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Vier Wochen

Vier Wochen segeln. Wohin? Ist mir ein bisschen gleichgültig, aber falls es wen interessiert: Die Reise beginnt und endet in Arnis. Zwischendurch sind wir dreimal dort, dreimal im Gamle Havn auf Drejø, zweimal in Marstal, dreimal in Gelting und fünfmal in Schleimünde. Dazu gibt's je einmal Svendborg, Søby, Falsled, Mjels Vig und Lyø. Es sind vier Wochen, in denen der Sommer in doppelter Hinsicht endet: Die Hochdrucklage weicht den atlantischen Tiefs, der stetige Ostwind Gepuste im Wechsel mit Schwachwindtagen, die ewige Sonne stundenlangem Regen, die fast schon übertriebene Wärme kühlen Abenden und kalten Nächten. Die werden jetzt auch merklich länger, um acht Uhr wird es Zeit für einen Hafen. Gleichzeitig sind die Ferien vorbei, kaum noch Boote auf dem Wasser, statt voller Häfen hat man ganze Stege für sich allein.

August 2020

Für die vielen Schleimündes gibt es - abgesehen davon, dass es nett dort ist, man immer jemanden trifft und die Giftbude wieder ein empfehlenswertes Lokal ist - zwei wesentliche Gründe: Fast immer ist am ersten Tag, an dem wir loskönnen, wenig Wind. Und fast immer ist am Freitag, an dem wir zwingend zurückmüssen, Gepuste und Schietwetter. Gelting anzulaufen, hat ebenfalls meistens strategische Gründe: Bei Südwest ist es dort viel besser geschützt als zum Beispiel Sønderborg oder Hørup Hav oder auch der Präsentierteller Wackerballig, die Reststrecke ist erheblich kürzer und lässt sich auch bei schwachem oder im Tagesverlauf auffrischendem Wind bequem bewältigen. Schön - in dem Sinne, wie Schleimünde schön ist - finde ich es dort ganz und gar überhaupt nicht. Dennoch gibt es einen weiteren Grund für einen Besuch...

Seemeilen

Wir segeln zu Beginn unsere 800. Seemeile der Saison. Wenn ich richtig gezirkelt und gerechnet habe, zählen wir Meile 900 auf dem Weg von Kappeln zurück nach Arnis. Die tausendste Meile machen wir beim Kreuzen auf Liegeplatzsuche in der Marina von Marstal voll. Trotz längst nicht mehr so günstiger Bedingungen segeln wir die 1100. Meile dann in der Folgewoche. Und so weiter, schließlich sind es 1250 und erst Anfang September. Trotz Corona, ohne weite Sommerreise und trotz spätem Saisonstart, ist es in dieser Hinsicht ein normales Segeljahr.

Was ist eigentlich eine Seemeile? Ich meine nicht die 1852 Meter. Ich meine: Was ist sie wert? Für den SKS muss man 200 Meilen nachweisen - was hat man erlebt, genossen oder gar gelernt, während man 200 Meilen geradeaus segelt, dabei stundenweise ans Ruder geht und den vom Navigator vorgegebenen Kurs steuert? Wir wollen sagen: Kommt darauf an. Wir sind die meisten Meilen wirklich gesegelt und nur sporadisch motort. Und die allermeisten der gesegelten Meilen haben wir zutiefst genossen. Vor allem die, wo es nicht geradeaus ging, sondern auf der Kreuz in engem Fahrwasser, querfeldein durch unbetonntes Terrain, zu neuen, von gefährlichen Steinen umgebenen Inseln. Die größte Genugtuung dabei ist oft die letzte Kabellänge: In den Hafen segeln, Aufschießer fahren, Paula anbinden. Oder: Mit anderen Folkebooten gemeinsam unterwegs sein, dabei schneller segeln oder jedenfalls mithalten. Oder: Experimente wagen, die den anderen nicht in den Sinn kämen, ohne sie bei ihren Motororgien zu behindern. Für alles eine seglerische Lösung zu finden. Zu merken, dass ich das, was ich am liebsten tue, inzwischen auch wirklich gut kann. Und es weiterhin zu genießen, dass es - trotz Erfahrung, trotz Revierkenntnis, trotz Vorsicht - immer wieder Überraschungen gibt. Die Zeiten, als mir vorm Anlegen graute oder ich mir über das Ablegen lange den Kopf zerbrach, sind großer Vorfreude gerade auf diese Manöver gewichen.

