Paulas Törnberichte nicolas thon: fotografie -schreiben - segeln
home fotos
texte
segeln über mich kontakt & impressum



zurück zur Übersicht

"Wir sind gesegelt, wo der Fisch steht" - Das Folkebootesammeln geht weiter

Eskilsø im Lindelse Noor, kurz vor Sonnenuntergang: Paula, Pommery und Delit liegen schon seit dreieinhalb Stunden vor Anker. Martha, Salty und Oliese sind nach und nach eingetroffen, jetzt kommt auch Frieda angetuckert. Wir sind komplett: Sieben Folkeboote ankern im Päckchen.

August 2020

Diesen Rekord zu brechen, dürfte organisatorischen Aufwand bedeuten - diesmal hat es sich einfach so ergeben: Wir waren ja schon fünf Boote, als der Flottillentörn/Betriebsausflug begann. Pommery fand, sie wolle sich lieber zu uns gesellen, als allein ins Smålands Fahrwasser zu segeln. Und Delit wusste noch nichts von ihrem Glück, als sie in Korshavn anlegte. Da hatten Erik und ich ihr Programm für den Folgetag aber längst beschlossen.

Wenn Paula und Pommery sich verabreden, meinen sie nicht nur, dass wir abends im gleichen Hafen liegen werden. Sie meinen, dass wir gleichzeitig dort eintreffen, auch wenn wir aus entgegengesetzten Richtungen kommen. Erik ist in Dageløkke auf Langeland gestartet und sprach ursprünglich vom Smålandsfahrwasser. Paula und ich kommen von Sottrupskov im Als Sund, haben außer Dyvig, Hesteskoen und Lyø auch die vier Charterboote weit hinter uns gelassen und Korshavn, den kleinen Hafen auf Avernakø, in Sicht. Das Fernglas verrät zweierlei: Wir haben eine Chance auf Liegeplätze. Und: Der rote Blitz aus Eckernförde saust in voller Schräglage in die Bucht.

Pommery trifft zwei Minuten vor uns ein. Ich beobachte über die Außenmole, wie die schlagenden Segel aufstoppen und runtergehen, dann bewegt der Mast sich ein Stück vorwärts. Alles klar, freie Bahn für uns. Weiß nicht, was die Leute im Hafen denken, als kurz hintereinander zwei Folkeboote unter Segeln anlegen. Nach und nach treffen auch die Charterboote ein, nach einem Segeltag zum Genießen.

Biggi und Annia auf der Salty kennen Erik schon, von den ersten beiden Folkeboottreffen, und sie brauchen eine Weile, um zu verstehen, dass wir uns nicht wirklich hier verabredet hatten. Aber irgendwie ja auch doch. Wiebke, Ralf, Marcus und Ralf sind Freunde und haben Martha und Oli gebucht. Christian wollte das Einhandsegeln mal ausprobieren und hat sich nach meiner Wahrnehmung deutlich übernommen. Einen Trainingstag hatten die Anderen gebucht, Christian bekam nur die ganz normale Einweisung, dann ging es los - ein stressiger Start, aber hätten wir vorab ein Training gemacht, hätte ich Frieda bestimmt an die Kette gelegt, anstatt sie mit auf den Törn zu nehmen, und das wäre schade gewesen: Christian gehört unbedingt zur Gruppe, ohne ihn wäre es eine andere Reise.

Zum Glück haben wir moderaten Wind und endlich sommerliches Wetter, auch geht auf Frieda nichts zu Bruch - für stürmische Schauerböen oder Defekte hätte Christian keine Reserven. So aber besteht kein Anlass zur Sorge: Frieda taucht jeden Tag spät, aber zuverlässig am Ziel auf, und Christian sagt hinterher: "Ging nich schneller, aber es hat Spaß gemacht. Und das ist ja wohl das Wichtigste." Nach dem Segelsetzen mit mehreren Pausen schonmal die erste halbe Stunde hintenan zu sein, stört ihn nicht: So kann er sein Ding machen, anstatt uns einfach hinterherzusegeln.

Zur Nachahmung sei dieses Modell nicht empfohlen: Ihr müsst schon segeln können, bevor ihr chartert, nochzumal einhand, und mitbringen solltet ihr ausreichend geistigen oder intuitiven Zugang zu Trimm, Wind, Motor, Wetter und allem anderen, um jederzeit den Kopf freizuhaben. 

