Paulas Törnberichte | ||||||
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Wasser
marsch: Zum Glück Glücksburg
Ein erster
Flottillentörn in Zeiten des Virus -
mir war vorher völlig unklar, was uns in fremden
Häfen erwarten und wie es sich anfühlen
würde. Ziele in Dänemark kamen nicht in Frage, also
blieben wir in einem Umkreis, der sich auch per Fahrrad hätte
erreichen lassen. Wir waren uns einig: Es konnte nur darum gehen, trotz
der ungewohnten Begleitumstände schöne Segeltage zu
verbringen.
Juni 2020
Vollauf
gelungen, würde ich sagen: Es gab anspruchsvolle
Segeltage (von der Großen Breite bis Schleimünde die
Schlei aufgekreuzt, einschließlich der Missunder Enge mit
vier Booten im Pulk), eine tolle neue Idee (was machen wir bei schwach
umlaufend und nachmittäglicher Seebrise?
Schleimünde-Schleimünde mit unbeschwerter Tour bis
Höhe Damp und zurück), aber auch die Häfen,
die wir sonst nie im Leben angelaufen wären, lohnten den
Aufenthalt: Pure Idylle in Fleckeby. Folkeboot-Anarchie in
Schleimünde. Köstliche Speisen beim Restaurantbesuch
in Gelting Mole. Und zum Glück gibt es Glücksburg -
dort freuten wir uns zunächst über einen
geräumigen Hafen mit vielen, vielen für kleine Boote
passenden Boxen, danach über einen phantastischen Waldweg, der
uns um das sehenswerte Schloss herum ins kleine Städtchen
führte. Eine wirklich schöne Gegend!
Zur Belohnung für die gute Planung durfte Paula zwanzig
Minuten in der Geltinger Bucht mit zwei Delphinen (!) spielen. Und der
Rückweg bot eine kurzweilige Kreuz schleieinwärts,
Grundberührung für Oli, die aber aus eigener Kraft
freikam, und allgemein glückliche Gesichter und neue,
unerwartet tolle Eindrücke. Ich freute mich besonders
darüber, dass wir vom ersten Tag an dicht zusammenblieben und
Paula und ich uns wirklich Mühe geben mussten, um die anderen
zu überholen. Das ist bei unerfahrenen Crews echt nicht die
Regel, aber diesmal hatten wir es mit bekannten Gesichtern zu tun.
Mit dabei waren: Paula und ich, erstmals seit fünf Jahren
jenseits der Lindaunis Brücke, erstmals dieses Jahr auf der
Ostsee, zum ersten Mal überhaupt in Glücksburg und
Gelting, zum ersten Mal Zeugen der Ostsee-Delphine, von denen wir
bisher nur gehört und gelesen hatten. Wir segelten routiniert,
konstant und glücklich, meistens - aber nicht immer -
vorneweg. Martha und Okko, zum mittlerweile fünften Mal ein
tolles Gespann, und schon wieder ist es uns gelungen, unserem Gast neue
Häfen und eine perfekte Woche zu bieten. Salty und Rolf -
für den Drachen-Segler aus dem Voralpenland schon wieder ein
neues Folkeboot, die beiden schienen ganz zufrieden miteinander, was
auch am neuerdings herausnehmbaren Reitbalken lag. Oliese segelte mit
Feuerwehrmann Joe und diesmal seinem anderen Sohn - auch ein tolles
Team. Wenn man bedenkt, dass Joe letztes Jahr sagte, er habe vor drei
Jahren den Jollenschein gemacht und sei seitdem nur Motorboot gefahren,
ist es bemerkenswert, wie gut er es draufhat - da hat einer richtig
Bock aufs Segeln, bildet sich theoretisch weiter, kann jede Anregung
dank guten technischen Verständnisses gleich umsetzen, und ist
manchmal kaum einzuholen. Und dann begleiteten uns noch Erik und
Pommery aus Eckernförde. Erik ist eine Bereicherung
für jede Gruppe, die "Wildgänse" haben Pommery
längst als Schwester adoptiert.
