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Geburtstag und Jubiläum

"Alles Gute zum Geburtstag" - derart große Worte von sich zu geben, ist Paulas Sache nicht. Braucht sie auch nicht, ich merke ja auch so, was sie empfindet. Zumindest wenn es gut läuft. Bisweilen kommt es immer noch vor, dass ich ihre Signale nicht verstehe. Und so hatte sie auch diesmal zu kämpfen mit meiner Engstirnigkeit. Sie scheute keine Mühen - und so bekam ich mein schönsten Geburtstagsgeschenk: Das Ankern im Lindelse Noor. 

September 2017

In Erwartung sonnigen, ruhigen Herbstwetters laufen wir aus zur letzten Ostseereise des Jahres. Die Kreuz aus der Schlei ist dann auch große Klasse. Ich freue mich auf vier phantastische Segeltage ohne Gebrauch des Motors. Und das Lindelse Noor ist fest eingeplant. Für den ersten Tag scheint mir Ommel ein angemessenes Ziel - bei Ost muss man ja gründlich überlegen, wo es sich ruhig liegen lässt in der Dänischen Inselwelt. Komisch nur, dass es statt ruhiger Ostwindlage tüchtig pustet mit 5-6, und dass es am Himmel nach wenig Sonne und jeder Menge Schauerwolken aussieht - und danach wird sich auch in den kommenden Tagen nichts ändern. Paulas Wind. Unser Wind. Die Sonne wird schon kommen. Bis Skjoldnæs bin ich froh über die sechs Knoten, weil unterwegs ohnehin nichts Spektakuläres passiert, es also gerne schnell gehen darf. Danach müssen wir kreuzen. 

"Ommel?", sagt Paula, "warum nicht mal wieder nach Korshavn?" Sie ändert nicht unvermittelt unsere Pläne, außer sie weiß etwas, das ich nicht weiß. In diesem Fall geht es darum, dass Amazone nach Korshavn unterwegs ist und dass Paula findet, wenn wir morgen in meinen Geburtstag reinankern, könne ich heute durchaus etwas Gesellschaft vertragen. Ich werfe einen skeptischen Blick in die Seekarte: Korshavn bei strammem Ost? In der manipulierten Version, die Paula mir reicht, sieht es nach einem bestens geschützten Hafen aus. Als ich kurz vorm Anlegen einen Blick auf die echte Seekarte werfe, bestätigen sich meine Befürchtungen - der Schwell läuft recht ungehindert zum Liegeplatz meiner Wahl. Aber die Fock ist schon geborgen, die Festmacher liegen bereit, und mein Gemüt hat sich auf das beschauliche, liebevoll improvisierte Korshavn eingestellt. Wir schießen mit knatterndem Tuch in den Wind und sind fest. Paula rollt und schaukelt. Als sie längsseits an der Pier liegt, geht es besser. Amazones Diesel weckt mich aus der Mittagsstunde, die erste Leine ist über, ich kann nur noch beim Rest des Manövers ein bisschen helfen.

Sönke hinterlässt einen eigenen Bericht von der Silverrudder: Er lag mit Amazone in Avernakø, als das Regattafeld vorbeizog, und wollte eigentlich ein bisschen schöne Segelaction filmen. Als der dritte Regattateilnehmer auf die gleiche - gut betonnte und allgemein bekannte - Sandbank lief, wurde das Zeitraffervideo allmählich ein bisschen lustig.

Amazones Gäste erkunden morgens die örtliche Tierwelt. Recht gründlich, könnte man denken, denn die Schlange ist nicht nur perfekt getarnt auf dem Asphalt der Pier, sondern auch geradezu winzig. Im Nachhinein muss ich sagen: Nicht gründlich genug. Aber dazu später mehr. Nach Schlangenfotos und Klönschnack setzte ich die Segel, Paula legt mustergültig ab. Wir kreuzen wacker bis Skarø. Sausen mit halbem Wind durchs Højestene Løb, während ich mir schon Gedanken mache, wie ich gleich wieder die Schoten dichtracken soll bei diesem unerbittlichen Wind. Es regnet keinen Tropfen, aber über Ærø sieht es eindeutig nach Schietwetter aus. Nun, die Schoten kommen schon dicht, und durchs Mørkedyb führt uns ein unübertrefflicher Anlieger.