Die Woche beginnt, vom Einweisungstag abgesehen, damit, dass sich die Boote am Sonntagvormittag träge aus der Schlei schieben. Am Leuchtturm schreibe ich euphorisch "W4 N-Kurs 5 ½ kn" ins Logbuch. Dann schlagen die Segel. Lange kommen wir nicht wirklich aus dem Flautenloch zwischen Gradientwind und Seebrise heraus. Immer mal wieder hat eines der Boote eine schöne Bö, wir bleiben dicht zusammen. Der lange Schlag von Falshöft Richtung Gammel Pøl wird zum Bumerang, nach der Wende segeln wir nach Falshöft zurück. Dann endlich entwickelt sich ein stetiger Nordwest, und auf der Kreuz lässt Paula ihre Schwestern schnell hinter sich. Es bringt uns wenig, die 18h38-Brücke verpassen wir um dreißig Sekunden. Bald segeln vier Folkeboote ihre Kreise. Wir wollen nämlich den neuen Nordhafen beim Alsik (a.k.a. Steigenberger Hotel, die Liegeplätze sind gleich beim Swimmingpool) ausprobieren. 20h01 öffnet die Brücke, Paula huscht durch. Im Augenwinkel sehe ich Frieda ankommen. Christian meldet sich über Funk, ich sage: "Hallo Frieda, hier ist Paula. Du hast die Brücke verpasst."

"Noch ist sie offen."

"Gibst du denn schon Vollgas mit soooo ne Bugwelle?"

"Verstanden."

Und nach einer Minute: "Jetzt hab ich wirklich die Brücke verpasst."

Ist kein Problem: Vier Boote wollen ja auch erstmal angelegt sein. Ich schaffe es gerade noch, die Segel zu packen, dann ist Frieda auch schon da. Bei Nordwest liegen wir im Nordhafen ein bisschen unruhig, das sollte sich aber im Laufe der Nacht bessern. Christian sagt: "Ist mir egal. Ich werd schlafen wie ein Stein." Ich antworte: "Liebes Tagebuch! Heute war der anstrengendste Segeltag meines Lebens." Er lacht. Zu den Anderen sage ich: "Beim Angeln gibt es eine wesentliche Grundregel: Man muss da angeln, wo der Fisch steht. Und heute musste man dort segeln, wo der Wind ist." Marcus gibt zu: "Wir haben wohl eher gesegelt, wo der Fisch steht."

Dieses Muster wird sich durch die ganze Woche ziehen: Martha und Salty segeln recht konstant. Welche gerade den besseren Tag hat, bleibt lange in meiner Sichtweite. Auf Oliese wird sich um Trimm und ähnliche Dinge nicht gekümmert, Marcus und Dirk sind gut zufrieden mit ihrem vierten Platz. Frieda kommt dann später, in dem beruhigendem Gefühl, dass beim Anlegen helfende Hände bereitstehen. Segeln wo der Fisch steht - das wäre für mich ein Problem, wenn die alle ständig nicht klarkämen, ich bei der Törnplanung Rücksicht nehmen und immer wieder sorgenvollen Blickes zurücksegeln müsste. Aber läuft schon.

Für den Montag ist erneut wenig Wind zu erwarten. Außer Stadtbummel und Einkaufen nehmen wir uns nicht viel vor. Ich finde allerdings, wir müssen raus aus der Stadt und stattdessen ins Grüne - wo ginge das besser, als in Sottrupskov? Wir kreuzen bummelig vier Meilen Als Fjord auf, großer Spaß ohne Ermüdungserscheinungen. Ist übrigens gar nicht so wenig Wind, das Anlegen (Paula, Salty und Frieda unter Segeln, teilweise aus technischen Gründen) ist durchaus anspruchsvoll, und wir hätten auch schön noch weitersegeln können, aber wohin? Dyvig/Mjels Vig ist garantiert voll, Augustenborg die falsche Richtung im Hinblick auf den Folgetag, Haderslev Fjord zu weit, Genner Bugt schon wieder fünfzehn Meilen Kreuz, und Aabenraa ist jetzt nicht wirklich sooo sehenswert.

Wir liegen also beim Nachbau des Nydambootes, dessen Original in Schleswig im Museum steht, und abends gesellt sich noch das kleine Winkigerboot aus Haithabu dazu. Es wäre ein traumhaftes Foto: Fünf Folkeboote und zwei Winkingerboote in der Abendsonne, umgeben von grüner und blauer Natur. Leider platziert sich vor der Fotosafari eine Hanse mitten ins Bild. Dem Skipper sei verziehen, er darf ja hier anlegen und ist auch sehr sympathisch - aber es lässt sich nicht leugnen, dass er absolut einmalige Aufnahmen ruiniert.