Es klappt nicht immer so, wie ich es am liebsten hätte. Letzter Tag der zweiten Woche, Schleimünde am späten Vormittag: Der meiste Regen ist durch, der Wind will nicht nachlassen, worauf sollen wir warten für den Home Run? Mit Hilfe der Nachbarn dreht Paula in ihrer Ecke und treibt vorwärts heraus. Ich trödele einen Moment, ziehe die Fock hoch, Paula segelt Richtung Hafenausfahrt. Hätte klappen können. Aber Höhe laufen mit der Fock ist ja ein echtes Problem, und dann ist es auch noch so, dass das Wasser gegen den heftigen Südost aus der Schlei läuft, womit ich nicht gerechnet (und es auch nicht überprüft) habe, und das bedeutet einen Neerstrom in den Hafen, der uns nach Lee versetzt. Langer Rede kurzer Sinn: So kommen wir nicht raus. Also Plan B: Ein behäbiger Kringel mit der Fock, dann legen wir uns an der Westmole längsseits an die Pfähle. Sicher und ruhig. Fock runter, Motor schweren Herzens dann doch an, los geht die wilde Fahrt. Oder ist es nicht einfach so, dass Paula findet, ich solle immer mal wieder schwierige Motormanöver üben? In Schleimünde haben bestimmt alle gedacht, wir hätten ein gravierendes Problem. Haben wir aber nicht: Boot in eine sichere Lage bringen, Motor starten und weiterfahren, was soll sein? Unangenehmer ist es, als Paula in Svendborg nicht vom Schwimmsteg wegtreiben kann, weil sich die Großschot verhakt hat und das Segel laufend Vortrieb erzeugt. Am Ende kommen wir frei, hinterlassen aber ein bisschen Lack - und ich habe etwas gelernt, weiß jetzt, dass Plan B mit der Halse der bessere gewesen wäre.



Vor uns liegt der Gamle Havn. Das Fernglas verrät: Zwei Masten und wenige Motorboote im Hafen, also ist reichlich Platz. Wenn man davon überhaupt sprechen kann - im Gamle Havn braucht man definitiv keinen Motor. Wo sollte man da groß hinmotoren? Das Becken ist so winzig, dass man, kaum hätte man den Gang eingelegt, vorne schon irgendwo gegenkäme. Dafür kann man jederzeit dem hilfsbereiten Nachbarn eine Leine anreichen oder sich zum nächsten Pfahl stupsen. Was definitiv nicht geht, ist eine Wende. Reinsegeln, um erstmal zu gucken? Man muss auf jeden Fall an irgendetwas anlegen und von Hand das Boot drehen, wenn man lieber wieder abhaut. Eine Sache ist aber garantiert: Solange es nicht mit 6-7 aus westlicher Richtung pustet, ist genug Wasser unterm Kiel eines Folkebootes. Auch in der Rinne, aber nicht mehr neben ihr.

Die Rinne ist lang. Zu lang, um behäbig mit der Fock zu segeln, finde ich - und begehe nicht zum ersten Mal den Fehler, bei mehr oder weniger Halbwind das Groß oben zu lassen. Das wird ein langer Aufschießer. Genau genommen wird Paula trotz schlagenden Segels überhaupt keine Fahrt los. Drei Knoten, drei Knoten, immer noch drei Knoten - das ist sportlich in dem winzigen Hafen. Ich fahre einen Schlenker nach Steuerbord und dann einen deutlichen Aufschießer, soweit es das schmale Fahrwasser hergibt - Paula wird langsamer. Und dann noch etwas langsamer. In der Abdeckung des Hafens ist kein Wind mehr, der uns weiter abbremsen könnte. Die Restfahrt muss jetzt also die Vorleine rausnehmen. Es stimmt schon: Man muss den Hafen kennen und wissen, was man tut, um das so fahren zu können. "Büschn sportlich, Paula" finde ich jetzt unseren Knoten Restfahrt, "triffste?" Ja, sie trifft den Pfahl. Ich gehe nach vorne, Schlaufe drüber, Paula steht. Groß runter, den Rest wriggen wir. Und hatten auf der letzten halben Meile allemal mehr Spaß, Nervenkitzel, Bedarf an voller Konzentration und der Möglichkeit, Geschicklichkeit unter Beweis zu stellen, als auf dem ganzen weiten Weg vom Leuchtturm Schleimünde hierher.


Naturphänomene

Zurück in Arnis: Die Charterer sind abgereist, die Nachfolger bereits an Bord. Das Wetter klart auf, die Sonne kommt raus, hier und da ist noch ein Wölkchen. Ein Quellwölkchen. Ein ganzes Band davon. Und da noch ein zweites. Soll ich nach drei Wochen doch mal wieder die Kuchenbude aufbauen? Erik meldet sich per SMS auf dem Weg nach Schleimünde. Erkundigt sich nach den Gewittern. Um Pommery herum werden Segel geborgen und Diesel gestartet. 3 kn, anderthalb Meilen zum Leuchtturm. Ein Donner. Dann ein Blitz. Paula findet, ich sollte wirklich die Kuchenbude aufbauen. Pommery ist im Hafen und genießt das aufziehende Spektakel. In Arnis bleibt es für diesen Abend trocken - und ich habe gelernt, dass es hochinteressant ist, die gleiche Wolke aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten und sich darüber auszutauschen.