*
SAMSTAG UND SONNTAG -Idylle mit Flecken: Fleckeby
Ob wir reserviert hätten, will der Typ wissen. In den
Händen hält er fünf gekühlte
Flaschen Bier, sein Gesicht kündet von wenig Motivation, sich
so spät am Tag noch mit irgendwelchen Gastliegern zu befassen.
Es ist ja auch schon kurz nach fünf...
Die Schilder sind auf grün, wir dürfen anlegen. Haben
wir ja längst getan. "Ihr wisst ja, dass ihr autark stehen
müsst?" Ich unterdrücke einen Seufzer und
lächele aufmunternd - dass die Toiletten inzwischen wieder
auch nachts geöffnet sein dürfen, hat sich bis
Fleckeby wohl noch nicht herumgesprochen. Selbstverständlich
haben wir unsere imaginären Bordtoiletten dabei. Das ist vor
allem deshalb gut so, weil ich jetzt unmissverständlich
erfahre, das Hafenbüro sei längst geschlossen: "Man
kann ja nicht rund um die Uhr arbeiten, irgendwann muss ja mal Schluss
sein. Wir haben schließlich auch noch acht Hektar Land zu
bewirtschaften." Strom und Klozugang gibt es nur mit Magnetkarte, zu
erwerben bei der dreißigjährigen Gattin des
sechzigjährigen Bierträgers. Zu den
Öffnungszeiten: Dreißig Minuten morgens gegen zehn,
dreißig Minuten abends gegen vier. Nee, ist richtig charmant
hier, vielen Dank dafür!
In der Missunder Enge gilt es ein mehrfaches Dilemma zu
bewältigen. Ich brauche volle Konzentration für die
Navigation. Habe ich aber nicht, denn unser Zielhafen ist noch
ungeklärt: Auf Schleswig haben wir spontan keine Lust. Stexwig
wäre mal lustig, aber unser Hafenhandbuch liegt in der
Wohnung, und ohne es scheint mir die Einfahrt gewagt. Paula redet von
Fleckeby, doch dort gibt es zwei Häfen. In einem davon habe
ich sie vor dreizehn Jahren abgeholt, und ihre ehemaligen
Liegeplätze sind heute tabu - das respektiere ich, vielleicht
ist es auch nur mein eigener Spleen, doch in Struer am Limfjord habe
ich es ziemlich eindeutig gespürt, dass sie dort nicht sein
wollte. Dummerweise erinnere ich nicht mehr, welcher Hafen der falsche
wäre. Mit zwei Stunden Rückstand folgt uns Pommery,
von Maasholm kommend, und möchte wissen, wo wir uns treffen.
Auch mit den Charterern sollte ich mich allmählich
verständigen...
Wir segeln erstmal eine kleine Regatta aus der Enge. Oli bleibt
zurück, Martha übernimmt die Führung, Salty
bleibt in Sichtweite. Gegen Idylle am Südufer der
Große Breite hat niemand etwas einzuwenden.
Schließlich überholen wir Martha und entscheiden uns
für den östlichen der beiden Häfen. Jetzt
müsste ich nur noch herausfinden, von welcher Richtung aus die
betonnte Rinne, die beide verbindet, anzusteuern ist. Aha, ziemliche
Abdeckung, bei langsamer Fahrt können wir uns per Echolot
vortasten. Und das Gerät sagt mir, dass es bei unserem
Tiefgang komplett egal ist, dass wir uns der Rinne von der falschen
Seite nähern.
Wir kreuzen souverän in den Hafen. Ich berge die Segel, wir
wriggen an einen von drei grün markierten
Liegeplätzen. Ein älterer Herr schickt sich an,
Vorleinen zu empfangen und vom Steg aus das Kommando zu
übernehmen: "Jetzt stoß dich mal ab an dem Pfahl!"
Jaja, schon, er kann nichts wissen
von zwanzigtausend Seemeilen
einhand. Aber wie ein Oberklookschieter auf die Idee kommt, jemandem,
der gerade in den Hafen
gekreuzt ist, zu erklären, wie man bei
null Wind ein Boot in die Box fährt - das ist mir nicht
einfach nur ein Rätsel. Sondern ein Rätsel, das zu
lösen ich absolut keine Lust habe. Es macht mich
wütend. Ich verabscheue diese Freizeitkapitäne, die
ihre eigenen Dampfer nicht im Griff haben, aber mir mit
dämlichen Ratschlägen die Laune verderben und
letztlich doch nur im Weg stehen.