Wir haben jetzt aber auch besseres zu tun, denn Biggi und Annia haben eine Miesmuschelkolonie entdeckt, die Christian aus dem flachen Wasser emportaucht, während Dirk und Wiebke sich schon der improvisierten Gemüsebrühe widmen. Als der luxuriöse Snack schon auf den Tellern dampft, werden die harten Fakten gegoogelt: Miesmuscheln dürfen an der Nordsee für den Eigenbedarf gesammelt werden, an der Ostsee ist es streng verboten. In der Laichzeit (jetzt) schmeckt das Fleisch nicht besonders. Und in warmen Sommern können sich giftige Algen bilden. Fazit: Den Geschmack habe ich schon kräftiger erlebt, aber es ist ein Genuss. Und wir überleben. War ja auch bisher eher herbstlich, der Sommer beginnt genau jetzt. Über Sottrupskov ist noch zu sagen: Das Dixiklo ist weg, der Kasten fürs Hafengeld auch - dies hier ist wirklich Ankern am Steg.

Dienstag. Oh, ach, was machen wir nur? Geplant habe ich den Haderslev Fjord. Vielleicht bei Westwind nicht ganz bis in die Stadt kreuzen, der arme Christian, aber entweder Stagodde gleich am Eingang oder einer der schönen Ankerplätze. Nur zeichnet sich ja ab, dass wir Donnerstag und Freitag Südost haben, also am besten über Marstal zurücksegeln, und der Mittwoch ist mir absolut nicht geheuer: West 4-5 Böen 6, diese Prognose hatten wir oft genug in letzter Zeit, und immer war es schließlich eine Windstärke mehr und somit ruppig und kein echtes Vergnügen. Dafür einen 35-Meilen-Schlag einzuplanen, finde ich gewagt und denke eher an einen Hafentag. Und das bedeutet: Heute gleich rüber in die Südsee. Also nach Korshavn. Ein Gefühl (oder ist es Paula?) sagt mir, dass wir da freie Plätze finden. Ist ja keine Selbstverständlichkeit in diesen Tagen.

Zuerst treiben wir, dann kreuzen wir. Als wir Salty überholen, sagt Annia: "Und jetzt erklär mal." Was mir auffällt: Die Fock hängt zu hoch (das geht nur bei meinen Booten), und Salty läuft zuviel Höhe. Das geht nicht ohne Geschwindigkeitsverlust. Ich kann ja jetzt nicht zugeben, dass Salty schlicht keine Rennziege ist. Frieda fährt das Groß zu offen und die Fock zu dicht, das Groß fällt am Vorliek ein, aber Christian korrigiert den Fehler. An diesem Tag hält Martha am besten mit Paula mit. Die Staffelung, die sich ergibt, ist gar nicht schlecht: Ein Boot legt in Ruhe an, das nächste kommt in Sicht. Schließlich wimmelt es im kleinen Hafen von Folkebooten.

Am nächsten Abend wimmelt es noch mehr: Das benachbarte Motorboot legt ab. Christian und Erik paddeln Frieda in die freigewordene Box. Endlich liegen wir alle nebeneinander. Da wäre ja Platz für noch ein Folkeboot - und F GER 26 kommt ja auch schon angesegelt. Das sind also Delit und Jan-Hinnerk. Er ist dieser Streber, der während des Lockdowns bei Michaels "Trockensegelei"-Bilderrätselreihe fehlerlos den ersten Platz gemacht hat. Er wirkt aber gar nicht so streberhaft. Eher sympathisch. Das finden auch die Charterer, die gerade unseren Grillabend vorbereiten: Er ist eingeladen. Leider verkriecht er sich gerade an Bord von Delit, um weitere Kartoffeln zu kochen, als das Lamm und die anderen guten Speisen fertig sind. Als er mit seinen Kartoffeln ankommt, sind die besten Sachen alle.

Zeitgleich bildet sich eine weitere Gruppe deutscher Segler, von der ich denke, sie sei hier verabredet, bis sich herausstellt, dass sie sich genauso zufällig getroffen haben wie so manche hier. Auf zwei E-Scootern schleppen Halbwüchsige und Grauhaarige in Affentempo Brennholz heran, dann haben wir ein Lagerfeuer mit Klampfenmusik und Superstimmung. Die besten Dinge kann man nicht planen, und es werden keine Einladungen verschickt, sie ergeben sich einfach. Wir sind ja schließlich in Korshavn.