Von Lyø Richtung Marstal: Wir treiben zunächst eher, als dass wir segeln. Die Fock ist ausgebaumt, das Groß schön weit auf, jetzt fehlt nur noch die Brise. Da drüben: Gekräusel! Wind! Endlich geht es voran. Oder? Ich spüre die Brise im Gesicht. Die Fock fällt ein, das Groß schlägt, Paula bleibt stehen. Die Windex zeigt beharrlich nach achtern. Gibsdochnicht! Ich brauche eine Weile, um zu begreifen: Eine Spinne hat über Nacht den Verklicker gründlich eingewoben. Der spärliche Wind reicht nicht, um ihn zu entheddern. Später wird sich herausstellen: Das dusselige Viech scheint sich da oben häuslich eingerichtet zu haben. Und ich tue mich schwer, das in meinen Kopf zu kriegen. Vom Leuchtturm Nordborg auf dem Weg in die Dyvig fallen wir 120 Grad ab, der Wind dreht ständig mit. Komisch, bei jeder Kursänderung eine Winddrehung. Was mich stört ist, dass die ausgebaumte Fock einfällt. Dann kommt die Patenthalse. Zum Glück auch die Bö, die das Netz zerreißt - bei Nordost im Blindflug in die Dyvig zu kreuzen, hätte wohl weniger Spaß gemacht. Bei Südwest aus der Dyvig rauszukreuzen, ist dann auch erst cool, als ich nach drei Minuten gegenanwriggen kapiere, dass die Spinne auch diesmal wieder überaus fleißig war. Es gibt Schlimmeres: Marthas erste Havarie im Frühjahr war mit einem Schwan, dessen Flügel die Windex schrottete, zwei Tage nach dem Maststellen und bevor ein einziges Mal Segel gesetzt wurden.

Schleimünde, acht Uhr dreißig: Wolkenloser Himmel, Ostsüdost 4-5, wir legen ab. Ich setze die Segel, Paula saust aus dem Hafen. Schoten dicht, ein Schlag vom Dampferanleger zur Südmole. Eine einzige Wende, Kurs Leuchtturm, die Strömung schiebt uns raus. Paula geht so sanft durch die erhebliche Welle, dass ich nicht einmal nass werde. Beinahe vermasselt uns "Büchse" oder "Kiste" oder so ähnlich das Auslaufen. Ihr ahnt es schon: Das ist so eine kleine, bauchige Büchse mit unglaublich viel Platz unter Deck, was auf Kosten der Eleganz geht und zum Krabbeln zwingt, weil der Konstrukteur das Laufdeck vergessen hat. Außerdem mit Segeln und Außenborder dran, kommt aber mit keinem Antrieb so richtig aus dem Quark. Diese hier heißt sogar entsprechend, das zeugt von gesunder Selbstironie der Eigner. Ob ich mit dem Ding hier überhaupt rausgefahren wäre, weiß ich nicht so recht. Aber wie sie es machen, ist falsch: Die Segel sind unten, der kleine Motor müht sich heulend, jaulend und immer wieder auftauchend damit ab, "Büchse" frontal die Wellen hochzuschieben. Das Boot rappelt, Wasser spritzt von allen Seiten, die Crew wird durchgeschüttelt und nassgespritzt und muss um ihr Leben, oder wenigstens die Bandscheiben, fürchten. Es geht so quälend voran, dass wir beinahe zu einem extra Holeschlag gezwungen werden. "Segel! Ihr braucht Segel!", denke ich.

Südlich von Strynø: Paula stampft in einer kabbeligen Welle, die so gar nichts mit dem Brischen in den Segeln zu tun hat. Wir wenden, passieren die Insel. Immer noch Gestampfe. Ein Holeschlag bringt uns zumindest vorübergehend in einen Nordost fünf. Dann ist wieder Gestampfe. Aber wir sind jetzt in der Strömung, und die läuft mit. Gelegentliche Böen bringen uns gut voran. Trotzdem: Mir kommt das alles höchst merkwürdig vor. Nördlich der Brücke sind es plötzlich acht Knoten über Grund. Satter mitlaufender Strom, sechs Windstärken schräg von vorne - solche Bedingungen gibt es regelmäßiger auf der Nordsee. Die Entgegenkommer schlingern und taumeln mit ihren Vorsegelchen und bleiben fast stehen. Zuerst finde ich das ganz lustig, aber dann denke ich: "Was für ein Gekabbel." Und dann: "Was für ein Ge-kab-be-l-l-l!!!!" Die Welle kommt gleichzeitig aus Luv und Lee, es spritzt und gurgelt, unmöglich das Ganze auszusteuern. Abfallen geht auch nicht, wir sind ja im Fahrwasser, und als wir es verlassen, müssen wir den Nordkurs in etwa halten, irgendwo kommt ja ein Ufer. Paula kracht ein paarmal im freien Fall ins Wellental, Wasser von allen Seiten. Sie findet, dass über Fünfzigjährige sowas nicht mehr haben müssen. Da habe ich ja noch ein paar Wochen Zeit - aber geheuer ist mir die wilde See auch nicht. "Ich wusste ja nicht, was hier los ist", entschuldige ich mich. Irgendwann müssen wir doch aus der verdammten Strömung raus sein. Endlich: Nur noch fünfeinhalb Knoten, dafür aber ohne steile Kreuzsee. Das fühlt sich deutlich besser an.