Es geht gerade nochmal gut, ich behalte meinen Wutanfall im Griff.
Martha, Oli und Salty legen an, in unterschiedlicher
Souveränität. Für Pommery haben wir auch
noch ein Plätzchen frei, wie ich Erik per Telefon durchgebe.
Dann steht der unmotivierte Bierflaschenträger vor mir.
Die junge Hafenmeisterin entpuppt sich letztlich als supernett, wir
bekommen die Chipkarten ohne Pfand, weil wir ja schon so früh
wieder auslaufen wollen. Allerdings erst am Montag - am Sonntag pfeifen
beständig achter Böen über die grandiose
Kulisse der Großen Breite, da bleiben wir lieber hier. Das
Wetter ist prächtig und sommerlich warm, die Landschaft
lädt ein zum Verweilen, bevor sie bei dem stetig steigenden
Pegel allmählich absäuft, und ein arbeitsscheues
Hafenmeisterpaar kann uns nicht davon abhalten, nach einem grandiosen
ersten Segeltag erstmal auszuspannen und den Alltag zu vergessen. Die
"Crews" lernen sich kennen, und wir bereiten uns gedanklich darauf vor,
am Montag bei ein bis zwei Windstärken weniger, aber immer
noch ruppigen Thermikböen aus Nordost, die komplette Schlei
aufzukreuzen.
Die Große Breite ist eine perfekte Kulisse. Allzu gerne
hätte ich den Nachmittag dazu genutzt, hier ein bisschen
spielen zu gehen, auf und ab zu segeln, vielleicht ein bisschen Regatta
oder ein Einkaufsbummel in Schleswig, womöglich sogar ein
Ausflug zu einem lieblichen Ankerplatz. Geht jetzt nicht, aber
für den weiteren Verlauf der Saison nehmen wir uns das
durchaus vor.
MONTAG UND DIENSTAG - "Ich bin nicht enttäuscht. Ich bin
entsetzt!"
"Gehen Sie auf die sechzehn!", befiehlt die Hafenmeisterin in Olpenitz.
Sie kann oder will nicht verstehen, dass wir nicht einen Liegeplatz
brauchen, sondern fünf. "Aber nicht in die große
Box", brummelt sie. Wir drehen ab und kreuzen raus aus dem
unsäglichen ehemaligen Marinestützpunkt.
Joe hat einen besonderen Grund, sich das hier genau anzusehen: Seinen
Ruhestand möchte der Pfälzer im Norden verbringen,
hat sich schon diverse Häuser in Dänemark und
Schleswig-Holstein angesehen. Von Port Olpenitz hat er sich Prospekte
schicken lassen, in denen das Projekt schnuckelig und verlockend
aussieht. "Wenn die unfreundlich sind, wollen wir hier gar nicht hin",
bestätigt er über Funk. Da hat er ohnehin schon genug
gesehen.
Wir sind hier, weil man auch bei wenig Wind so eine schöne
Hafenrundfahrt segeln kann, weil wir eigentlich einen Einkaufsbummel
bei Edeka vorhatten, der jetzt an der Liegeplatzsituation und dem
Auftritt der Hafenmeisterin scheitert - und weil Olpenitz ein
Musterbeispiel dafür ist, wie man es nicht machen sollte. Die
erste Bebauung auf der Nordmole ist kunterbunt ohne Bebauungsplan -
Louisiana steht neben Lappland, angrenzend ein futuristischer Bungalow,
alles dicht an dicht (und bei Ostwind gesandstrahlt, dass die Fenster
blind werden). Danach ging der erste Investor pleite, seine Nachfolger
haben das Chaos überkompensiert durch identische
Doppelhäuser in langen, eintönigen Reihen. Die
Substanz des Marinehafens ist kein bisschen integriert,
Backstein-Kasernengebäude und robuste Schwimmstege wurden
abgerissen, der Rest steht wie archaische Fremdkörper zwischen
dem postmodernen Mist. Was die Gäste nicht sehen
können, ist die Anreise auf dem Landweg: Da fühlt es
sich an, als führe man ins Industriegebiet. Was man
wasserseitig durchaus spürt, sind weite Wege über
Brachland und auf Jahre Baustellenlärm. Welcher gut Situierte
würde hier eine kostspielige Immobilie erwerben? Sind die
wirklich so dumm, oder haben sie sich nicht informiert? Joe jedenfalls
hat alles gesehen. "Ich bin gar nicht enttäuscht", sagt er
hinterher, "ich bin entsetzt."
