Paulas Törnberichte | ||||||
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Absegeln. Aber richtig.
Absegeln - das geht so: Man segelt aus dem Hafen, und wenn
man zurückkommt, ist alles bereit zum Mastlegen. Wir wollten
eigentlich
nur noch ein paar schöne Stunden auf der Schlei verbringen bei
dem
angekündigten sonnigen Wetter und fluffigen Wind. Wir mussten
uns aber erst frierend durch den Hochnebel nach Lindaunis kreuzen,
bevor die Sonne durchkam. Und gleichzeitig schlief der Wind zwar nicht
vollständig ein, aber die zwei Knoten fand ich schlicht zu
langweilig. Zum Zeitvertreib schlug ich unterwegs erst die Fock ab,
dann
sämtliches Tauwerk, das nicht mehr benötigt wurde,
schließlich Achterstag, Großsegel und den Baum.
Wäre der Mastenkran nicht belegt gewesen, hätten wir
gleich dort angelegt - sogar der Heißstropp war schon bereit.
Oktober 2017
Wir
liegen zusammen zur traditionellen Saisonabschlusskonferenz - wir bauen
uns doch so gerne unsere eigene Insel. Also scharen sich Martha und
Salty um Paulas Box, zur anderen Seite jedoch trennt uns Folkeboot
Heidi von Frieda, die dieses Jahr die Verklicker in Obhut nimmt und die
Großbäume ins Winterlager transportiert, und
lässt Oliese, unsere Jumpstagspreizenbeauftragte, nicht in
unsere Mitte - sie liegt aber in Sicht- und Hörweite, also ist
alles gut. Und Heidi ist in unserer Runde durchaus willkommen, auch
wenn sie sich schweigsam gibt: Mit anderen Dialekten und Sprachen als
Schwyzerdütsch tut sie sich immer noch schwer.
Immerhin hat die Gute - bei Roland Begré am Bodensee gebaut,
letztes Jahr von Frankfurtern gekauft (daher der neue Bootsname, in
Umkehrung des Kinderbuches von Johanna Spyri) und an die Schlei
gebracht - im September erstmals Ostseewasser unterm Kiel gehabt. Und
es hat ihr gefallen. Doch sie tanzt in mancher Hinsicht aus der Reihe -
ihr Mast steht noch,
als hätte sie Großes vor in den nächsten
Wochen.
Um uns herum geht ansonsten das Gejammer
übers Wetter nahtlos in die Jahresendmelancholie
über. Und auch wir haben schon eingepackt. Serienproduktion
ist
effektiv - heute Marthas und Paulas Mast zu legen, hat
gefühlte fünf Minuten gedauert. Am späteren
Nachmittag fand sich eine
äußerst sympathische helfende Hand für den
Mastenkran, Martha und Paula sind überaus dankbar, und nun
sind wir mehr oder weniger bereit fürs Winterlager.
Auch die Werkstatt in Sörup ist schon weitgehend hergerichtet.
Die Wohnung quillt noch über mit unsortierter
Ausrüstung, aber das findet sich, zumal ich weitere Boxen
bestellt habe, in denen ich das alles bootsweise verpacken und
aufstapeln kann. Mein Kopf ist voll mit den Dingen, die in den
nächsten Wochen anstehen - nervigen, schönen und
spannenden - und die ersten Arbeiten sind bereits erledigt: Unter den
Achterdecks der Charterboote liegen fertig angepasste Siebdruckplatten,
auf denen nächstes Jahr - mit passendem Unterbau und
Schlingerleisten versehen - die Tanks waagerecht und zum
Nachfüllen einfach herausziehbar stehen werden.
Mit dem Mast hat Martha nun auch die
Möglichkeit
eingebüßt, mich abends unter ihrer Kuchenbude zu
beherbergen, wovon ich bei dem ganzen Regen und Gepuste gerne Gebrauch
gemacht habe - Paulas „Deckssalon“ ist ja erst in
Arbeit. Der Verlust lässt sich momentan verschmerzen: Zwar hat
klamme feuchte das Beinahe-T-Shirt-Wetter des Nachmittags
abgelöst, aber es ist weiterhin mild ohne Bedarf an Pullover,
Jacke und Mütze, die irgendwo hier rumliegen. Wärmer
und trockener waren die Abende auch im Juli nicht.
Die erstaunliche Hitzewelle entspringt einem Wetterphänomen,
das leider die Klimaveränderung erneut plastisch werden
lässt: Noch nie ist ein Tropensturm so weit östlich
immer noch als Hurricane der Kategorie drei eingestuft worden. Das
Gepuste bekommen Irland und Schottland ab, weil das Ding
nördlich zieht, und wir haben hier nur die warme Luft. Aber
ich trüge lieber die herumliegenden Klamotten und schriebe bei
fünf Grad über Null von ruhigem Herbstwetter.
Unterdessen sausen in wechselnden Richtungen
kleine Gruppen von
Graugänsen quakend und kreischend über uns hinweg
durch die Dunkelheit. Viele von ihnen sind, so habe ich gelesen,
Standvögel geworden: Sie fliegen nicht mehr im Sommer nach
Skandinavien oder im Winter nach Nordafrika, sondern sie haben die
Erfahrung gemacht, dass ohne diesen ganzen Reisestress die Schlei ihnen
ganzjährig alles bietet, was sie brauchen. Wir - die Boote und
ich - sind etwas anderer Meinung: Im Sommer zieht es uns durchaus nach
Skandinavien. Und im Winter bauen wir uns ein gemütliches
Klein-Nordafrika in der Werfthalle.
Dorthin verabschieden sich: Paula, Martha, Salty, Frieda, Oliese und
Nicolas.
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