Begegnungen

Erik hat Recht: Schade. Ich hatte mal suggeriert, dass wir uns Sonntag in Schleimünde treffen oder gemeinsam zum Besuch bei Familie Lovis segeln könnten. Da sah dir Prognose für die Woche aber noch aus nach zuerst Flaute, dann Regen, dann Sturm. Inzwischen liest sie sich phantastisch, also müssen Paula und ich nach Dänemark. Erik kann nicht, er soll Dienstag wieder arbeiten. Wir treffen uns also nur kurz, um gemeinsam aus der Schlei zu kreuzen, dann verabschieden wir uns. Dafür begegnet Pommery mit der Segelnummer 37 der Nummer 38 und später auch der 36 - passiert auch nicht jedes Wochenende. Wir winken uns draußen vorm Leuchtturm nochmal zu, und Erik verrät, dass Saga am Donnerstag um fünfzehn Uhr in Gelting Krantermin hat.

Endlich einmal haben wir weder Charterboote im Schlepp, noch sind wir mit Freunden zum gemeinsamen Segeln verabredet. Paula und ich machen unser Ding - ob wir das überhaupt noch können? Es hält sich ganz gut die Waage, indem wir immer mal wieder Gesellschaft bekommen. Das beginnt an einem flautigen Sonntagnachmittag, an dem es nur bis Schleimünde reicht - für uns wie für Liegeplatznachbarin Heidi. Am Montag versuche ich die auch zum Gamle Havn zu lotsen, doch Ralf hat seine Söhne dabei, die den Geburtstagskuchen gleich wieder ausspucken. Als es den Jungs hinter Skjoldnæs erneut schlechter geht, flüchtet sich Heidi nach Søby. Auf Drejø liegt stattdessen Folkeboot Bel-Ami. Ein überaus nettes Paar an Bord, mühelos freunden wir uns an.

Hoch am Wind auf dem Weg zur grünen Tonne Skarø Rev begegnen wir Pippi Lotta. Der Dreimaster segelt gemächlich nur mit der Breitfock. Und unser Kurs passt genau so hin, dass wir fünf Meter hinter ihrem Heck durchgehen, sehr zur Freude von Skipper Hartwig und seinen staunenden Gästen. Winke-winke, Daumen hoch, dann sind wir vorbei.

Dann also nach Gelting: Saga ist das Folkeboot, das vor drei Jahren in der Flensburger Förde den Ballast verloren hat und gekentert ist. Getrieben von der fixen Idee, Saga, die er von seinem Vater übernommen hat und die zweifellos zur Familie gehört, solle wieder segeln, hat Eigner Vincent so ziemlich alles neu gemacht seitdem - mit unerprobten Methoden, die jeder erfahrene Bootsbauer als tickende Zeitbombe betrachtet, machte er Saga wieder schwimmfähig. Um drei kreuzt auch Pommery endlich in die Bucht. Saga wird gerade gekrant. Ich merke: Vincent und ich sind derzeit unkompatibel. Mein Leben dreht sich überwiegend um Paula. Für ihn gibt es verständlicherweise nur Saga. Er hätte trotzdem sagen können "Schön, dass ihr gekommen seid" oder mich wenigstens grüßen, doch ich sehe ein, dass er den Kopf mit anderen Dingen voll hat. Das kleine Grüppchen, das der Zeremonie beiwohnt, freut ihn hoffentlich trotzdem doller als die Anteilnahme auf Facebook. Und ja: Saga schwimmt! Wenn man weiß, dass die Landungen mit Epoxi vergossen sind und das Unterwasserschiff von außen damit überzogen ist, kann das nicht wirklich überraschen. Aber für ein Eigner, der am letzten Segeltag mit ihr gekentert ist, handelt es sich unbedingt um einen hochemotionalen, zutiefst bewegenden Moment. Pommerys roter Rumpf ist inzwischen gut zu erkennen. Dem Hafenmeister kann Vincent noch so lange erzählen, er krane hier ein besonderes Boot - der Mann ist ein Profi, der Kranvorgang Routine. Für mich auch, ich habe genug gesehen. Vor allem habe ich zwischendurch gesehen, dass Freitag - wir müssen zurück - ruppiger Südost und Gewitter vorhergesagt sind, heute Nachmittag hingegen ein hilfreicher Südwest. Als Sagas Mast steht, laufen Paula und ich wieder aus. Pommery treffen wir vorm Hafen Wackerballig, ich rufe unsere Pläne rüber. Erik findet das, genau wie ich, "schade", aber es ist nunmal so und wird sich spätestens Freitagmorgen als kluge Entscheidung herausstellen. Die sechs Meilen von Schleimünde nach Arnis bei Regen und böigem Gepuste sind schrecklich.



Im üblichen Flautenloch südlich von Skjoldnæs begegnen wir einer größeren Bavaria mit nackter Crew und stehender Peilung. KVR statt FKK: Bei Annäherung plünnt sich die Familie erstmal an, als sei es ihr sonst peinlich. Wir sind Kurshalter, gehen auch knapp vor der Bavaria durch, doch ich gebe zu bedenken: "Wir bleiben gleich stehen." Der Rudergänger knöpft sich noch schnell das Hemd zu und sagt: "Ist ja auch wirklich wenig Wind." Nein nein, mein Problem ist der Windschatten seiner Segel. Kleiner Schlenker der Bavaria, dann ist alles gut, und die Crew darf sich wieder ausziehen.