Für unsere Segeltage gilt das explizit nicht! Brav werfen wir
in Fleckeby unsere Klokarten in den Briefkasten und legen ab. Vor uns
liegen zwanzig Meilen gegenan. Aus dem Hafen herauszukommen, ist auch
bei sechser Böen nicht ganz trivial, aber es gelingt. Auf der
Großen Breite ist Hack-Trimm angesagt, in der Abdeckung
Missunder Enge kommt uns der viele Wind recht gelegen. Wir kreuzen sie
auf, mit vier Booten im Pulk, nur Salty hält sich
zurück. Eine Stunde früher hätten wir noch
nicht diese Böigkeit gehabt, aber zumindest gibt es so
früh am Tag noch keinerlei sonstigen Verkehr. Sieht gut aus,
was wir da machen - bis Oli im Wind steht und Martha gerade noch
ausweichen und ihre Schwester in Lee passieren kann. Paula
überholt in Luv. Martha lassen wir auch bald hinter uns,
Pommery segelt vorneweg. "War ja schon anspruchsvoll", kommentiert
abends ein glücklicher Joe.
Bis Lindaunis haben wir diesen tüchtigen Wind. Ich kann nicht
widerstehen: Für uns ist es an der Brücke eine
Punktlandung, Segel runter, Motor an und durch. Heißt
natürlich: Die Charterboote kommen um zwei, drei Minuten zu
spät und bekommen eine Stunde drauf zu. Ich zögere,
sie allein zu lassen. Naja, allein sind sie ja nicht, sondern passen zu
dritt aufeinander auf. Pommery hingegen nimmt kurz den Motor dazu,
rauscht mit schlagenden Segeln durch dir Brücke,
fängt dahinter gleich wieder an zu kreuzen - und bleibt auf
einer Sandbank hängen, die Paula und ich sehr gut kennen...
Jetzt ist klar: Jenseits der Brücke werden wir dringender
gebraucht. Wobei ich wenig geneigt bin, ein Boot gleichen Tiefgangs
freizuschleppen. Wem wäre geholfen, wenn wir beide auf Grund
säßen? Eine Motoryacht behebt das Problem, aber bis
es soweit ist, ist schon eine halbe Stunde vergangen. Ergebnis: In
Kappeln müssen wir warten, Oli und Martha gehen durch die
gleiche Brücke, nur Salty kommt auch hier ein wenig zu
spät. Da ist aber schon erheblich weniger Wind, und ausgangs
Rabelsund ist fast gar nichts mehr vorhanden - die restliche Kreuz ist
entspannt und erholsam. In Schleimünde erwartet uns gegen
sechzehn Uhr ein coronamäßig voller Hafen (Liegen in
zweiter Reihe ist dieses Jahr nicht) mit einer komplett leeren
Folkeboot-Ecke. Wir puzzeln uns rein, Pommery folgt, die anderen
kriegen wir auch noch mühelos unter.
Schleimünde ist ein besonderer Ort. Für mich alleine
kein lohnenswertes Ziel - hier muss ich in Begleitung hin, sonst macht
es keinen Spaß. Heute ist es großartig. Ein echtes
Zuhause. Keine Verbotsschilder und Toilettenschließungen wie
in Fleckeby, stattdessen freie Sicht auf Schlei und Ostsee. Erik und
ich gehen mehrfach zum Leuchtturm. Dazwischen sitzt ex-Folkebooteigner
Holger auf dem Achterdeck. Holger ist immer eine Garantie für
lustige Geschichten, grandios vorgetragen und unübertrefflich
unterhaltsam.