Nun möchten Biggi und Annia ankern. Erik und ich und die zugehörigen sechs Boote möchten ins Lindelse Noor - im Frühjahr hat es meinen da gut gefallen, Frieda war nicht mit und will nun auch. Also gibt es einen Plan. Dem sich Delit und Jan-Hinnerk anschließen müssen. So ist wohl Eriks Formulierung.

Zu erwarten ist Südost drei, letztlich wird es im Schnitt eine Spur weniger. Wir machen das übliche morgendliche Briefing: Ostkurs nach Skarø, durch Højestene Løb, dann das Mørkedyb aufkreuzen. Am besten und sichersten bei fünf Metern Wassertiefe wenden. Südlich an Strynø vorbei, "und dann kommt der interessante Teil": Zu den Steinen und Untiefen im Lindelse Noor gebe ich den Gästen eine Reihe von Kursen, Koordinaten und Wegpunkten mit auf den Weg. Und dann mal los! 

Die Charterboote überholen wir bei Skarø. Pommery und vor allem Delit sind mit Vorsprung gestartet, und ich muss zugeben, dass sie ihn bis hierhin ausgebaut haben. Ausgangs des Fahrwassers luven wir an. Wenn man zurückliegt, muss man etwas anders machen als die Vorausfahrenden. Ich versuche also gar nicht erst, Pommerys Höhe mitzulaufen, sondern wähle einen Kurs, auf dem Paula sich wohlfühlt. Delit wendet. Pommery wendet. Paula fährt stoisch geradeaus Richtung Aerøskøbing. Die Brise ist hier ausnahmsweise schön stetig, und auf dem ausgedehnten Flach vor uns läuft keine Gegenströmung. Ergebnis: Vor Birkholm treffen sich die drei Boote auf engem Raum.

Wir segeln jetzt nicht einfach jeder für sich ins Lindelse Noor. Wir segeln Regatta. Ich knipse ein paar Fotos, das kostet Zeit, aber dann konzentriere ich mich aufs Segeln. Wenig Wind, schwache Strömung gegenan, mehr als dreieinhalb Knoten sind selten drin. Wenden auf fünf Metern? Delit und Pommery fahren die Schläge aus, bis es nicht weiter geht. Das können wir auch. Es ist erstaunlich wenig Verkehr, wo sind die bloß alle?, aber mir soll es Recht sein, wir haben die enge Rinne fast für uns.

Delit haben wir bald im Sack, sie läuft trotz krachneuer Segel nicht die gleiche Höhe. Wir sind ein bisschen schneller als Pommery. Aber Erik weiß, wie er es schafft, in Luv zu bleiben. Irgendwann ist die Situation so, dass wir auf Steuerbordbug fünf Bootslängen voraus sind und eine in Lee. Nach Regattaregeln wäre es so: Wenn das Vorsegel auf dem neuen Bug steht, gilt die Wende als vollzogen, und wir haben Vorfahrt. Habe ich schon gelesen und halb begriffen, Erik erklärt es mir später erneut - aber wir haben ja nichts dergleichen vereinbart. Nach KVR sehe ich es so, dass wir Pommery nicht einfach vor den Bug wenden dürfen. Unter normalen Umständen würde ich mit Handzeichen unsere Wende ankündigen. Aber normal ist das hier ja auch wieder nicht. Also wenden wir und liegen bei, um Pommery vorbeizulassen.

Erik hat die Wende erwartet und auch erwartet, dass Pommery dann einfach hinter uns durchgeht, direkt danach ebenfalls wendet und in Luv bleibt. An der ist eben einfach nicht vorbeizukommen. Aber unser Beiliegen führt dazu, dass Pommery früher wendet. Wir sind vorbei. War so nicht geplant, ich wollte ja nur Rücksicht nehmen, aber es ist ein kleiner Moment in einer Fülle kleiner Momente eines grandiosen Segeltages. Ich hatte noch nie so viel Spaß bei spärlichen drei Knoten! Ich sage: "Aber sonst ist n ganz schöner Segeltag." Erik antwortet: "Total geil."

Beim Einlaufen ins Lindelse Noor - rechts und links Steine, man muss sich konzentrieren und genau treffen - läuft auf Pommery Speed King von Deep Purple. Der rote Blitz nimmt Fahrt auf und rauscht vorbei. Ich wollte mich eigentlich auf die Navigation konzentrieren, nebenbei den Anker klarieren und es ansonsten ganz in Ruhe angehen. Doch plötzlich ist Wind aufgekommen, den ich jetzt nicht mehr unbedingt gebraucht hätte. Wir sind mit drei Knoten hergesegelt, jetzt segeln wir mit sechs Knoten rein ins Untiefenparadies.