Auf dem Weg von Gelting nach Marstal segeln wir ab Kalkgrund dreiundzwanzig Meilen auf Ostkurs bei Südwind. Kurz vor Vejsnæs Nakke begegnet uns eine deutsche Charteryacht auf Nordwestkurs. Als Paula schon dicht vor deren Bug verschwindet, beginnt einer wild zu gestikulieren. Ich frage: "Ihr scheint die Ausweichregeln nicht zu kennen, oder warum guckt ihr so?" Jemand ruft, weiterhin empört guckend: "Ey! Du bist aufweichspflichtig". Kinder, das müsst ihr unbedingt nochmal nachlesen, sonst seid ihr extrem nervig! Ich bin sogar ein bisschen verunsichert - als Martha in Marstal eintrifft, schildere ich die Situation. Thorsten, erfahrener Regattasegler, bestätigt zu meiner Erleichterung, dass wir die ganze Zeit den Wind eindeutig von Steuerbord hatten. "Sechs junge Leute, keiner zweifelt", bemängele ich. Sabine lacht. "Das kommt davon, dass wir unsere Kinder zu selbstbewussten Menschen erziehen." Ich denke, wir sind uns einig, Sabine und ich: Selbstbewusst müssen und sollen die Kinder unbedingt sein. Aber nicht dumm.

Nach den nervigen Kids läuft das nächste Segelboot in Sichtweite unter Motor. Ich bekomme schon wieder schlechte Laune, wenn ich das alles sehe: Nicht-Segler. Möchtegern-Segler, die keine Ahnung haben, entweder von den Regeln oder vom Trimm oder von beidem. Aber ach, in Wirklichkeit geht mich das ja nichts an, das müssen die alle selbst entscheiden. Für mich ist nur relevant, warum mich das immer so furchtbar aufregt. Und das spielt sich weder im Wasser ab noch im Internet, sondern nur in meinem Kopf. Oder?

Ankern auf Legerwall ist einer der neuen Volkssportarten - offenbar nur auf der Basis, dass ein Symbol in der Seekarte einen guten Ankerplatz ausweist und die Wassertiefe erlaubt, dass der Anker den Grund erreicht, ansonsten aber gegen jede in tausenden Jahren Seefahrt etablierter Vernunft. Das können die ja machen, es beeinträchtigt mich nicht. Aber es gibt eine zweite neue Disziplin: Unter Motor überholen, bis wir im genau in Lee sind, dann eilig ein Segel setzen, den Motor ausmachen und nicht aus dem Quark kommen. In der Abdeckung oder bei leichtem Wind ist das extrem ärgerlich, indem es uns jegliche Fahrt nimmt - und wenn das dreimal in drei Tagen vorkommt, frage ich mich durchaus, ob die anderen Segler kollektiv den Verstand verloren haben. Aus dem Funkgerät höre ich eine vertraute Stimme: "Das Schiff, das Radio Bremen gerufen hat, hier ist Bremen Rescue." Der Gesprächspartner ist nicht in unserer Reichweite, aber ich vermute, er hat durchaus Radio Bremen gemeint für seinen Musikwunsch: Den beliebten Song "Radio Check". Äh, von wem ist der eigentlich?


Höhepunkte

Aus dem Gamle Havn raus- und in die Dyvig reinkreuzen - unmöglich? Folkeboote können das. Paula und ich sogar beides am gleichen Tag. Ein bisschen Nervenkitzel angesichts der umgebenden Untiefen darf gerne sein - das schärft die Sinne. Das gilt auch für Projekt Skovballe. Skovballe ist ein kleiner Hafen an der Südseite von Taasinge. Er steht in keinem Törn- oder Hafenführer, und mit einem Meter Solltiefe ist er selbst für uns zu flach und damit beinahe uninteressant. Erik hat hier auf einem Foto im Internet mal eine LM27 liegen sehen, aber das beweist wenig, die hat nur 95 Zentimeter Tiefgang. Dort beginnt eine - natürlich unbetonne - Rinne von sechs Metern Tiefe zwischen Taasinge und einem ausgedehnten Flach mit großen Steinen nördlich von Hjortø. Die dänische Südssee - eine ertrunkene Grundmoränenlandschaft - ist voll von solchen Abkürzungen. Ich sehe das so: Völlig uncoole, ambitionslose Typen starten den Diesel, sobald sie Betonnung sehen. Anfänger mit Grips achten darauf, den Sollkurs auch wirklich laufen zu können, und sind dann trotzdem völlig gestresst. Fortgeschrittene betrachten es nach Jahren des Zauderns und Zögerns - zurecht - als Heldentat, eine der betonnten Rinnen ohne Grundberührung aufgekreuzt zu sein. In der dreizehnten Saison wird es höchste Zeit, uns an der letzten fehlenden Querfeldeingeschichte zu versuchen.

