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Svendborg Classic Regatta 2021

Das Abendessen ist wie immer köstlich, nach der Siegerehrung zieht ein kleines deutsch-dänisches Grüppchen noch in die Kamerateriet um, dann ist das Regattawochenende vorbei. Ob es nächstes Jahr eine Neuauflage gibt, steht nach dem, was man so hört, tatsächlich ein bisschen in Frage. Wir wären auf jeden Fall wieder dabei und werden die Werbetrommel rühren für diese tolle Veranstaltung. Es scheint aber auch an der Zeit, sich über Alternativen Gedanken zu machen, wenn ellbogenfreie Klassikerregatten für Fahrtensegler immer weniger Zulauf haben und vom Aussterben bedroht sind. Michael und ich haben schon eine Idee, aber sie muss noch ein bisschen ausgearbeitet werden, bevor ein Testballon starten kann.

*** Die Bilder stammen von Søren Stidsholt Nielsen. Quelle: Fyns Amts Avis ***

August 2021

Regatta? Ist das nicht diese stressige Art zu segeln, bei der man sich gegenseitig die Boote kaputtfährt und auf Krampf versucht, erster zu werden? Ich widerspreche energisch: Mir geht es um eine Abwechslung vom Fahrtensegeln, eine Herausforderung, darum, etwas übers Segeln und Trimm zu lernen, um das gute Gefühl, Fortschritte zu erkennen bei dem, das ich am liebsten mache. Ein spannendes Rennen um den fünften oder siebten oder sonstwievielten Platz, ein bisschen Nervenkitzel – das darf schon gerne sein: Schließlich ist es ja auch ein wenig knifflig, in einen Schauer zu geraten und irgendwie klarkommen zu müssen, und dann hat man besser sein Boot gut im Griff. Und das muss man üben. Außerdem würde ja niemand widersprechen, dass es Laune macht, mit mehreren Booten unterwegs zu sein, aber wer mit Pommery oder Lovis unterwegs ist, hat täglich Regatta in dem Sinne, dass niemand gerne ständig hinterherfährt. In Svendborg steht gemeinsames Segeln im Vordergrund, kein verbissener Kampf um den ersten Platz. Wer auf den sowieso keine Chance hat, ist trotzdem willkommen. Uns aus dem Getümmel an der Startlinie tunlichst herauszuhalten und dennoch gut wegzukommen – das zum Beispiel ist eine tolle Aufgabe, für die man Anregungen von Anderen braucht, aber auch Geduld und Geschick.

Leider gibt es dieses Jahr nur einundzwanzig Meldungen. Das ist die Hälfte von vor zwei Jahren, und das war schon eine Enttäuschung. Ich bin aber nicht überrascht. Erstens habe ich die Teilnehmerzahl in den letzten Wochen regelmäßig verfolgt, außerdem war der Abwärtstrend absehbar. Wer segelt heutzutage noch Regatta? Wer segelt überhaupt noch „richtig“ und tauscht sich darüber mit Gleichgesinnten aus? Wer sucht im Gastgeberland Dänemark wirklich Kontakt zu Einheimischen?

Hinzu kommt: Vor drei Jahren fiel die Veranstaltung in einem karibischen Sommer genau auf das Wochenende mit dem einen Sturmtief. Es fanden nur jeden Tag eine Wettfahrt statt, zu der nicht einmal die Hälfte der zahlreichen Boote auslief. Vor zwei Jahren (bei schon erkennbar geschrumpfter Teilnehmerzahl) hatten die Veranstalter versäumt, rechtzeitig das Pakhus zu buchen, und so mussten wir in einem ungemütlichen, zugigen, athmosphärelosen Zelt frühstücken, zu Abend essen und die lieblose Siegerehrung ertragen. Dann kam Corona, 2020 fiel die Regatta komplett aus. Es war klar, dass es Zeit und Anstrengung brauchen würde, damit sie sich berappelt.

Von den 21 Booten ist Pommery gar nicht da. Erik machte sich rechtzeitig auf den Rückweg aus den Schären, kam dann aber in Varberg fünf Tage lang nicht weiter bei Gepuste gegenan, und jetzt ist er irgendwo im Øresund. Dafür hat aber Björn spontan nachgemeldet, nachdem er es wegen des gleichen Gepustes nicht in den, Ihr ahnt es schon, Øresund geschafft hat. Zusätzlich treffen wir Holger und Achneedochnich, die ebenfalls kurzentschlossen teilnehmen.

Sechs Folkeboote sind zu wenige für eine eigene Startgruppe wie bisher – wie starten gemeinsam mit den vier Knarrs. In der zweiten Startgruppe dann alle anderen, Jollen wie Spitzgatter jeder Größe (Ebbe Andersens 55 m²-Spitzgatter wird natürlich zum „Boot des Jahres“ gewählt), sowie die allererste jemals gebaute Spækhugger. Die gewinnt übrigens die Gesamtwertung.

Innerhalb unserer Startgruppe ist der Ausgang beinahe absehbar: Die drei dänischen GFK-Folkes werden – wie jedes Jahr – die ersten drei Plätze untereinander ausmachen. Michael und Havfruen haben den vierten Platz so gut wie sicher und werden sich freuen, wenn sie an den anderen drei ein bisschen dranbleiben. Dahinter ist diesmal der fünfte Platz zu vergeben, und nach den Eindrücken der vergangenen Tage wird der wohl an Paula gehen. Jane ist weniger schwer beladen mit Ausrüstung, Werkzeug, Büro und Klamotten für einen kompletten Sommer, und sie hat neuere Segel als Paulas doch inzwischen merklich verschlissenes Tuch, aber dafür haben wir in den letzten Jahren heimlich geübt. Was fehlt, sind die anderen Fahrtensegler, mit denen sich in den letzten Jahren ein spannendes Rennen um den siebten, achten oder neunten Platz ergab. Bei den Knarrs sieht es ähnlich aus: Zwei GFK-Boote vorneweg, Triton aus Arnis dahinter, zuletzt O DEN 55, die wir immer einigermaßen dich vor der Nase haben, ohne so ganz richtig ranzukommen.

