Paulas Törnberichte | ||||||
|
Der unterschätzte Monat -
Flottillentörn 10.-16. September 2016
Der Sommer 2016 wird vermutlich als ungewöhnlich
kühl und feucht in die Geschichte eingehen - doch man muss ihm
eine Menge zu Gute halten: Die Windverhältnisse waren
ausgesprochen segelfreundlich, kaum einmal hielt anhaltender Starkwind
die Boote über mehrere Tage im Hafen fest, und auch
hartnäckige Flautenperioden bei unerträglicher
Gluthitze fielen weitgehend aus. Der Septembertörn war
vielleicht nicht so spektakulär wie andere Veranstaltungen
diesen Jahres - gigantische Wellen und Gischtfontänen blieben
aus. Doch entspanntes Schönwettersegeln mit vielen
landschaftlichen und seglerischen Höhepunkten ist, wenn man
ehrlich ist, wenig einzuwenden. Und diesmal passte es besonders gut zu
den Bedürfnissen der teilnehmenden Crews.
September 2016
In Sachen Wärme und wolkenlosem Himmel
entschädigte
der September auf bemerkenswerte Weise. In der zweiten Septemberwoche
war es so warm wie den ganzen Sommer nicht, Segeln im T-Shirt gab es
erst jetzt. Der Wind verwöhnte uns bei unserem
Flottillentörn mit stetigen und verlässlichen drei
bis vier aus Ost. Diese Ostlage ist erfahrungsgemäß
typisch für den September, man kann nur langfristig vorher
nicht wissen, in welche Woche sie fallen wird.
Chartertörns im
September werden üblicherweise recht spontan gebucht, doch als
der gemeinsam mit den Kollegen von "Klassisch am Wind" angebotene
Termin näher rückte, hatten wohl zu viele schon mit
dem Sommer abgeschlossen und trauten den vielversprechenden Prognosen
nicht. Wer
nicht dabei war, hat aber wirklich etwas versäumt, und wir
segelten unseren Törn nur mit drei Booten:
„Paula“, „Martha“ und
„Maj“ - je eine Buchung für beide
Anbieter. Die Begleitung übernahm ich wie immer gerne.
Die
Teilnehmer
Nach fast zweijährigem Vorlauf war es
Frank endlich gelungen,
seinen Neffen Sebastian als Mitsegler zu gewinnen, und der Termin
passte für beide. Vorab diente ein zweitägiges
Skippertraining dazu, aus beiden eine bestens funktionierende Crew zu
bilden und mit "Martha" vertraut zu machen. Die Gelegenheit, sich auch
gleich an das besondere Erlebnis zu gewöhnen, auf einem
Folkeboot zu übernachten, ließen Onkel und Neffe in
ihrer Ferienwohnung verstreichen - die erste Nacht an Bord verbrachten
sie in Maasholm an der Außenmole der Modersitzki-Werft, wo
die unruhige Schlei für lautes Plätschern und
leichten Schlaf sorgte. Davon abgesehen waren die beiden aber mit
Begeisterung bei der Sache.
Auf der "Maj" sah es zu Beginn ein wenig
anders aus. Michael wollte unbedingt die Ostsee und die
dänische Inselwelt kennenlernen, nachdem er bisher
hauptsächlich im Binnenrevier der Masuren herumgeschippert
war. Martina jedoch hatte Bedenken: Ohne Landsicht von Wasser
umgeben zu sein, war ihr eine Horrorvorstellung. Als "Martha" und
"Paula" am frühen Samstagnachmittag in Maasholm eintrafen, wo
wir die "Maj"-Crew überhaupt erst kennenlernten, stand deren
Teilnahme an der Reise also keineswegs fest.
Ich nutzte die Tatsache,
dass wir mangels Wind den langen Schlag nach Dänemark ohnehin
auf den Sonntag verschieben mussten, um das Problem in Ruhe anzugehen.