Dabei geht es auch um den neuerlichen Beweis, dass die Papierseekarte in Kombination mit Echolot, GPS, gründlicher Vorbereitung, Intuition und ordentlichem Ausguck der elektronischen Seekarte massiv überlegen ist. Vor Jahren ist Frieda hier von Chartergästen durchgesegelt worden, die auf Navionics vertrauten. Sie hatten Glück, dass gleich ein Lüttfischer kam und sie freischleppte. Und sie berichteten, dass sie laut ihres Tablets an der Stelle, wo sie festkamen, in tiefem Wasser fuhren, in der Papierseekarte hingegen genau dort die Untiefe verzeichnet war. Elektronische Seekarten werden ständig aktualisiert, indem mit aller Elektronik ausgestattete Yachten permanent Wassertiefen und zugehörige Koordinaten übermitteln. In der Regel handelt es sich um große Schiffe mit viel Tiefgang. Und naturgemäß halten gerade die sich an die betonnten Wege und trauen sich niemals in riskanteres Terrain. Während also die vielbefahrenen, ohnehin gut betonnten Rinnen millimetergenau vermessen werden, ist eben hier, wo es vermeintlich darauf ankommt, die Genauigkeit der elektronischen Seekarte weit entfernt von dem, was sie suggeriert.

Ich bin gut vorbereitet: Ein weiteres Gewirr von Kurslinien und Koordinaten ziert die zerfledderte Seekarte. Es kann eigentlich nichts schiefgehen. Als es aufbrist und Paula mit fünfeinhalb Knoten dem Untiefenparadies entgegensaust, berge ich dennoch das Groß. Dreieinhalb Knoten unter Fock sind für heute genug. In der Karte sieht es total eng aus, so als läge unmittelbar südlich der sechs Meter tiefen Rinne ein Stein und ein Flach von einem Meter Tiefe, während die Zweimeterlinie im Norden auch nur eine Handbreit entfernt ist. Letztlich ist es ganz einfach, die Rinne unendlich breit und wahnsinnig tief. Südlich des Hafens steht ein Pfahl, keine Ahnung, zu welchem Zweck, aber wenn man ihn dicht an Backbord lässt und dann stoisch 300 Grad hält, ist man sicher. Der Hafen sieht verlockend aus. Bei Nordost könne man hier perfekt ankern, das werden wir garantiert demnächst tun und bei dieser Gelegenheit auch den Hafen ausloten. Das wäre allerdings mit dem Schlauchboot.

In der Folgewoche kreuzen wir die Rinne auf. Das ist in Wahrheit total einfach, jedenfalls mit Echolot, weil die Tiefe markant von sechs Metern auf einen runtergeht. Wenn die Sonne scheint, kann man die Untiefen am hellgrünen Schimmer auch bestens erkennen. In Woche vier lösen wir auch noch das Rätsel um die Wassertiefe des Hafens: An diesem Tag (mit überdurchschnittlichem Wasserstand im Gamle Havn) können wir zehn Meter vor der Rinne auf 1,30 m Tiefe gerade noch abdrehen. Eigentlich suchen wir einen Ankerplatz. Aber dicht genug am Wald, um vor den ruppigen Böen geschützt zu sein, ist es immer gleich erheblich zu flach. Also verschieben wir das Vergnügen auf einen ruhigeren Tag im nächsten Jahr.

Genau wie das Ankern vor Vigø: Die hohe, bewaldete und bewohnte Insel in der Helnæs Bugt lockt mich zum Landgang per Schlauchboot. Letztes Mal haben wir vor Vigø geankert, allerdings ohne Landgang, und deshalb die Mittwochsregatta verpasst. Heute gehen wir in den Hafen, es ist aber kein Mittwoch, Falsled deshalb eher langweilig, und wir versäumen das Ankern. Der Südost soll über Nacht auf West, ich befürchte sogar: Nordwest, drehen. Tut er aber nicht, wir hätten perfekt ankern können. Dieser Höhepunkt entgeht uns also.



Flottille mit Salty und Martha. Die Prognose ist dermaßen miserabel, dass Paula und ich, wären wir nicht fürs Segeln gebucht, tendenziell eher in Arnis bleiben würden: Samstag Starkwind. Sonntag Starkwind, spätnachmittags (vielleicht ein bisschen) abnehmend. Montag schwachwindig, Dienstag schwachwindig. Mittwoch und Donnerstag Starkwind. Freitag ein vernünftiger Südost. Über Schleimünde und Gelting schaffen wir es nach Marstal. Den Mittwoch verbringe ich unter der Kuchenbude. Donnerstag: Ausschlafen. Büroarbeit. Mittagsstunde. Seewetterbericht. Oha: Vernünftiger Nordwest? Freitagmmorgen um sieben Uhr morgens schon Böen sechs bis sieben. Im weiteren Verlauf Mittelwind sechs und an die zwei Meter Welle. Heute hingegen nehmen die Schauer und die abrupten Böen allmählich ab. Bei Nordwest kommen wir super in die Schlei, und wenn wir rechtzeitig losfahren und der Wind ein Weilchen hält, schaffen wir es vielleicht sogar vor der Dunkelheit. Naja, bei genauer Betrachtung haben wir Westnordwest, West drehend. Wird knapp. Aber lieber die hundert Meter vom Leuchtturm zum Hafen Schleimünde im Dunkeln ertasten, als morgens um vier in der Finsternis Segel setzen und das enge Fahrwasser aufkreuzen, Gewitterwarnung und Starkwind im Nacken. Ich erledige eilig den Abwasch. Kurz nach vier legen wir ab.

