Paulas Törnberichte | ||||||
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Flottillentörn 17.-23. Juni 2017 - Schon
wieder sieben! Einmal sogar acht...
Beim zweiten Flottillentörn 2017 war die
Arithmetik ganz ähnlich wie zwei Wochen zuvor - und doch
gänzlich anders: Da waren wir mit sieben Booten unterwegs,
diesmal nur mit fünf. Dafür aber mit sieben Personen.
Was mit anderen Worten heißt: Drei Einhandsegler und zwei
Zweiercrews. Bei denen, das kommt viel zu selten vor, die Frauen
skipperten. Noch zwei Dinge waren anders: Der Gruppenzusammenhalt war
vom ersten Abend an enorm. Schnell fühlte es sich so an, als
seien alte Bekannte gemeinsam unterwegs. Nach der gegenseitigen Hilfe
im Hafen gab es zuallererst ein Anlegebier, bevor irgendjemand auf die
Idee kam, die Segel zu packen. Selten gingen wir vor Mitternacht in die
Koje, unabhängig von der bisweilen frühen
Aufstehzeit. Nicht nur deshalb, sondern vor allem wegen Wind, Wetter
und Segeln war es intensiv und großartig. Jede Reise, jeder
Flottillentörn ist anders. Und dieser war ganz besonders
anders.
Juni 2017
Wir segeln dem Westausgang des Svendborgsundes
entgegen. Kontinuierlich nimmt der Wind zu, von zwei über drei
auf vier Windstärken - endlich läuft es, und wir
können nach einer weiteren Kreuz - gekreuzt sind wir in den
letzten beiden Tagen genug - endlich den Kurs laufen. Umgeben von
bewaldeten Ufern und allgemeinem Grau in Grau ist das Wetter kaum zu
sehen. Irgendwie gefällt es mir nicht. Hin und wieder grummelt
es, die Richtung ist nicht auszumachen, es könnte genausogut
ein Tiefflieger oder Baulärm oder ein Gewitter sein. Ich
weiß von der Gewitterwarnung für den späten
Nachmittag - falls es eine für den Vormittag gab (in Hamburg
ging es richtig zur Sache), ist sie mir entgangen.
Voraus ist der Hafen
Rantzausminde. In meinem Kopf rotiert es: Ich muss nicht nur
überlegen, was Paula und ich jetzt für das Richtige
halten. Ich trage auch die Verantwortung für die weniger
erfahrenen Chartersegler mit mir herum, denen ich gestern Abend eine
Zeit fürs Auslaufen genannt und denen ich vor einer guten
Stunde beim Ablegen geholfen habe. Längst haben wir sie alle
überholt. Wie gesagt, das Wetter ist mir nicht geheuer. Doch
der Hafen ist es noch viel weniger: Rantzausminde ist eher ein
Bootsparkplatz. Pickepackevoll, von Wellen umspült, dem Wind
ungeschützt ausgesetzt - hier mit fünf Booten in
einer Gewitterbö anzulegen, scheint mir eine miserable Idee.
Es blitzt. Von allen Seiten. Wir wenden und kehren um. Ich
brülle Okko auf der „Martha“ zu, dass wir
nach Svendborg zurückkehren. Denn dort ist der Stadthafen nach
allen Seiten gut geschützt. „Oliese“ und
„Admiral Jacob“ bekommen die gleiche Botschaft,
„Salty“ übermittle ich sie per Funk. Paula
und ich segeln munter vorneweg, die Anderen befinden sich auf gleicher
Höhe. Der Wind nimmt weiter zu. Und noch etwas zu. Und dann
noch eine Spur.
Bei halbem Wind und sieben Windstärken
konnte
ich Paula bisher immer noch auf Kurs halten. Jetzt luvt sie rigoros an
- dann ist das wohl eine Acht. So geht das nicht, das Groß
muss runter. Doch es sitzen uns vier Folkeboote im Nacken, die genug
damit zu tun haben, sich bei den Sonnenschüssen nicht
gegenseitig zu rammen. Ein skeptischer Blick nach achtern, ein
weiterer. Paula gibt mir unmissverständlich zu verstehen, dass
wir - scheiß auf die Anderen - zu viel Tuch stehen haben. Sie
luvt an, ich löse die Großschot, krabbele zum Mast
und zerre das Segel in die aufgewühlte See.
Hinter uns folgt
der Rest unserem Beispiel - zu meiner Erleichterung von Luv nach Lee,
ohne sich gegenseitig ins Gehege zu kommen. Unter Fock laufen wir ein
Weilchen entspannt, aber zügig, unserem Nothafen entgegen.