Am ersten Tag – bei Windstärke vier und hackiger Welle – segeln Havfruen, Paula und Jane tatsächlich in konstanter Reihenfolge die Bahn ab. Hier und da öffnet sich für Jane ein Türchen, aber ein Einhandsegler macht auf der Regattabahn notgedrungen Fehler, Björn genauso wie ich, und sobald ihm seiner unterläuft, sind wir ein gutes Stück weg, woraufhin ein gewisser Frust dafür sorgt, dass auch Janes Konzentration nachlässt -kann ich total nachvollziehen. Auch ohne spannende Positionskämpfe kann ich mich aber gut mit der Situation arrangieren: Dreimal jeweils eine Stunde lang voll konzentriert zu segeln, es so gut wie möglich zu machen, dabei niemandem in die Quere zu kommen und das realistische Ziel – fünftbestes Folkeboot – zu erreichen: Das kann ich voll und ganz genießen. Komplett zufrieden bin ich aber nicht.

Am zweiten Tag habe ich erstmal mit furchtbarem Verspannungskopfschmerz zu kämpfen, und irgendeine gestrige Mahlzeit ist mir auch nicht allzugut bekommen. Während die anderen Frühstücken und beim Briefing erfahren, dass die Luvtonne beim Homerace genau anders zu runden ist, als in der Regattavorschrift steht, päppele ich mich mit mit Koje und Wärmflasche einigermaßen auf. Missmutig laufe ich aus – für nachmittags gibt es auch noch eine Gewitterwarnung, ich befürchte einen unerfreulichen Tag. Björn hat jetzt Moritz an Bord. Geschlafen haben beide kaum. Der Fünfzehnjährige wacht unterwegs zum Start kurz vor Troense überhaupt erst auf, und Björn muss jetzt noch die Segel auspacken. Von einem eingespielten Team kann vorläufig sowieso noch keine Rede sein.

Der Tag wird dann aber wundervoll! Der Schädel hört auf zu Brummen, der Darm hört auf zu rumoren, die Sonne ist uns treu, der Wind perfekt. Noch besser gelingen unsere Starts. Einmal sind wir besser auf Draht als das ambitionierte GFK-Folkeboot Rosine, dafür trauen sich die dichter an die Viking ran und sind in Luv. Wir kneifen Höhe. Im nächsten Moment wendet Rosine, und wir tun das anschließend auch. und dann läuft Paula einfach, lässt Jane hinter sich, ohne dass ich mich allzusehr darum kümmere. Es fühlt sich gut an. Und vor allem: Für unsere Verhältnisse echt schnell. O DEN 55 bleibt ständig in Reichweite, und anders als gestern denke ich, dass wir nach der Verrechnung mit den Rennwerten in der Gesamtwertung durchaus vor ihr liegen könnten. Wir liegen zum Beispiel letztlich auch vor Ebbe!

Bei der ersten Wettfahrt verpassen Havfruen und das Knarr beinahe das Ziel. Mich verunsichert sowas, ich denke schon, wir müssen noch weiter kreuzen, doch dann fährt Havfruen einen Kringel, des Knarr fällt neben uns plötzlich ab und huscht gerade noch vor uns über die Linie. Bei der zweiten Wettfahrt sind wir auf der Startkreuz richtig gut und bleiben dicht am gesamten Feld. Auf dem langen Downwind saust Paula los wie entfesselt. Wir haben sie alle vor uns und in unserem Windschatten, könnten jetzt mühelos in den Pulk segeln und Plätze gutmachen. Zum vielleicht ersten Mal denke ich, mit einer kompetenten Vorschoterin wäre mehr drin gewesen.

Denn natürlich segeln wir nicht in den Pulk – ich müsste dann, umgeben von Booten und in relativer Unkenntnis der Zonenregel, die Pinne verlassen und den Ausbaumer einholen. Das geht einhand überhaupt nicht, also fahren wir dezent außenrum und reihen uns hinten ein. Alles läuft viiiiiiel besser als gestern. Beim Home Race fahren wir zwar den Holeschlag der Startkreuz zu weit aus in der Erwartung, die Tonne an Backbord lassen zu müssen, obwohl ich mir ja hätte denken können, dass wir sie bei der heutigen Windrichtung an Steuerbord lassen, aber wir lassen uns nicht abschütteln.

Im Svendborg Sund holt Jane uns kurzzeitig ein, ich orientiere mich aber eher an Havfruen und dem Knarrboot vor uns. Dabei schütteln wir Jane irgendwie wieder ab, haben die anderen beiden fast eingeholt – dann kommt die Abdeckung der Bäume. Ist egal, es war trotzdem toll, und mein Ego hat sich davon überzeugt, dass Paula und ich ein immer besseres Team sind.

Wir schaffen es sogar in die Lokalpresse: „Tysk-dansk fight“ zwischen Rosine und Paula, dazu das Versprechen: „Nächstes Jahr kehren wir in alter Stärke zurück!“

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