Irgendwie ist Pommery also als erste drin, danach wir und schließlich Delit. In dieser Reihenfolge umkurven wir die Untiefen und nähern uns Eskilsø. Erik birgt die Segel und wirft den Anker raus. Wir liegen bei. Wir haben es jetzt nicht eilig, der soll mal erstmal alles fertigmachen, bevor wir ins Päckchen gehen. Auf einmal kommt uns Jan-Hinnerk fast ins Gehege, dann geht er längsseits. Das machen wir daraufhin auch. Ist ein hübsches Dreierpäckchen. Nur dass der Anker nicht hält: Er rutscht mit fünf Metern Leine übers Seegras. Erik war sowieso der Meinung, zu früh geankert zu haben, also zu weit weg von der Insel.

Jan-Hinnerk und ich starten die Außenborder. Eriks Reparaturversuch an Pommerys Schmuckstück ist gerade gestern gescheitert. Mit einem knappen Knoten tuckert der Dreimast-Trimaran auf Eskilsø zu, bis der Abstand paddelbar erscheint und die Wassertiefe zwei Meter unterschreitet. Erik hat den Anker gesäubert und lässt ihn erneut fallen. Jan-Hinnerk und ich eilen nach vorne und werfen unsere daneben. Ich treffe ein großes Stück unverkrauteten Schlicks. Was Jan-Hinnerk trifft, weiß ich nicht, aber Delits Fünfkiloanker wirkt eher symbolischer Natur. Den würde ich höchstens für unser Schlauchboot verwenden. Ist egal, zwei gut eingegrabene Anker sollten erstmal reichen, mit den weiteren Booten kommen zusätzliche ins Spiel.

Das entpuppt sich als nicht so einfach: Salty, Martha und Oli sind eingetroffen - erstaunlicherweise all meinen Hinweisen zum Trotz auf ziemlich direktem Weg, der sie direkt über Untiefen und Steine hätte führen müssen, aber das klappte zumindest beim heutigen Wasserstand ohne Grundberühung - und ins Päckchen gegangen. Erik und ich ziehen an Pommerys und Paulas Ankerleine die Folkeboot-Insel vor, bis die Büge über den Ankern liegen. Annia und Marcus lassen ihre Anker fallen. Das Päckchen treibt zurück. Ich versuche Marcus zu erklären, was er später (nämlich wenn Paulas und Pommerys Ankerleinen wieder steif gekommen sind) tun soll: An der Leine die Kette auseinanderziehen und mit einem kräftigen Ruck den Anker eingraben. Er zieht jetzt schon an der Leine und hält sie fest. Olis Anker schlurt über den Grund, sammelt fleißig Seegras und - ich bin nicht überrascht - gräbt sich nicht ein. Marcus darf ihn wieder aufholen und einpacken: "War nur ne Übung. Drei Anker reichen." Der Wind schläft langsam ein, das Päckchen liegt ruhig und sicher.

Paula, Pommery und Delit haben sechs Stunden für zwanzig Seemeilen gebraucht. Ist ja schon nicht besonders schnell. Frieda trifft nach fast zehn Stunden ein - das finde ich wirklich eine harte Nummer. Sie ist ein Profi und trägt das mit Fassung - aber wie muss sich Christian fühlen angesichts dieses seglerischen Debakels? Er ist müde, aber guten Mutes, und freut sich über die Portion Nudeln mit Sauce, die auf Salty für ihn bereitsteht. Leider muss er über sechs Boote taumeln, um die Einladung wahrzunehmen. Und dann halte ich ihm im Licht der Taschenlampe auch schon die Seekarte vor die Nase, um ihm die Strecke der Rücktour zu erklären. Auslaufen um sieben. Eigentlich wollte er ja nur Urlaub machen....

Irgendwann zwischendurch rudern Erik und ich mit unseren Schlauchbooten nach Eskilsø. Fazit: Klein, grasbewachsen und unspektakulär. Jedoch mit schönem Blick auf unsere selbstgebaute Insel, und im Osten tut sich noch ein ganzes Stück des Lindelse Noor auf, das ich jetzt zum ersten Mal sehe. Ich fasse einen Plan: An einem flautigen Tag kann man hier von Ankerplatz zu Ankerplatz segeln und dabei gefahrlos die beinahe unbegrenzten Möglichkeiten ausloten, die diese traumhafte Bucht bietet. Nach dreizehn Jahren wird die dänische Südsee keineswegs langweilig - der Spaß fängt gerade erst richtig an!



weiter: Vier Wochen