst nach
einigen Tagen ins Bewussstsein der Beteiligten vordringen. Ich zum
Beispiel wäre einmal beinahe mit einer ganzen Insel
kollidiert.
Während wir in Faaborg auf Nachricht von
„Salty“ warten, kommt ein älterer,
wettergegerbter Däne auf Karin zu und erkundigt sich, ob sie
tatsächlich ganz allein unterwegs sei. Und wo sie heute bei
dem vielen Wind herkomme. Sie sagt: „aus Lohals“,
und er - verneigt sich, zieht einen imaginären Hut und sagt:
„Chapeau.“
Schwach umlaufend
Es muss ja nicht immer Starkwind gegenan sein -
man kann auch ein laues
Lüftchen unter der Sonne genießen. Albuen ist unser
erklärtes Ziel, mäßig ambitionierte
fünfundzwanzig
Seemeilen von Marstal aus. Wir verordnen „Frieda“
Ablegen unter Segeln: An der langen Vorleine sicher angebunden, kann
Karin endlich mal in aller Seelenruhe die Segel setzen, anstatt
ständig auch noch darauf achten zu müssen, wo das
Boot hinfährt. „Das machen wir auch so -
dürfen wir?“ beschließt die
„Oliese“-Crew. „Paula“
verzichtet sowieso gerne auf den Motor, wenn er nicht nötig
ist. Die Anderen lassen mal kurz ihre Außenborder warmlaufen.
Auf Höhe Bagenkop dümpeln wir nach
anfänglich ordentlicher Fahrt mit zwei Knoten herum, mehr oder
weniger in Sicht-, Ruf- und Fotografierweite. Ich kann sogar auf
„Olieses“ Echolot die Wassertiefe ablesen. Wir sind
uns sofort einig, das „Leiden“ abzukürzen
und den vor uns liegenden Hafen anzusteuern.
Und weil der Wind so sanft
ist, gönne ich mir ein besonderes Bonbon und lege unter
Groß an. Auch sonst gibt es kein Hafenkino, jedenfalls nicht
von den Folkebooten. Ausgiebiger Landgang in der wunderschönen
Gegend von Süd-Langeland für die Einen, relaxen in
der Vorpiek für die Anderen (Anton
kommt auf seine Kosten...), Einkaufsbummel zwecks abendlichem Grillen
für die Dritten - es ist ein perfekter Tag. Dass
spätnachmittags noch eine herrliche Brise aufkommt, macht
zumindest Hoffnung, Albuen am nächsten Tag wahrhaftig unter
Segeln erreichen zu können.
Vorläufig aber futtern
wir einen ganzen Grill nebst köstlichen Salatbeigaben leer,
und dann beginnt pünktlich das Rahmenprogramm: Vor einem
spektakulären Sonnenuntergang segeln nacheinander
„Loth Lorien“, „Hendrika
Bartelds“ und „Tolkien“ heran,
holländische Traditionssegler voll kreischender Jugendlicher,
die den Hafen mit einer frischen Brise Seefahrtsromantik
erfüllen. Anton kann den Aufbruch zum nächsten
Abenteuer kaum erwarten - zähneputzend fragt er mich:
„Wann segeln wir eigentlich morgen los?“
Am letzten
Tag tue ich dies bereits zu Sonnenaufgang. Ich
habe ein paar Dinge zu erledigen, möchte mittags wieder in
Arnis sein. Die Anderen geraten später in eine anhaltende
Flaute, während ich
vier Stunden zuvor das Meiste noch segeln kann. Zehnstündiges
Motoren, bis der
Tank leer ist, macht keine Laune. Hätten wir anders planen und
Donnerstag schon in die Schlei zurückkehren sollen? Ich denke
nicht. Zum Einen war statt Flaute Südost 3-4
angekündigt, wenngleich eine gewisse Skepsis sicher angebracht
war. Zum Anderen war der Flautentag der Preis für drei nicht
nur schöne, sondern wirklich traumhafte Segeltage, die bei
einer früheren Rückkehr einen anderen, lange nicht so
tollen Verlauf genommen hätten.
Traumhafte Segeltage
Wir legen in Bagenkop ab, bei idealem Wind für die
siebzehn Meilen nach
Albuen, die wir gestern nicht geschafft haben. Bei guter Sicht,
zügiger Fahrt und ohne jegliche Großschifffahrt
queren wir die beiden Tiefwasserwege. Die Einfahrt in die Bucht
ist ein unvergleichliches Highlight, vor dem die Meisten
von Vornherein zurückscheuen. Als ich zum ersten Mal hier war,
zog ich in
Erwägung, einfach wieder abzudrehen, weil die Ansteuerung so
unübersichtlich ist. Heute fahren „Paula“
und ich vorneweg und geben den Anderen die Gewissheit, entgegen aller
sonstigen Anzeichen doch auf dem richtigen Weg zu sein.