Dann klart es auf, der Wind lässt nach, und gegen die
Strömung kommen wir kaum noch vom Fleck. Wir könnten
wieder Vollzeug setzen und auf den ursprünglichen Kurs gehen,
aber es scheint mir sinnvoll, unsere zerzausten Haare zu richten und
nochmal gründlich sämtliche verfügbaren
Wetterberichte zu prüfen, bevor wir uns auf den weiteren Weg
machen. Also Motor an, Svendborg ist nicht mehr weit.
Da wir nur ein
Stündchen oder so bleiben werden, fahren wir nicht in den
Stadthafen. Ich finde ausreichend Platz am Holzschiffhafen, gerade
gegenüber des Fähranlegers. Paula legt an, dann
Martha. Jemand warnt uns vor dem Schraubenwasser der Fähre,
aber das kenne ich schon. Für so kurze Zeit wird es gehen. Die
anderen drei Boote der Flottille kommen gleichzeitig, während
im selben Moment die Fähre anlegt. Das ist
unglücklich: Schraubenwasser vom Bugstrahlruder der drehenden
Fähre, und Okko muss Salty ins Päckchen nehmen, ich
binde Oliese an Paula an, während die Oliese-Crew Admiral
Jacob in Empfang nimmt. Im Endeffekt verläuft das
Manöver erstaunlich problemlos.
Später wird sich an
diesem Beispiel zeigen, was für ein gruseliges Medium Facebook
ist: Drei Stunden später offenbart sich im SMS-Austausch mit
Mike, dass dort unmittelbar nach unserem Anlegen zu lesen war, dass
fünf Folkboote die Fähre beim Anlegen massiv
behindert und eine erhebliche Verspätung hervorgerufen
hätten, trotz Rufen vom Steg, dass sie Platz machen sollten,
trotz Schallsignalen von der Fähre - dies werfe ein schlechtes
Licht auf alle Folkeboote. Der erste Kommentator vermutete, es habe
sich um eine Charterflotte gehandelt.
Richtig ist: Die Rufe vom Steg
warnten uns vor dem Schraubenwasser. Die Fähre gab einen
kurzen Ton, bevor sie über StB drehte - wie es sich
gehört. Behindert wurde sie nicht, jedenfalls nicht durch uns.
Und der seltsame Nerd, der scheinbar nichts Besseres zu tun hat, als
auf dem ominösen Facebook Halbwahrheiten und Phantasien zum
Besten zu geben, soll sich am besten mal fragen, wer hier auf wen ein
schlechtes Licht geworfen hat.
Wir haben unterdessen gerade eine
wertvolle Erfahrung gemacht und bereiten uns darauf vor,
weiterzusegeln. Dass es kein wunderbarer Nachmittag wird, liegt nicht
an dem mäßigen Südostwind, der für
schönes Raumschotssegeln sorgt - uns sitzt das
nächste Gewitter im Nacken, doch als es schließlich
kommt, sind wir längst in Korshavn fest, und der Wind flaut
eher ein bisschen ab, als dass die nächste Hammerbö
darinsteckt.
***
Der Samstag hat uns in Maasholm erstmal
zusammengeführt. Mike
flüsterte mir zu, ich könne mich auf eine
schöne Woche freuen: Humorvolle Gäste und eine
günstige Wetterprognose. Dass ich Auslaufen um fünf
verordnete, lag dann auch nicht am drohenden Starkwind: Für
den Sonntagnachmittag war Flaute zu erwarten. Zwei Meilen vor Bagenkop
wurde es - nach einer schaukeligen Überfahrt platt vorm Laken,
die überwiegend schlecht ankam, aber aus meiner Sicht
unerwartet zügig verlief - tatsächlich flautig und
dödelig. Das kam mir gerade Recht: Wenn ich die Gäste
in ihrem Urlaub schon zu nächtlichem Aufbruch nötige,
muss die Begründung dafür unbedingt auch eintreffen,
gerade am ersten richtigen Reisetag. Wir trafen also am späten
Vormittag ein, was mir erheblich lieber war, als den Anderen ins
Frühstück zu platzen: So waren viele Yachten gerade
ausgelaufen, und wir trafen auf fünf leere Boxen
nebeneinander. Paula und ich legten standesgemäß
unter Segeln an. Salty tat dies auch, allerdings notgedrungen, weil der
Außenborder nicht anging.
In diesem Zusammenhang zeigte die
menschlich ganz und gar wunderbare Gruppe in Sachen Bootshandling und
Navigation durchaus ihr Potential, an meinen Nerven zu zerren: Auf
Salty und Oliese herrschten erhebliche
Berührungsängste gegenüber dem
Außenborder. Und unsere beiden
Einhandsegler hatten natürlich besondere Schwierigkeiten. Okko
kannte Martha immerhin schon vom letzten Jahr, für Rolf blieb
Admiral Jacob ein fremdes Boot. So wurde es beim An- und Ablegen
bisweilen laut und hektisch, und einige Male musste ich schlucken, aber
gemeinsam konnte wir alle Probleme lösen. Wenn es darauf
ankam, wie in der Gewitterbö, agierten die spärlichen
Crews ruhig, besonnen und zuverlässig.