Wir nähern uns Langeland. Und mich verlässt der Mut. Ist dann doch ein bisschen üppig Wind, um in eine flachgründige, steinige, unbetonnte Bucht reinzukreuzen, in der ich noch nie war. Wir segeln nach Ristinge. Dort unter Segeln anzulegen, klappt auch nicht immer einwandfrei. Diemal zum Beispiel berge ich schon vor der Einfahrt das Groß, fahre dann mit der Fock einen übertrieben weiten Bogen um die Pier. Paula kommt gegen den Wind nicht an Land. Oder vielleicht will sie das auch gar nicht. Denn mit dem Stechpaddel in der Vorpiek hilf nur eines: Schnell den Motor anreißen. Als wir fest sind, macht mich das alles nicht glücklich - Ristinge ist toll, aber an diesem Tag ist es nicht, wonach mir der Sinn steht. Und Paula sagt: „Siehst du? Nun haben wir ihn ja benutzt, den Motor. Und der Wind hat auch nachgelassen. Da können wir ja auch nochmal auslaufen. Und dann kreuzen wir eben nicht in die Bucht - wir motoren!“

Verblüffend einfach, könnte man denken. Aber ich wäre im Leben nicht darauf gekommen. Es ist aber eine prima Idee: Unter Motor gegen den Wind, mit Blick auf Echolot, Seekarte und in Zukunft sicher nützliche Landmarken - das wäre natürlich mit der elektronischen Seekarte ein wenig einfacher, aber eine Kreuz hätte ich auch damit nicht gewagt. Nicht beim ersten Mal. In Zukunft wird hier ganz bestimmt nicht mehr motort, außer in totaler Flaute. Und dann ankern wir unter melancholischem Himmel, bei reichlich Wind und gutem Schutz hinter einer Steilküste, bei wunderbarem Geplätscher und Gegluckse, aber ruhigerem Liegen als tags zuvor in Korshavn, in meinen Geburtstag rein - nur Paula und ich und unsere Ruhe.

Im Lindelse Noor bleiben wir ausgiebig - der Donnerstag ist gewittrig bis zum Nachmittag, und dass in all den dunklen Grummelwolken kaum ein Blitz und keine Spur mehr Wind, als ohnehin schon pustet, stecken würde, kann man ja nicht wissen. Wir nutzen die Gelegenheit, auf die Saison zurückzublicken: Kein Anlass, übers Wetter zu jammern, wie so viele es tun. Wir hatten es toll, haben viel erlebt, viel neues ausprobiert. Es war ja nun unsere zehnte Saison - ich darf wohl sagen, während der 13.000 Seemeilen habe ich ein bisschen was gelernt.

Nachmittags gegen drei gehen wir Anker auf. Der Regenradar verspricht, dass die Schauer und Gewitter durch seien. Das stimmt so nicht ganz, ein Gewitter zieht über unseren Ankerplatz hinweg, nachdem wir ihn gerade verlassen haben, und auf den sieben Meilen bis Marstal kommen wir dann noch in einen kräftigen Schauer, der die Wenigen, die sonst noch dort herumsegeln, zum Segelbergen veranlasst. Wir hingegen befinden uns gerade unter einem kleinen Loch in der schwarzen Wolke, durch das die Sonne in all dem Pladderregen genau auf Paula scheint. Dieser schöne Anblick wäre ein Fall gewesen für eine Kamera mit wasserdichtem Gehäuse. So bleibt das Bild allein in meiner Erinnerung.

Genau wie das der Maus, die in Korshavn an Bord gestiegen sein muss. Drei Wochen nächtliches Gekrabbel und Geknabber, dann endlich schnappt die Falle zu. Frühmorgens metallisches Klappern aus der Backskiste - ich denke "Aha!" und drehe mich noch einmal enrleichtert um. Stehe schließlich auf und befördere als erste Aktion das ungebetene Haustier von Bord. Die Erleichterung der Maus setzt erst zwei Minuten später ein, als ich sie in einer Ecke des Hafengeländes aus ihrem Gefängnis lasse. Sie saust los, als sei sie explodiert. Gerade rechtzeitig vorm Winterlager.


weiter: Absegeln. Aber richtig.