Fürwahr dem richtigen Weg, führt er uns doch an einen
wirklich besonderen Ort: Sonne, Ruhe und Abgeschiedenheit,
Badespaß und Schlauchbootvergnügen, ein Leuchtturm,
ein Kompostklo im Wäldchen, und sonst nix. Es ist endlich
Sommer geworden.
Den
Sonnenuntergang müssen wir ohne
spektakuläre Wolkenformationen und Einlaufparade der
Holländer über uns ergehen lassen. Einfach nur ein
lauschiger Abend in der Abgeschiedenheit Albuens ist beinahe
beschämend schlicht. Am nächsten Tag in Lohals
erwartet uns etwas, das ich mit all meinen Kontakten zur
Traditionsseglerszene nicht perfekter hätte organisieren
können: „Fylla“ aus Svendborg und
„Pippi Lotta“ liegen beiderseits der Hafeneinfahrt.
Sie lassen eine ausreichende, aber ungewohnte Durchfahrt, die ich erst
sehe, als ich „Pippi Lottas“ Klüverbaum
umrundet habe. Es ist phantastisch und einmalig, durch die enge Passage
zu fahren - eine so schön geschmückte Hafeneinfahrt
habe ich noch nie erlebt. Den anderen Folkes gebe ich die
bemerkenswerte Landmarke telefonisch durch, damit sie nicht der Mut
verlässt: „Fahrt da mal durch, das ist
cool!“. Wir liegen dann in der hintersten Ecke im kuscheligen
Päckchen, und fast jeder fragt uns oder sich, was es mit
diesem Großaufgebot von Folkebooten auf sich hat.
Als
dies
alles geschieht, haben wir bereits einen unvergleichlichen Segeltag
hinter uns. Er beginnt morgens mit einer netten, kleinen Brise aus Ost.
Als wir ablegen, segle ich gleich los mit einem Süd, der mich
nicht einmal aus der Bucht bringt. Als alle die Segel gesetzt
und die erste Flautenphase ausgesessen haben, kreuzen wir gegen einen
vernünftigen Nord, der allmählich auf West dreht, so
dass wir unseren Kurs laufen können. In der nächsten
Flaute motoren wir ein Stück - und dann kommt endlich der
Nordost, der zwar nicht angekündigt war - wir rechneten mit
Südost - aber für Bedingungen sorgt, die man echt
nicht jede Woche genießen darf: Hoch am Wind, vier Beaufort,
die für schnelles Segeln ohne Mühe und Stress sorgen
- und dazu eine grandiose mitlaufende Strömung im Langelands
Belt. Eine Stunde lang saust „Paula“ mit satten,
selten da gewesenen siebeneinhalb Knoten über Grund vorneweg!
Ungläubig
starre ich die meiste Zeit aufs GPS und freue mich.
„Oliese“ folgt, der Rest ist zeitweise nicht zu
sehen. Doch als wir die Nordspitze Langelands runden, tun wir es in
gleichmäßigem Abstand, und kurzzeitig sind alle
Boote in Sicht.
Und jede anlegende Crew beeilt sich, diesen
„geilen Segeltag“ (Zitat Karin) in den
höchsten Tönen zu loben.
Fazit
Es
stimmte zwischenmenschlich, seglerisch und vom Wetter her - und so
ergab sich eine Traumreise. Folkeboot-Segeln bietet jeden Tag
Überraschungen - Flautenphasen, Motorprobleme und
Grundberührungen muss man gezwungenermaßen aushalten
und ertragen, doch das öffnet die Wahrnehmung für all
das Tolle unterwegs, im Hafen und in der Natur. Auf die Missgeschicke
und kleinen Hürden hätten wir auch verzichtet, aber
im Rückblick gehören sie unbedingt dazu, sorgten sie
doch für die notwendigen Lerneffekte.
Für mich war es
in gewissem Sinn eine Dienstreise, in erster Linie aber ein
herausragender Törn - und das ist bemerkenswert, weil ich das
Revier ja schon kenne und es wenig neue seglerische Herausforderungen
gab. Es war also keine routinierte Rundreise, sondern unvergesslich und
authentisch toll.
Und im nächsten Jahr verlagern wir die
Kommunikation auf UKW-Seefunk.
weiter: Eigentlich
gibt es kein Konzept...
Nachtrag
Karin hat täglich über ihr Einhandabenteuer berichtet
- ein lesenswerter
Blog