Ich legte die Seekarte auf den Steg, schilderte, was ich mir mit dem
schönen Wind im Rücken ausgedacht hatte. Machte
deutlich, dass ich Martina zu nichts überreden wollte, ging es
doch um eine Angst, die in einem anderen Teil des Gehirns
festsaß als in jenem, der Argumenten zugänglich war.
Und ich riet den beiden, mit ihrem Boot noch einmal auszulaufen und
sich damit besser vertraut zu machen, bevor irgendeine Entscheidung
gefällt wurde. Als sie von dieser Übungsrunde
zurückkehrten, lautete die einzige Frage: "Wann laufen wir
morgen früh aus?" Das taten wir pünktlich um acht Uhr
dreißig, und unser Ziel - am letzten Tag mit Südwest
- hieß Bagenkop.
Die Tage im Einzelnen
Die Überfahrt nach Langeland schaffte
es nicht in die Top 100
meiner schönsten Segeltage - zwischendurch flaute es ziemlich
ab, die Welle war zu doll in Relation zum Wind, und daraus resultierte
ein nerviges Geschlinger. Es kam aber so rechtzeitig wieder Wind auf,
dass die vierundzwanzig Meilen nicht zur Geduldsprobe gerieten, und
für alle Anderen war der erste Tag Ostsee mit Folkeboot
aufregend genug. Nun ist auch Bagenkop nicht der Nabel der Welt, und
für eine angemessene Erkundung der wunderschönen
Umgebung fehlte die Zeit (zumal nach der vielen Sonne und all der
Aufregung auch ein bisschen Mittagsschlaf nötig war).
Für einen abendlichen Grillabend waren die Bedingungen aber
ideal, und bei dieser Gelegenheit lernten wir einander besser kennen.
Martina war stolz, ihre Angst überwunden zu haben, und alle
freuten sich mit.
Albuen
Der Naturhafen auf Lolland
ist ein Ziel, dessen Erreichen im Rahmen
eines einwöchigen Törns östlichen Wind
voraussetzt. Und es ist ein einzigartiger Ort, den selbst in der
Hauptsaison kaum jemand anläuft, den wir also
erwartungsgemäß für uns allein hatten. Bei
Ostwind hatte ich dort noch nie gelegen - es briste abends noch einmal
tüchtig auf, und wir lagen relativ unruhig, weil sich in der
flachen, ausgedehnten Bucht wahrhaftig eine kabbelige, kleine Welle
auftat. Daran hatten wir uns in Maasholm ja schon gewöhnt,
diesmal schliefen alle tief und fest. Von Bagenkop hatte uns ein
schöner Wind zügig hier her gespült, so dass
ausgiebig Zeit zum Erkunden der Einsamkeit blieb.
Lohals
Wider besseres Wissen gönnte ich den
Teilnehmern Ausschlafen
und gemütliches Frühstück. Erst gegen elf
Uhr setzten wir die Segel, pünktlich zum Einsetzen der
Thermik, die uns an der Westseite der relativ großen Insel
einen Streich spielte: Hatte die Landbrise den Ostwind
verstärkt und so für das nächtliche
Geschaukel gesorgt, so überlagerte ihn nun die Seebrise. Das
Ergebnis war ein abruptes Abflauen. Eine Stunde lang genossen wir die
sommerliche Wärme, auf der "Maj" schützte man sich
vor der Sonne mittels einen farbenfrohen Schirms, der als
zusätzliches Segel auch gleich noch einen Zehntelknoten extra
Fahrt brachte - ohne verhindern zu können, dass wir
schließlich nur noch trieben. Ich schlug vor, eine halbe
Stunde zu motoren. Und richtig: Kaum verließen wir den
Einflussbereich der Thermik, schon füllten sich die Segel mit
einem Nordost drei bis vier. Zügig querten wir den
Tiefwasserweg und begaben uns in die wunderbare, fast immer rapide
nordwärts gehende Strömung des Langelandsbeltes. Gut
sieben Knoten über Grund ließen uns die in der
Flaute verlorene Zeit beinahe wieder aufholen. Auch in Lohals waren
wir, von einem Einhandsegler am gleichen Steg abgesehen, ziemlich
unbehelligt. Die Erwartung, nach dem entlegenen Albuen nun wieder in
einer Form der Zivilisation angekommen zu sein, in der wir in den
Genuss eines Restaurants kämen, wurde beinahe
enttäuscht: Der Kro war offenbar bereits geschlossen, das
zweite Lokal hatte Ruhetag. Am Imbiss bekamen wir eine halbe Stunde
nach offiziellem Feierabend aber noch eine sättigende Auswahl
dänischer Spezialitäten, die zwar vielleicht nicht
den Gipfel der Kochkunst repräsentieren, aber in unsere Woche
zweifellos gut hineinpassten: Hot Dogs, Pommes und Fischfrikadellen
füllten unsere hungrigen Mägen gerade vor
Sonnenuntergang.
