Paulas Törnberichte | ||||||
In
Gesellschaft 1
Es ist einigermaßen warm und überwiegend sonnig.
Trotzdem trage ich die komplette Ölzeugmontur
einschließlich Gummistiefeln: Immer eine Handvoll Wasser ins
Gesicht. Svendborg-Faaborg bei West ist eigentlich komplett gegenan,
aber nicht, wenn man sich die Strecke geschickt aussucht: Im Svendborg
Sund sind es einige Holeschläge, da läuft aber
kräftig Strömung mit. Dann geht es durchs
Højestene Løb und an dessen Ende weiter auf dem
gleichen Kurs, bis wir nach einer einzigen Wende die Westspitze von
Drejø schaffen. Björn hat sich ein bisschen
verkalkuliert, zu früh gewendet, Jane hoppelt und stampft und
schafft es doch nicht ohne Holeschlag zum Wegpunkt.
August 2021
Björn
ist vorläufig alleine an Bord –
Antonia hat zu Hause ein paar Dinge zu erledigen und kehrt
nächste
Woche zurück. Bis dahin hat Björn Gelegenheit,
gemeinsam mit
uns die Südsee zu erkunden. Man sagt ihm nach, sie nach all
den
Jahren immer noch nicht zu kennen, denn er war mit Jane noch nie im
Gamle Havn und im Lindelse Noor, und auch die unbetonnten Schleichwege
haben die beiden noch nicht erkundet. Sein Zeitbudget ließ
immer
keine Wochenendtörns zu, immer nur mehrwöchige
Urlaube, und
da ging es dann auf dem schnellsten Weg nach Kopenhagen oder sonswo.
Seit der Götakanalreise vor drei Jahren hatte Jane reichlich
Pausen, und Björn sieht jetzt selbst, dass die vertrauten
Handgriffe nicht mehr sitzen.
Paula erreicht Faaborg mit entsprechendem Vorsprung. Bis letztes Jahr
gab es am innersten Schwimmsteg noch kurze, schmale Boxen, in die
außer uns kaum jemand reinpasste. Das war eine
Liegeplatzgarantie
auch in der Hauptsaison. Nun sind die Pfähle weg, Motoryachten
liegen längsseits, keine Folkeboot-Ecke mehr. Irgendwann wird
man
wahrscheinlich überhaupt nur noch mit mindestens 40
Fuß oder
400 PS in die Häfen gelassen. Aber wozu aufregen? Paula und
Jane
liegen im Päckchen an der Pier.
Der
Dienstag beginnt wolkig mit gelegentlichem Regen und mit einem
Wetterbericht, demzufolge Wind nur bis mittags ist, gefolgt von
Aufheiterung und Flaute. Nebenan auf Jane regt sich noch nichts, Paula
und ich haben es plötzlich eilig. 08h30: Wir können
jederzeit
los, nur noch schnell den Müll weg. 08h38: Die von unserem
Päckchen zugeparkte Motoryacht kündigt an, um 9 Uhr
ablegen
zu wollen. 08h42: Björns verschlafenes Gesicht erscheint im
Niedergang.
08h43: Es beginnt zu nieseln. Ich werfe hastig die Öljacke
über, dann ziehen wir Jane vor an einen eigenen Pierplatz.
08h48:
Die Motoryacht startet den Diesel. 08h49: Ich setze Paulas
Groß.
08h50: Wir legen ab. 08h51: Beim Focksetzen im Vorhafen fängt
es
richtig an zu regnen. Schnell Ölhose und Gummistiefel holen,
Kurskorrektur, Öljacke aus, Hose und Stiefel an, nochmal
Kurskorrektur, Jacke drüber – fertig.
Wir schaffen die zehn Meilen zum Gamle Havn in unter zwei Stunden.
Westenwind – das bedeutet halber Wind in der Rinne und im
Hafen
kein Platz für einen Aufschießer oder Kringel.