Während wir uns vor Lachen die Bäuche halten und uns
die Tränen aus den Augen wischen, beginnt mich die Frage
umzutreiben, was wir am Dienstag machen. Schwacher Ostwind, keine
Chance für einen längeren Schlag. Aber durchaus
Hoffnung auf eine stetige Seebrise am Nachmittag. Außerdem
hier und da der Wunsch nach einem Supermarkt, wo sich Proviant
aufstocken lässt. Da ist die Tagesplanung doch ganz einfach:
Wir laufen kurz nach Mittag aus. Segeln mindestens nach Olpenitz, wo es
einen Edeka gibt, gucken aber draußen erstmal, wie es
läuft.
"Das war wirklich anspruchsvoll", hat Joe über die Missunder
Enge gesagt und es gut zusammengefasst. Auch jetzt stimme ich ihm zu,
als er am Funk sagt: "Einfach nur segeln." Es ist leicht und
unbeschwert, wie wir uns zur Südecke des Sperrgebiets bewegen
und dort umkehren. Wir verlieren Schleimünde nie aus den
Augen, die Entfernung bleibt gering, es ist eine wunderbare Idee auch
für künftige Flautentage: Einfach einen entspannten
Tagesausflug segeln.
Im Sperrgebiet hat die Küstenwache eine Charteryacht
längsseits. Dort wird sicher kein Kaffee serviert. Sondern
kräftig Strafe kassiert. Entsprechend geknickt motort die Crew
anschließend an uns vorbei: Sie traut sich kaum, schneller zu
fahren, als fünf Folkeboote bei ein bis zwei
Windstärken segeln. Eine andere Yacht treibt angelnd vor uns
durch. "Ist ein echter Hingucker, wenn ihr so zusammen fahrt", lautet
der Kommentar.
Dann also Olpenitz. Mit einem knappen Knoten in den Vorhafen. Im
Binnenhafen deutliches Gekräusel und wieder richtig Fahrt.
Paula und ich segeln eine Platzrunde. Hinterm Retter wäre
Platz zum Längsseitsliegen. Aber die anderen ins
Päckchen zu nehmen, ist in Corona-Zeiten vielleicht eine
schlechte Idee. Die Boxen auf dieser Seite des einsamen Schwimmsteges
sind voll bis auf eine - hier hat sich ein Motorbootverleih
ausgebreitet. Eine so unfreundlich und unerträglich grunzende
Hafenmeisterin habe ich noch nirgendwo erlebt. Ich sage nur noch ein
einziges Wort, nämlich: "Tschüß."
Auch den anderen fällt jetzt auf, dass sie eigentlich noch
genügend Proviant an Bord haben für eine weitere
Nacht in Schleimünde. Dort ist die Folkeboot-Ecke erneut frei.
Allerdings müssen wir die Achterleine einer Yacht, die diese
fünf Liegeplätze damit blockiert, entfernen und ihr
Schlauchboot zur Seite drücken. Macht ja nix, ist sogar ganz
lustig. Es gibt dann noch einen kleinen Disput mit dem Eigner der
Schlauchboot-Yacht: Wir hätten Bescheid sagen müssen,
wenn wir die Achterleine lösen, sie hätten ja
schließlich dort am Tisch gesessen. Äh, ja. Von dort
haben sie aber auch zweifellos gesehen, wie wir angelegt haben, und
konnten selbst erraten, dass wir dazu die dusselige Leine wegnehmen
mussten. Letztlich diskutieren wir über nichts, und am
nächsten Morgen um halb acht helfen uns die Nachbarn gerne aus
unserer Ecke.
MITTWOCH UND DONNERSTAG- Zum Glück Glücksburg
Ungewöhnlich frühes Auslaufen bedarf einer
Begründung - die Gäste haben schließlich
Urlaub. Besser ist es noch, wenn die Begründung dann auch
zutrifft. Heute passt alles hervorragend.
Zunächst puzzeln wir uns bei Windstille aus unserer Ecke - bei
einer guten Bootsbreite Abstand zwischen Yacht und Pfahl
möchte man nicht von einer Bö verpustet werden. Dann
kreuzen wir entspannt ohne Welle aus der Schlei, die schöne
Morgenbrise bringt uns zügig bis Falshöft.