Als Rolf -
in Olieses Sichtweite - eine leere Wasserflasche unter Deck zu werfen
versuchte, ohne dazu über den Reitbalken zu klettern, die
Buddel aber vom Schott abprallte und über die kannte flog
(Okko und Martha, die an diesem Tag keine Lust hatte, schnell zu
segeln, sondern gemächlich hinterher dümpelte,
wunderten sich über die Umweltverschmutzung, schafften es aber
nicht, den Dreck zu bergen), war der running gag der Reise geboren.
Am
Montag segelten wir in die Einsamkeit Albuens. Martha hatte die
Würstchen an Bord, Oliese einen Sack Holzkohle, denn ich
erinnerte vom letzten Mal, dass es dort einen schönen Grill
gab. Und so erlebten wir unter wolkenlosem Sternenhimmel einen
herrlichen Abend, untermalt vom unverkennbaren Gesang der
Feldlärche (wenn es denn eine solche war, Hobbyornithologen
mag man ja doch nur bedingt trauen). Die Tierwelt war mit uns auf
dieser Reise. Am letzten Abend in Korshavn - wo es uns nach dem
Gewittergedöns hinverschlug - erfüllte die
Oliese-Crew uns den langgehegten Wunsch nach Spaghetti Carbonara, und
zwar in ganz besonderem Ambiente: Der Hafen bietet in einem Schuppen,
der in erster Linie der Abstellraum des Rasenmähers und in
zweiter Linie Bruststätte hektisch um uns flatternder
Schwalben darstellt, in dritter Linie die Möglichkeit zum
Sitzen und Beisammensein. Es regnete hin und wieder, ansonsten war die
Stimmung herrlich melancholisch, und wir trugen zwei Spirituskocher und
reichlich Pütt und Pann in diesen wunderbar rustikalen Raum,
damit das Abendesssen Form annähme. Und das tat es ja dann
auch - bis ich hineinrief: „Schweinswal!
Schweinswal!“ Das faszinierende Tier schwamm durch die Bucht,
als sei es extra unseretwegen hier her gekommen.
***
Von Albuen - inzwischen wirkte es so, als seien
wir bereits unser
ganzes Leben zusammen unterwegs - wollten wir eigentlich nach Troense
im Svendborgsund, nördlich um Langeland herum. Zuerst hinderte
uns ein schwachbrüstiger Nordwind daran, mit Nordkurs zu
segeln. Später lief die Strömung im Langelands Belt
so stark südwärts, dass der Versuch,
nordwärts zu segeln, zäh und mühsam geworden
wäre. Ich machte also den Vorschlag, es lieber
südwärts zu versuchen und erstmal Marstal anzupeilen.
Wurde allseits akzeptiert.
Leider hatten Paula und ich uns allzu
geschickt angestellt auf er nun sinnlosen Kreuz - mit der Kehrtwende
wurden wir Letzte. Den Tiefwasserweg querten wir problemlos, dann
briste es auf und briste es auf und briste es noch weiter auf,
während der Wind über West auf Südwest
drehte. Ich freute mich schon, hätte uns das doch mit einer
einzigen Wende direkt nach Marstal gebracht. Als ich an der
Südspitze Langelands die Anderen anluven und anluven und
weiter anluven sah, hätte ich kotzen mögen: Auf der
Westseite der Insel war Nordwest. Und das hieß: Acht Meilen
aufkreuzen. Und nach diesen acht Meilen: Noch eine weitere Meile
aufkreuzen, statt in freiem Seeraum jedoch in einer engen Rinne.
Ich
versuchte den Rest der Gruppe noch über Funk zu erreichen, um
die Gegebenheiten zu erläutern - wir hatten uns
schließlich mit intensiver Kartenarbeit auf eine
gänzlich andere, längere, aber seglerisch deutlich
entspanntere Strecke vorbereitet. Niemand beantwortete meine Rufe - ich
befürchtete schon, dass die nicht mehr mit mir reden wollten
nach diesem Scheiß. Immerhin war es Paula gelungen, selbst
die schnelle Admiral Jacob abzuschütteln, so dass wir endlich
ohne Ausweichsituationen unsere Wenden fahren konnten, und ich dachte:
„Na gut, dann eben jeder nach seiner Fasson.“
Admiral Jacob und Oliese folgten unserem Beispiel und kreuzten wacker
bis zur Hafeneinfahrt, Martha und Salty bargen frühzeitig die
Segel und motorten. Irgenwie kamen wir alle an Ziel und legten uns
hinterm Sandhaufen ins Päckchen. Ein weiteres Folkeboot,
„Challenger“ aus Kiel, gesellte sich mit defektem
Motor zu uns.
