Salty durfte erneut nach
Dänemark, ein Vergnügen, das ihr in den letzten
Jahren allzu selten zuteil wurde. Paula freute sich über den
langersehnten ersten Törn des Jahres - endlich! hurrah! - und
durfte ihn zu ihrer großen Freude gemeinsam mit ihrer
Schwester verbringen. Für mich war es ein mit Spannung
erwarteter Testballon: „Begleitetes
Flotillensegeln“ habe ich das Angebot getauft, das sich
vorwiegend an Folkeboot-Neulinge mit wenig Erfahrung und Revierkenntnis
richtet.
Saltys Gäste aber, Thomas und Michael, erlebten eine
Abenteuerreise mit allem, was zu einem Segeltörn
gehört, und noch ein bisschen extra: Inselerkundung, Akrobatik
(„Das Äffchen am Dalben“), beindruckende
Naturschauspiele, Wind in all seinen Facetten, eine
Grundberührung im Hafen, und zur Krönung gab es auch
noch frische, selbst gesammelte Miesmuscheln auf Lyø.
Juni 2014
Mir
oblag ja nun die
Einschätzung des Windes und eine entsprechende
Törnplanung.
Auf den ersten Blick war das in dieser Woche keine leichte Aufgabe:
Vier Tage lang hatten wir nur für wenige Stunden guten Wind,
bevor
wir in der Flaute dümpelten und in den
nächstgelegenen statt
des ursprünglich vorgesehenen Hafen motorten. Es folgte ein
einziger wirklich toller Segeltag, bei dem Salty ihrem Namen alle Ehre
machen durfte, denn unter strahlender Sonne spritzte ihr die Gischt
bis weit oben an den Segeln.
Letztlich hielt der unstete Wind mich davon ab, zu viel zu
wollen, zu lange Schläge zu verordnen,
und bescherte den Gästen ausgiebig Zeit an Land und im Hafen
sowie
dringend benötigte Übung in der Bedienung des
Außenborders. Und selbst die Tatsache, dass wir uns zwei Tage
früher als geplant vor dem nahenden Starkwind zurück
in die
Schlei flüchteten, tat offenbar der Begeisterung kaum Abbruch.
Als Crew mussten Thomas und Michael sich erst einspielen. Der Eine
brachte ein bisschen Jollenpraxis mit an Bord und war eher vorsichtig,
der Andere besaß einige Mitsegelerfahrung auf
größeren
Yachten und begegnete seiner neuen Rolle, bei der er selbst
Verantwortung für die Schiffsführung trug, mit
angemessenem
Respekt, wollte sie aber auch richtig auskosten. Wenn der Eine Gas
gibt, während der Andere bremst, passiert es leicht, dass die
beiden gegeneinander arbeiten - es kann sich aber auch gut zu einem
Gleichgewicht von Umsicht und Besonnenheit ergänzen. Wo es mit
dem
Gleichgewicht noch hakte, konnte ja ich das letzte Wort geben.
Und so klapperten wir also einen guten Teil des insgeheim geplanten
Programms ab:
Das urtümliche Schleimünde (voller Hafen,
abenteuerliches
Liegen an der Außenmole, der Landgang war ein Balanceakt auf
fünfzehn Zentimeter breitem Beton);
die alte Seefahrerstadt Marstal;
Zwischenstopp im winzigen Hafen von Birkholm (hier kam es zu der
akrobatischen Einlage, die ich leider versäumte, weil ich noch
draußen mit Segelbergen beschäftigt war. Als Salty
wieder
ablegte, guckten die anderen Segler ziemlich skeptisch. Warum nur?)
der menschenleere Hafen von Drejø (von der Flaute am
Weiterfahren gehindert, stand auch Aerøskøbing
zur Wahl.
Michael wurde überstimmt, versuchte dann das
Fußballspiel in
der Inselkneipe zu sehen zu bekommen. Sie war geschlossen, aber wozu
haben wir diese Weltempfänger an Bord? Den Wetterbericht holt
man
sich ja heutzutage anders ein);
das wundervolle Lyø (pulsierendes Hafenleben, das die beiden
Holzschiffchen zweifellos belebten, Inselspaziergang - und
kulinarischer Höhepunkt).
Die herannahende Troglage hatte dann etwas dagegen, dass wir noch
Dänemarks schönste Ankerbucht, die Dyvig, anliefen
und uns in
Sønderborg dekadent vorm Schloss niederließen.
Statt
dessen nutzten wir den ordentlichen Westwind für den Schlag
nach
Maasholm. Sagte ich "ordentlicher Westwind"? Nun, damit begann und
endete der Tag. Zwischen Skjoldnæs und Kegnæs
drehte, was mal
West 3-4 war, über Nord auf Ost und flaute ab. Was uns da aber
durchschüttelte, war nicht die alte Welle: Es war ein
fürchterliches Gekabbel. Die Windmühlen bei Gammel
Pøl
drehten munter, und sie wiesen eindeutig nach Westen. Dicht unter Land
wurde auch wacker gesegelt.
Salty dümpelte eine halbe Meile leewärts, auf der
anderen
Seite quälte sich ein holländischer Traditionssegler.