Vorübergehend wird es dümpelig, dann frischt der Wind
auf. Platt vorm Laken sausen wir in die Förde. T-Shirt-Wetter
und schnelle Fahrt - so soll es sein. Doch die Hochdrucklage endet,
nachmittags sind Schauer zu erwarten.
Um Holnis herum sind es dann schon fünf Windstärken.
Salty hat sich lange wacker gehalten - eine Halse mit
Fockausbaumermanöver bei Kalkgrund wurde Rolf dann bei der
internen Regatta zum Verhängnis. Oliese haben wir zweimal
überholt, sie bleibt uns auf den Fersen. Martha ist nicht
einzuholen. Pommery hat den Vormittag gemütlich angehen
lassen. Erik ist gehandicapt: Die Batterie ist hinüber, die
neue wurde nicht rechtzeitig geliefert, das Boot macht Wasser. Und
Lenzen von Hand kostet jedes Mal ein paar Sekunden.
Gehandicapt bin auch ich: Keine Erinnerungen an den
Glücksburger Hafen, kein Hafenhandbuch an Bord. Wie soll ich
ahnen, dass er unendlich geräumig ist und bei Ost perfekte
Abdeckung bietet? Zu Eriks Erstaunen gehen wir es defensiv unter Motor
an. Beim Segelbergen fallen als erstem Okko die Quellwolken auf -
perfektes Timing. Die meinen das hier ernst mit dem Segelsport: Die
Hamburger Yachtschule gegenüber ist bekannt für ihre
Ausbildung, obwohl die meiner Meinung nach nicht besser oder
kompetenter ist als anderswo. Beim Flensburger Yachtclub riecht es nach
Segel-Bundesliga, schon die Jüngsten segeln Laser statt Opti,
zur Mittwochsregatta kreuzen schnittige Regattaboote aus dem Hafen,
obwohl sie abgesagt ist. Und an einem unendlich langen,
sichelförmigen Steg, dessen Boxen die perfekte
Größe haben, liegen mit uns zwanzig Folkeboote. Vor
Jahren sollen es dreißig oder vierzig (ohne uns) gewesen
sein.
Wir begeben uns auf Landgang. Was in Olpenitz misslang, ein kleiner
Einkaufsbummel, gestaltet sich auch hier schwierig: Erik führt
uns durch den falschen Wald und erstmal an einen hübschen See,
aber in die Stadt kommen wir hier nicht. Die Landschaft ist jedenfalls
traumhaft, und irgendwann finden wir auch den richtigen Weg. Am
Schlossteich können wir uns nicht entscheiden, ob rechts oder
linksherum - völlig egal, die Strecke ist identisch lang, die
Landschaft gleichermaßen sehenswert. Interessant finde ich,
dass hier Graugänse in besiedelter Umgebung Station machen.
Ihnen gefallen die umgestürzten Bäume am Ufer, da
machen sie sich zu Dutzenden breit. Eisladen, Supermarkt, dann kehren
wir zurück.
Glücksburg ist gut geschützt bei allen Winden ohne
Nordkomponente. Zum Beispiel bei dem Ostsüdost am Donnerstag.
Die Quersumme der Wetterberichte legt die Vermutung nahe, ab mittags
sei es weniger böig. Im Hafen ist nix los, die Förde
ist nicht gerade von Schaumkronen überzogen. Irgendwann legen
wir ab, Ziel Gelting Mole, damit es am Freitag nicht so ein langes Ende
ist.
Es wird ein spannender Tag. Bis Holnis bekommen wir bei Mittelwind drei
bis vier ordentliche Drücker ab, aber da ist ja kaum Welle. An
der Schwiegermutter wendet Pommery zu früh und stampft sich
fest. Oli, Martha und Salty fahren den Schlag zu weit aus. Paula kommt
auf. In der Außenförde ist der Wind eine stetige
fünf, dafür steht hier volles Programm Welle. Und
dummerweise, wenngleich nicht erstaunlich, folgt sie nicht dem Wind,
sondern den Ufern. Mit anderen Worten: Auf Backbordbug kommt sie fast
frontal von vorne. Zweimal werden wir angehoben und krachen im freien
Fall ins Wellental, dann fallen wir zwanzig Grad ab und haben es wieder
gut. Die Lenzpumpe läuft minütlich. Paula ist noch
längst nicht trockengesegelt nach dem langen, warmen April,
den sie an Land verbringen musste. Und ich denke, sie müsste
mal nachvernietet werden, wenn ich möchte, dass sie wirklich
dicht ist.