Wieder einmal
nehme ich mir vor, an der Ansteuerungstonne das Groß zu
bergen
und mit der Fock weiterzusegeln. Wieder einmal entscheide ich mich im
letzten Moment anders – eine halbe Meile bei
schönstem Wind
nur mit der Fock zu dödeln, ist ja irgendwie öde. Am
drittletzten Prickenpaar mache ich die Schot auf. Das Segel
schlägt, aus knapp fünf Knoten werden gute drei. Aber
auch
nicht weniger. Zwischen letztem Prickenpaar und Einfahrt hole ich eilig
das Groß runter, im Hafen schnappe ich mir einen Pfahl (zum
Glück sind die Boxen leer), hänge mich in die
Vorleine, die
Scheuerleiste quietscht, Paula steht. Wenn der Hafen so leer ist wie
jetzt, ist das so die richtige Vorgehensweise – leider kann
man
das von der Ansteuerungstonne nicht zuverlässig erkennen, es
hätte also auch schiefgehen können.
Björn ist erstaunlich schnell klar zum Auslaufen. Eine Stunde
nach
uns trifft Jane ein. Segelt mit der Fock durch die Rinne, das ist ja
auch vernünftig, zumal jetzt Paulas Außenborder aus
unserer
Box ragt und die Möglichkeiten zum Aufstoppen erheblich
mindert.
Vor allem war Björn bisher nur einmal auf dem Landweg hier.
Beim
Bergen der Fock läuft Jane ein kleines Bisschen aus dem Ruder.
Sanft kommt sie im Tonnenstrich fest.
Genauso sanft kommt sie auch wieder frei: Björn zieht die Fock
wieder hoch, lässt sie back stehen und wackelt am Want. Jane
schwimmt wieder und beginnt zu vertreiben. Fock über,
Gegenruder
– jetzt ist sie wieder auf dem richtigen Weg. Allerdings
nimmt
sie ordentlich Fahrt auf, und Björn hatte das Segel ja nicht
zufällig eben schon runter, sondern wollte langsam in den
Hafen
treiben und den Rest wriggen. Das klappt jetzt nicht mehr: Segel ist
unten, eine Bö schiebt Jane nochmal tüchtig an, dann
sieht
Björn, dass er eigentlich nirgendwohin kann mit dem Tempo:
„Oha! Was mach ich?“ Es geht dann aber doch
irgendwie gut.
Willkommen im Gamle Havn.
Wir sind ja angenehm früh da und haben Zeit für ein
bisschen
Inselrundgang und Faulenzen. Wie fast immer treffen wunderbar nette
Nachbarn und ein wenig schrullige Leute ein. In diesem Fall liegen
neben Paula zwei junge Bootsbauer aus Potsdam, und es kommt auch noch
ein dänisches GFK-Folkeboot in gewagter Farbgebung:
Türkiser
Freibord, oranger Aufbau, Außenbordergehäuse blau
lackiert.
Es schleppt ein Schlauchboot mit einem kleineren Außenborder
identischen Designs. Ich finde es ein bisschen lustig, dass der
Einhandsegler sein Schlauchboot mit abgesenktem Außenborder
hinterherzieht, nach dem Anlegen aber brav beide Motoren hochklappt.
Aber wenn ihm das Freude macht, soll er das so tun. Am
nächsten
Morgen kommt auch noch die Wellenreiter aus Arnis angetuckert. Der
Kielschwertkreuzer ist vermutlich das größte Boot,
dass in
diesen Hafen reinpasst.
Jane und Paula müssen nun aber los. Björn und ich
haben uns
bis spät in die Nacht gut unterhalten, wir hatten da einiges
nachzuholen, und der Vormittag ist beinahe komplett mit Ausschlafen
vergangen. Abwasch, Einkauf, vordergründig warten wir ja auch
auf
Wind, aber in Wirklichkeit ist der längst da und wird auch
nicht
mehr zulegen. Dabei ist es ein bemerkenswerter Tag: Vom Gamle Havn zum
Lindelse Noor durch die unbetonnten Fahrwasser zwischen
Skarø
und Drejø, zwischen Taasinge und Hjortø, zwischen
Taasinge und Strynø – heute holt Björn
alles nach,
was er bisher versäumt hat.