Ommel
Es folgte der wohl schönste Tag der
Reise: Nach drei Stunden
durch den breiten, unscheinbaren Lundeborg Belt bogen wir in den engen,
gewundenen, prächtigen Svendborg Sund ein. Auf Michaels
Anregung hin legten wir mittags in Svendborg an, der einzigen echten
Stadt weit und breit. Nach zwei Stunden Bummeln und kulinarischen
Höhepunkten - Fisch, Eiscreme und Süßes vom
Bäcker - legten wir wieder ab und begaben uns endlich in das
Gebiet, das man „Dänische Südsee“
nennt. Die diesige Abendstimmung, in die wir hineinsegelten, war
unübertrefflich. Das Segeln selbst geriet bei
fünfeinhalb Knoten und diversen Tonnen, Fahrwassern und
Kursänderungen höchst kurzweilig. Und als
Kontrastprogramm zum urbanen Svendborg hatten wir uns das entlegene
Ommel ausgesucht. Hier fährt kaum jemand hin, rät das
Hafenhandbuch doch mit Warnungen vor unbetonnten Untiefen davon
dringend ab.
Auch ich hatte mich lange nicht ganz bis zu dem kleinen
Hafen in die Bucht hieningewagt, sondern immer auf halbem Wege
geankert, doch dieses Jahr hatte ich Ommel für mich und
"Paula" entdeckt: Die Mischung aus ruhiger Abgeschiedenheit, maritimer
Historie und spürbarer Gastfreundschaft gefiel mir gut genug,
um schon zum vierten Mal herzukommen. Martina und Michael
lösten endlich das Rätsel um die Steinhaufen, die
sich prima für die Ansteuerung der unbetonnten Bucht eignen:
Früher, als hier ein guter Teil der Marstalflotte
überwinterte, dienten sie als Eisbrecher, damit die
hölzernen Planken der Schoner keinen Schaden litten.
Marstal
Am Donnerstag war - wie angekündigt - der Wind ein wenig
schwachbrüstig. Zum Glück hatten wir uns nur die elf
Meilen nach Marstal vorgenommen, und mit ausgiebig Zeit konnten wir die
auch bei kaum vier Knoten durchaus genießen. Es blieb allemal
genug Zeit für einen Ausflug zum Strand und zu den
sehenswerten Badehäusern. Abends ließen wir den
Törn bei einem guten Essern ausklingen - auf Marstal ist in
dieser Hinsicht verlass, auch im September muss der Magen nicht
knurren. Unter dem strahlenden Vollmond verabschiedete ich
mich - am Freitag wollte ich um sechs Uhr ablegen, um
schnell noch ein bisschen Büroarbeit zu erledigen, bevor
„Martha“ nach Arnis zurückkehrte.
Fazit:
Die Woche schrie geradezu danach, zu einem schönen
Törn genutzt zu werden. Schade, dass nur so Wenige in den
Genuss des idealen Wetters kamen - doch die wurden reich belohnt. Vor
allem Martinas anfängliche Skepsis purer Begeisterung weichen
zu sehen, war ein großartiger Teilaspekt, und die Anregung
der Kaffeepause auf halber Strecke werde ich künftig gerne
wieder aufnehmen.
weiter: Ansegeln 2017