Kurz gesagt: Es läuft nicht besonders. Bis Vejsnæs Nakke können wir den Sollkurs noch laufen, dann dreht der Wind westlicher und westlicher, südlicher und südlicher, die Strömung versetzt uns zusätzlich in die falsche Richtung, und kaum habe ich mich über immerhin viereinhalb Knoten gefreut, sind es auch schon wieder nur knappe drei. Der Seegang ist stampfig und kostet Fahrt. Im Hellen ankommen? Nicht an diesem Tag. Dabei schlagen Paula und ich uns vergleichsweise wacker. Wir sind gleich hinter dem Strand aus dem Fahrwasser abgebogen und auf Kurs gegangen, anstatt bis zur Ansteuerungstonne auf Südostkurs zu bleiben, also sind wir jetzt eine halbe Meile in Luv und liegen vorn. Seepockige Martha läuft ein bisschen weniger Höhe, kommt aber auf. Salty müht sich. Irgendwann fährt die Crew die erste Wende, viel zu früh nach meiner Ansicht, es sind noch gar keine Details der deutschen Küste erkennbar. Dauernd hin und her zu fahren, kann an einem Tag wie diesem demoralisierend sein. Ich merke, dass wir durchaus Wind haben und nur so langsam sind, weil wir so viel Höhe laufen. Ich schiebe den Traveller von Luv in die Mitte - wir werden einen Knoten schneller und lassen Martha hinter uns. Salty ist in der Dämmerung schon nicht mehr zu sehen.

Der Kurs wird immer schlechter - eben hatten wir noch Damp voraus, jetzt ist es die Eckernförder Bucht, am Ende landen wir wohl in Kiel - aber das lässt auf einen günstigen Kurs nach der Wende hoffen. Die Sonne geht unter. Ich sehe mal nach, wo wir sind. Allmählich senkt sich die Dunkelheit. Und plötzlich spüre ich, wie großartig es ist, in der Nacht zu segeln.

Martha meldet sich über Funk: Ob ich ihre Positionslichter sehen kann, sie wissen nicht, ob sie funktionieren. Ich sehe die Steuerbordposi und das Dampferlicht. "Das müsst ihr ausmachen", empfehle ich und bin zufrieden damit, wie die selten genutzten Lichter funktionieren. In Hochstimmung betrachte ich das vor uns liegende Lichtermeer. Filtere die Zeichen heraus, die wir brauchen: Leuchtturm Schleimünde, zuerst im grünen, dann im weißen Sektor. Ansteuerungstonne Schleimünde. Und die nordöstliche Tonne vom Sperrgebiet Schönhagen. Die ist jetzt viel früher und eindeutiger auszumachen, als bei Tage. Der ganze Rest - Damp, Olpenitz, das Arbeitsschiff, das dazwischen vor sich hinbaggert - interessiert mich nicht. Als wir Sperrgebietstonne und Leuchtturm in Deckung haben, wenden wir. Von Martha ist nichts mehr zu sehen. Aber wir segeln genau auf Schleimünde zu, und es ist jetzt ja auch überhaupt nicht mehr weit. Und so genieße ich, wie Paula unaufhaltsam und zügig durch die Nacht saust, die Sperrgebietstonne an Backbord lässt und wenig später die Ansteuerungstonne passiert. Jetzt, wo die Welle weg ist, übergebe ich Paula das Ruder und schwenke auf dem Vorschiff die Taschenlampe, um die beiden unbefeuerten Tonnen zu suchen. Die rote entdecke ich, als sie deutlich querab ist - wir sind schön südlich des Fahrwassers und haben vor uns keine Hindernisse. Majestätisch gleitet Paula zu später Stunde in die Schlei.

Um halb elf segeln wir in den Hafen. Der Wind schläft ein. Ist mir gerade recht - ich berge die Segel und wrigge uns in die Folkebootecke. Folkeboot Fairplay liegt hier, doch Timo schläft schon. Wer noch wach ist, bietet Hilfe beim Anlegen an, aber es ist ja gar nichts los, bei fast null Wind ein Boot zu drehen und ein paar Leinen auszubringen, kriege ich wohl hin. Vor allem in so guter Laune wie jetzt! Ich finde, wir waren richtig gut, Paula und ich! Viel zu lange hat es mal wieder nicht geklappt mit Nachtfahrten. Und wenn ich ehrlich bin, haben wir es bisher vermieden, in der Dunkelheit anzukommen - es war immer früher im Jahr, wenn es nur vier, fünf Stunden dunkel ist, und dann immer mit Ablegen vor Sonnenuntergang und Anlegen nach Sonnenaufgang. Nun sind die Segel fluffig runtergegangen, das Anlegen war problemlos, der Anlegerotwein ist redlich verdient. Es wird ein langer Abend - der Wind ist nicht nur im Hafen fast eingeschlafen, sondern auch weiter draußen. Martha kommt um Mitternacht angesegelt, leise und beinahe unsichtbar. Salty trifft gegen eins unter Motor ein. Mit der Crew, den beiden Christophs, plaudere ich noch, bis um zwei der Regen einsetzt.