Wasser
marsch: Als der angekündigte Dauerregen einsetzt, werden wir
nass
von allen Seiten. Oder werden wir? Längst trage ich
Ölzeug
und Gummistiefel, Paula ist es egal, von wo das Wasser kommt, zumindest
spült der Regen mal wieder das Salz vom Deck. Der
Seekartensatz
ist eh nicht mehr zu retten. Der Wind lässt merklich nach. In
der
Geltinger Bucht
schläft er bisweilen komplett ein, wechselt die Richtung. Ich
baue eilig den Hack-Trimm zurück - plötzlich sind wir
eine halbe Meile voraus. Segeln mit Südwest 2 auf den Hafen
zu.
Der Südwest verabschiedet sich. Paula spielt zwanzig Minuten
lang mit zwei Delphinen (!), von deren Auftauchen in der Ostsee ich
zwar schon oft gehört habe, aber kennenlernen darf ich sie
erst jetzt. Als die beiden eine Lust mehr haben, bringt uns ein
hübscher Nordost mit fünf Knoten in den Hafen.
Der Kartensatz ist aufgeweicht. Alles ist nass. Rolf sagt: "Das
Schlimmste war der Regen." Ich finde: "Bei Regen kann man gar nichts
besseres tun als segeln." Joe antwortet: "Ich bin ganz bei dir." Erik
baut die Kuchenbude auf und lenzt. Unsere bleibt
unter Deck, wir gehen Essen. Das Hafenrestaurant in Gelting ist mein
erster Ausflug in die Gastronomie seit Corona. Schräge Sache:
Mit Maske die drei Meter vom Eingang zum Tisch, dann dürfen
wir sie
absetzen und unsere Namen und Adressen auf die Liste schreiben. Das
Essen ist überaus lecker, kann ich wirklich empfehlen!
FREITAG: Homerun
Eben nur schnell nach Hause segeln und abreisen? Nicht bei uns. Bei uns
ist jeder Tag ein Abenteuer. Es beginnt mit der Überquerung
des Kalkgrund - von Gelting zur Schlei macht es wirklich keinen Sinn,
um den Leuchtturm zu segeln, aber die Lücke zwischen den
Steinen soll man schon treffen.
Dann geht es zügig unter Land südwärts.
Paula holt Martha ein. Aber dann kommen wir nicht weiter. Ich probiere
alles: Schot dichter. Schot weiter auf. Traveller ein Stück
nach Luv. Ein Stück nach Lee. Achterstag fieren, holen,
fieren, holen. Es ist großartig, wie unmittelbar sich der
Effekt zeigt - bevor der Wind sich wieder ändert. Meter um
Meter arbeiten wir uns heran. Als Marthas Segel einfallen, braucht Okko
nicht zu reagieren: Das ist unser Windschatten.
In der Schlei können wir bis Maasholm
auf einem Bug segeln,
dann setzen die typischen Winddreher ein. Es ist eine anspruchsvolle
Kreuz, bei
der Oli im Rabelsund fest- und aus eigener Kraft wieder freikommt. Die
Gäste sind begeistert - und ich vermute, vor drei Jahren noch
hätte Okko das gar nicht erst versucht, sondern den
Außenborder angeworfen.
Pommery fährt gleich weiter nach Eckernförde. Eriks
Kommentar, als ich ihm unseren Tag schildere: "Da habt ihr ja noch
richtig was erlebt."
Ja, das haben wir. Und ich weiß jetzt, was ich bisher nur
hoffte: Nachdem es im März so aussah, als würden wir
dieses Jahr überhaupt nicht segeln, kann es noch eine
traumhafte Saison werden.
weiter: "Du
bist ja wohl völlig irre!"