Dazu muss man aber deutlich sagen, dass zum Beispiel auch ich viele
Jahre gut damit zufrieden war, die betonnten Wege zu nehmen und
aufzukreuzen, oder die bewährten Häfen mehrmals im
Jahr
anzulaufen, anstatt knifflige, flache Ansteuerungen zu wagen. Mit den
Jahren, und angeregt von Verabredungen mit Freunden oder deren
begeisterten Schilderungen, kam dann das Bedürfnis, mich auch
mal
querfeldein durchzuschlagen, über so flaches Terrain zu
segeln,
dass mich das Echolot nur nervös machen würde, mutig
den
verstreut im Lindelse Noor liegenden Steinen zu trotzen – und
statt einfach nur nach Kompass geradeaus oder nach Sicht von Tonne zu
Tonne zu segeln, durfte es dann ruhig mal ein Segeltag sein, der mich
durch ein Gewirr von Kurslinien auf der Papierseekarte führt,
wo
alle paar Minuten die Position zu überprüfen und der
Sollkurs
akurat einzuhalten ist.
Bis Strynø läuft das dank mitlaufender
Strömung auch
bei wenig Wind recht fluffig, dann wird es zäh. Wir tasten uns
geduldig an die Einfahrt zum Noor heran. Dann kommt wieder der
Zweitknoten, und das ist schon beinahe der ideale Speed für
dieses
Untiefenparadies. Zu guter Letzt bleiben wir für einen Moment
stehen, abrubt setzt der Ost ein, und die letzte Viertelmeile ist eine
Sache von Sekunden, bevor ich um Viertel nach Sieben Paulas Segel berge
und am bereits bewährten Platz vor Eskilsø den
Anker
wegwerfe. Eine Schlauchbootrunde um unser Päckchen muss schon
sein, dann wird gekocht, gegessen, ein bisschen geklönt.
Björn zieht sich zurück – in den
nächsten Tagen
hat er ein strammes Programm vor: Parallel zur Svendborg Classic
Regatta muss er einen Mietwagen organisieren und
übernächste
Nacht den Sohn seiner Freundin in Helsingør von einer
Ferienfreizeit abholen. Deshalb lässt er sich den
phantastischen
Sternenhimmel entgehen. Müde wäre auch ich, aber ich
kann
mich nicht losreißen – hier draußen zu
sein in einer
recht lauschigen Nacht ist wieder mal so ein Geschenk.
Vormittags fühlt es sich im Schutz der kleinen Insel an wie
Ost
drei bis vier. Angekündigt ist noch eine Spur mehr –
kann ja
noch kommen, erstmal ist das gut genug für das kurze
Stück
nach Svendborg. Aber Moment! Was ist denn mit dem Fahrtenkat los, der
ein Stück nördlich von uns geankert hat? Das Ding
müsste
doch viel schneller sein bei dieser Brise. Behäbig
müht es
sich durch die Bucht.
Wir denken nicht weiter drüber nach. Wir segeln los mit gut
vier
Knoten, ich freue mich auf den hübschen Schlag, und als wir in
etwa den Ankerplatz des Katamarans erreichen, bleiben wir stehen. Zwei
Stunden später sind wir endlich aus der Bucht – und
in der
südlich gehenden Strömungh des Rudkøbing
Løb.
4-5? Der Wind ist kaputt. Hier und da ist Gekräusel, dahinter
verbergen sich Böen von zwei, drei, manchmal fünf
Windstärken und aus allen erdenklichen Richtungen. Dann wieder
treiben wir achteraus, bis ich Ankern in Erwägung ziehe, um
nicht
so doll zurückzufallen. Es ist ein lustiges
Stop-and-go-Spielchen.
Jane lässt ein Windfeld komplett aus. Dann kommt eines von
hinten
auf und spült sie vorbei, bevor Paula nur den letzten Hauch
der
Brise mitbekommt. Irgendwo hinter Langeland breitet sich derweil ein
Schauer aus, und wie erhofft beschert er uns endlich stetigen Wind.
Vier bis fünf kann man das nennen, Ostnordost, im Fahrwasser
ist
Höhe laufen gefragt. Der Wind ist nicht stetig, dreht
ständig
um ein paar Grad, ich passe permanent den Anstellwinkel an. Paula
lässt Jane ziemlich stehen, Björn befürchtet
für
die Regatta das Schlimmste: „So viel Höhe wie Paula
kann
Jane nicht laufen.“ Als ich sage, ich hätte sogar
die
Schoten immer mal ein bisschen aufgemacht, lachen mich alle aus.
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