Das nächste Mal verlassen wir Schleimünde morgens um sechs, dem Sonnenaufgang entgegen. Wie vorhergesagt, wird es gegen elf Uhr dümpelig - doch da sind wir schon an Marstal vorbei und schaffen es mit etwas Geduld noch bis Hjortø. Das ist okay, doch die ersten Meilen des Morgens bleiben unvergesslich.



Auf dem Rückweg, von Mjels Vig nach Gelting, unterwegs im Als Fjord: Wir werden überholt von einer X-Yacht und einem weiteren Boot, in dessen Großsegel grüne Schrift für einen Gartenbaubetrieb wirbt. Gemeinsam überholen wir gleichzeitig eine durchschnittliche Fahrtenyacht, Dehler oder Hanse oder so. Wir nähern uns dem Sund - hier werden die Karten neu gemischt. Die durchschnittliche Dehler birgt die Segel und motort. Unerwartet viele tun das nicht, sondern kreuzen. Die X zieht davon. Die Gartenbauer wollen wohl nach Augustenborg - denke ich, bevor sie wenden. Die laufen einfach keine Höhe. Dann erweckt ein anderes Boot meine Aufmerksamkeit. War vorher noch gar nicht zu sehen, jetzt dümpeln sie vor uns herum. Schade, keine Konkurrenz. Denke ich. Sie wenden am Westufer, wir müssen einen Schlenker um ihr Heck fahren. Wir wenden dreißig Meter in Luv, und ich erwarte, in wenigen Minuten mühelos vorbeizusegeln.

Daraus wird aber nichts. Das Ding läuft unglaubliche Höhe. Ich versuche, den gleichen Kurs zu laufen, aber dann bleibt Paula fast stehen. Es ist ziemlich böig aus Südsüdwest, am Ostufer ist also der meiste Wind zu erwarten, aber wir können ja wohl jetzt nicht Höhe vergeuden in der Hoffnung darauf. Das Boot zieht davon. Aber - eben sind wir doch noch so rasant aufgekommen! Könnte es daran liegen, dass die Crew nicht bei der Sache war, bis sie feststellte, dass ein Folkeboot mächtig aufkommt? Wacker fahren wir unsere Wenden und fallen zumindest nicht weiter zurück. Aber die sind schneller und laufen mehr Höhe - wir müssen etwas anders machen als die. Also höre ich auf damit, die Schläge immer ans Westufer auszufahren, bis wir in der Abdeckung hängen. Wir wenden früher, schon im Fahrwasser. Am Ostufer kann man ohnehin segeln, bis es flach wird.

Ergebnis: Wir holen wieder auf. Kurz vor der Hochbrücke sind wir auf fünfzig Meter ran. Dann kriegen die eine Bö, die uns nicht erreicht. Anschließend bergen sie die Segel. Das haben inzwischen so gut wie alle getan, die meisten, um noch die Brücke zu schaffen. Die Höhelaufer tuckern langsam, wir haben beide die aktuelle Brückenöffnung verpasst. Wir fahren noch ein paar Holeschläge, dann erreichen wir das Boot. Sieht aus wie eine Spækhugger, nur größer - könnte das die berühmte, hochgelobte Grinde sein? Ich googele eilig. Segelzeichen passt, der Rumpf sieht genauso aus wie auf dem Foto. Der Wikipedia-Artikel ist voll des Lobes über die guten Segeleigenschaften. Die Crew, drei ältere Herren, ruft: "Respekt!"

Und ja: Wir haben sie nicht mehr gekriegt, das wäre ja auch höchst erstaunlich gewesen, aber wir haben extrem gut mitgehalten. Und es hat Riesenspaß gemacht. Wir zelebrieren das, indem wir uns vor der Klappbrücke vierzig Minuten auf die Lauer legen, bevor wir mit Vollzeug und Vollgas durchpreschen.



Nun erstmal Schietwetter. Wir bleiben, wo wir sind. Dann beginnt wieder die Zeit der Kurztörns und Trainings - so richtig werden wir nicht mehr loskommen aus der Schlei. Sollte ich bedauern, was wir nicht erledigt haben? Es gab kein Fyn rund und kein Barsø. Wir haben nicht vor Skovballe geankert bei Nordost. Wir haben nicht vor Vigø geankert bei Südost oder Nordwest. Im Lindelse Noor gibt es immer noch Ecken und Winkel, die wir nicht ausgelotet haben. Mit anderen Worten: Wir haben genügend Pläne für die nächste Saison! Das bedaure ich nicht - ich freue mich darauf.


weiter: Der Schröter macht den Schrot klar...