Der Sandhaufen stellte ein gewisses Problem dar, weil bis
in den Abend ruppige Böen durch den Hafen fegten und unsere
Boote mit Sand eindeckten, der uns am folgenden Tag zunächst
unangenehm in die Fresse flog, bevor die Schräglage der
nächsten Kreuz ihn weitgehend vom Deck spülte.
Die
Gäste redeten durchaus noch mit mir und konnten dem
unverhofften Erlebnis durchaus etwas abgewinnen. Alle fanden
irgendetwas nervig an dem Tag, doch jeder verwies auf etwas anderes.
Ich zum Beispiel fand es nervig, dass eine Yacht ständig
DSC-Maydays aussendete, weil Wasser ins Funkgerät eingedrungen
war. Ich musste eine Stunde lang jeden dieser Rufe quittieren, und
Paulas Funke ist unter Deck eingebaut, das Quittieren also mit
mühsamen Gekrabbel über den Reitbalken und Verlassen
der Pinne verbunden. Die hackige, stampfige, kaum aussteuerbare Welle
südlich von Langeland war auch nervig, ebenso das unangenehme
Empfinden, das bei aller wackerer Kreuzerei das Ziel nur
quälend langsam näher kam, doch es war ja endlich
richtiges Segeln, was wir da erlebten, und nach einigem
Gespräch konnten wir das alle so sehen: Wir hatten etwas
gelernt. Der wundervolle Hafenmeister war zudem richtig froh, mich mal
wieder begrüßen zu dürfen mit meinem
umfangreichen Gefolge.
Wir speisten bei „Den Gamle
Vingaard“ und leerten im Hafen noch das eine oder andere Glas
Rotwein, nachdem die Sandfontänen sich endlich beruhigt
hatten. Die Crew der Jacaranda, Admiral Jacobs Charterkollegin,
stattete ihren Besuch ab. Für den nächsten Tag hatten
wir drei Optionen: Es Jacaranda gleichzutun und angesichts der Gewitter
am nächsten und des Starkwind am
übernächsten Tag schon mittwochs in die Schlei
zurückzukehren. Mir kam das erst gar nicht in den Sinn. Mir
schwebte eigentlich die nächste Möglichkeit vor,
nämlich mit einer Segelstunde die nächste Insel
Strynø anzupeilen und ansonsten einen erholsamen Wellnesstag
einzulegen. Doch es war dann vor allem Rolf, von dem ich am ehesten
glaubte, dass er sich latent überfordert fühlte, der
unbedingt in den schönen Svendborgsund wollte. Also segelten
wir mit Nordwest nach Troense, inklusive einer strammen Kreuz durchs
Mørkedyb, in deren Verlauf ein Boot, dessen Namen wir nicht
verraten wollen, auf Grund lief. Da musste ich raten, wie die Untiefe
beschaffen war, um den schlauen Tipp zu geben: Fock back, wackeln am
Leewant, und wenn das Boot schwimmt, schnellstmöglich halsen.
Ich glaubte selbst nicht wirklich daran, aber das Manöver
gelang.
Dem luxuriösen
Abendessen im Hotel Troense zum Trotz
war die selbstgebrutzelte Carbonara im rustikalen
Rasenmäherschuppen von Korhavn der eigentliche
Höhepunkt der Reise. Am letzten Tag - ich verordnete aus gutem
Grund frühes Auslaufen - fuhren wir gerefft, kreuzten
nördlich um Avernakø und segelten dann recht
entspannt auf Schleimünde zu. Erst die letzten drei der
über dreißig Meilen wurden ruppig: Vor der Schlei
pustete es wir so oft mit einer zusätzlichen
Windstärke, und nach dem Segelbergen vorm Leuchtturm hatten
die Außenborder ordentlich zu tun, uns gegen die
gehörige Strömung durchs kabbelige Fahrwasser zu
bewegen. Sorgen machte ich mir allenfalls um Rolf, der Admiral Jacob im
ungeschützten Maasholm unfallfrei anlegen sollte, doch dort
stand sein Vercharterer zur Hilfe bereit. In Arnis gab es kein Problem
bei den Hafenmanövern. Es blieb noch die Schwierigkeit, mich
von liebgewonnenen, begeisterten Gästen zu verabschieden. Und
es zu ertragen, dass hier im Wesentlichen alles beim alten geblieben
war, während sich für mich in sieben Tagen die Welt
mindestens zwanzigmal um sich selbst gedreht hatte. Willkommen zu
Hause.
weiter: "Fahrt
da bloß nicht hin!" Unsere Sommerreise