Voraus
fuhr eine Yacht mit hübschem buntem Blister, eine zweite
Schmetterling. Plötzlich wurden Leichtwindsegel geborgen und
Genuas übergeholt, und die beiden legten sich mächtig
auf die Seite. Ich war also vorbereitet, als Salty und der
Holländer schon Fahrt aufnahmen, während Paula immer
noch in
der Kreuzsee steckte. Eine Yacht kam uns entgegen - gleiche
Segelstellung, auf Backbordbug mit dichten Schoten, nur eben auf
Gegenkurs, und so ging es bis auf eine Entfernung, in der wir einander
eigentlich gegrüßt hätten. Nur war
dafür keine
Zeit, wir mussten mal eben die Segel über holen, ich konnte
gerade
noch sagen "Lauf los, Paula", und dann hatten wir für die
nächste halbe Stunde schöne fünf Beaufort
und konnten
uns endlich mal richtig austoben.
Thomas brauchte wohl einen Moment, um zu verstehen, dass Salty keine
Jolle ist, dass keinerlei Gefahr bestand, sondern ein Folkeboot im
Gegenteil nun froh war, den ungebliebten Sand vom Deck gespült
zu
bekommen. Südlich der Flensburger Förde
ließ die Welle
nach, und der Wind mäßigte sich, so dass wir die
verbleibende Stunde bis Schleimünde einfach nur
genießen
durften.
Dort kam mir die Idee, in die Schlei hinein zu segeln, also zu kreuzen,
was ich bei stärkerer Verkehrslage als an diesem Nachmittag
nicht
gewagt hätte. Der Mut verließ mich, als ich der
enormen
auslaufenden Strömung gewahr wurde - einhand brauche ich ja
doch
ein bisschen Platz zum Segelbergen, falls ich gegen diese
Strömung
nicht ankomme, also wendete ich und fuhr wieder raus, um
schließlich doch zu motoren. Da kam mir Frieda
entgegen auf dem Rückweg von der "Classic Week". Die segelten
zu
dritt und ließen sich den Spaß auf der Kreuz nicht
so
leicht nehmen. Mir eröffnete das immerhin die seltene
Gelegenheit,
eines meiner Boote aus nächster Nähe in voller
Schräglage ausgiebig zu fotografieren. Und es sah wirklich
richtig
gut aus!
Maasholm war dann ein schwacher Ersatz für Dyvig und
Sønderborg, aber das konnten Saltys Gäste ja nicht
wissen.
Und die angeliter Küche - köstlich, preiswert und
über
die Maßen sättigend - entschädigte
für anderweitig
Entgangenes allemal. Am eigentlich vorletzten Vormittag tuckerten wir
dann zurück nach Arnis. Thomas und Michael taten das Richtige
-
und das Falsche:
Das letzte Stück von Kappeln bis ans Ziel zubbelten sie die
Fock
hoch und segelten gemütlich durch die einsetzenden ruppigen
Böen. So weit, so gut. Als jedoch auf Höhe des ersten
Steges
das Tuch aufs Vorschiff sank, startete der Motor nicht. Von meiner
Position sah es so aus, als hätte der restliche Schwung
gereicht,
den Stegkopf zu erreichen. Und wenn nicht, hätten die beiden
ja
auch weiter segeln können. Statt dessen wurde hektisch am
Startseil des Außenborders gerissen und die Pinne
vernachlässigt, bis die nächste Bö Salty
übel
abtreiben ließ. "Hey! Segel hoch!" brüllte ich mit
voller
Kraft, aber es war längst zu spät: Als die Fock sich
mit Wind
füllte, saßen die Jungs auf Schiet.
Mit war das allemal lieber, als dass sie vorm Wind in eine Box
segelten, in der bereits ein Schiff lag. Ich nahm Hafenmeisters
Tuckerboot und schleppte Salty frei - so erhielt das Abenteuer seinen
verdienten guten Ausgang, und Thomas und Michael waren um noch und noch
und noch eine Erfahrung reicher. Und um einen möglicherweise
bitteren Beigeschmack zu verdrängen, besorgte ich vom
Arnisser Bäcker schnell drei Stücke des
köstlichen
Rhabarberkuchens. Neben einem während der
Fußballübertragung gezauberten Bohnengericht war
dies mein
bescheidener Beitrag zum kulinarischen Programm, das keineswegs nur
wegen der Muscheln dem gelungenen Törn mehr als angemessen
war.
Finden: Paula, Salty und Nicolas
***
Noch ein Nachtrag zur "Classic Week": Neben Frieda nahm auch Martha
daran teil, und zwar bis zum Abschluss in Kiel. Jonathan und Maria
hatten nun die Aufgabe, mir mein Schiffchen zurück in die
Schlei
zu bringen - bei beständigen Westnordwest 6-7 eigentlich
unmöglich. Überrascht, nein, fassungslos lauschte ich
den
verrauschten Worten übers Handy, als Maria am Nachmittag des
zweiten Tages verkündete, sie seien kurz vor Schleswig, und wo
dort denn meine Liegeplätze seien. Während anderen
die
Großsegel rissen und unter Deck die Schapps aus der
Verankerung
brachen, kreuzten sie mit Martha unter Vorsegel gegen zwei Meter Welle
bis Damp, und bei etwas moderaterem Wind war es von dort nicht mehr als
eine kleine Geduldsprobe bis zum Wikinghafen. Hut ab!
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Sailing"