Paulas Törnberichte | ||||||
|
Svendborg. Classic Regatta. Und der magische Grill
Unsere Augustreise war wie ein rundum gelungenes
Grillfest: Es gab reichlich von Allem - Salziges,
süße, warme Köstlichkeiten wie aus
Blätterteig, saftig-feuchte Steaks, mitunter auch
feurig-scharfe Kostproben. Es war eine ausgewogene Mischung aus Fleisch
und Gemüse, vitaminreich und mit der richtigen Dosis
Ballaststoffe und ungesättigte Fettsäuren - gesund,
erfrischend und perfekt abgestimmt.
August 2017
Am
Grillplatz tummelten sich in wechselnder Besetzung Freunde und
überaus sympathisches zahlendes Publikum, doch es war kein
chaotisches Kommen und Gehen: Damit alle zur gewünschten Zeit
einen Platz am reichhaltig gedeckten Tisch und einen gefüllten
Teller vorfanden, bedurfte es einer raffinierten Planung. Sie gelang
vortrefflich. Bewusst beschränkten wir uns auf
Spezialitäten
der regionalen Küche, anstatt Abstecher in exotisches Terrain
wie
den Kleinen Belt, Samsø oder Lolland zu unternehmen - denn
Frieda, Martha und Paula hatten ein besonders erlesenes Hauptgericht
geordert: Die Svendborg Classic Regatta.
Am Wind, vorm Wind, Starkwind, Schwachwind - am liebsten bunt
durcheinander mit wahlweise Senf oder Ketchup, Salzwasser oder Gischt.
Gut und schön. Der Vergleich eines Segeltörns mit
einer
Grillparty endet an einem entscheidenden Punkt: Beim Grillen
schlägt man sich den Bauch voll, doch irgendwann ist man
pappsatt
und bekommt keinen Bissen mehr herunter. Beim Segeln, insbesondere
diesmal, ist jeder Bissen ein neuerlicher Appetitanreger, und man
möchte überhaupt nie mehr damit aufhören.
Dass
sich der Vergleich überhaupt aufdrängt, lag an Claus
von der
Frieda-Crew. Damit fing es nämlich an: Mit dem Samstag.
Morgens um
neun war die Vercharterer-Welt noch alltäglich und
unspektakulär, denn ich besorgte in Kappeln schnell noch einen
neuen Zirkel für Martha. Zurück in Arnis, waren
Saltys
Gäste eingetroffen. Nach der Einweisung parkten wir ihr Auto
um
nach Süderbrarup Hauptbahnhof, denn das Boot sollten sie nach
einer Woche in Svendborg abgeben und mit dem Zug zurückreisen.
Dieses Kettencharter-Experiment bewährte sich vollauf: Vater
und
Sohn waren hellauf begeistert davon, bei der Törnplanung
ziemlich
aus den Vollen schöpfen zu können, anstatt
spätestens
Dienstagmorgen an den Rückweg denken zu müssen.
Mittags
legten sie ab, um als erste seglerische Aktion in Maasholm Freunde zu
treffen.
Gleichzeitig traf Marthas Crew ein, im Frühjahr durch ein
Skippertraining bereits gründlich eingewiesen. Und weil der
Rest
der Flotte, Frieda und Oliese, erst nachmittags ihre Gäste
bekamen, schickte ich Martha & Co. gleich mal zu einer
Spaßrunde auf die Schlei. Für die
Spätankommer reichte
es nur noch zu Einweisung und Stauen, dann war der Tag gelaufen. Das
war kein Problem, sondern wir verabredeten uns zum Abendessen bei
„Godewind“.
Und
dort erwähnte Claus, er habe einen „besonderen
Grill“
im Gepäck. Mit Stephan von der Oliese und mir saßen
da
natürlich zwei passionierte Sprücheklopfer am Tisch,
die die
Formulierung zielsicher zerpflückten, und bald war klar:
Normalerweise versuchen wir ja in seglerischer Hinsicht einen
besonderen Törn hinzubekommen, doch diesmal war das
unnötig -
denn zumindest hatten wir ja einen besonderen Grill. Stephan war da
wohl schon neugierig auf unsere späteren Berichte - Oliese
nahm
nicht an Flottille und Regatta teil, sondern fuhr nach Tagesform einen
individuellen Törn. Und für Claus waren die letzten
Zweifel
ausgeräumt, ob er angesichts der vollen Vorpiek der
überladenen Frieda den Grill nicht doch im Auto lassen sollte
-
jetzt musste er erst recht mit. Später stellte sich heraus,
dass
es wahrhaftig nicht irgendein Grill ist, auch kein einfach nur
irgendwie „besonderer“ Grill, sondern ein magischer
Grill,
der als treuer Gefährte neben Grillmeister und Essern auf dem
Tisch steht, in Windeseile Köstlichkeiten produziert und
gleichzeitig aus wechselnden personellen Besetzungen immer wieder
harmonische Gruppen zaubert. Dass tut er mit einer
Selbstverständlichkeit, dass der beobachtende Vercharterer
schnell
gar nicht mehr sagen kann, wer hier wen erst seit gestern kennt oder
wie lange wir eigentlich schon gemeinsam unterwegs sind.
Am
Sonntag segelte Oliese irgendwohin, doch Frieda, Martha und Paula
fingen an zu zaubern. Die erste seglerische Grillspezialität
war
extrem deftig gewürzt: Nach Sønderborg bei West 5,
zeitweise 6, mit entsprechend dramatischer Welle auf dem Kalkgrund. Wir
hatten gerefft - eine gute Idee. Logbucheintrag: „14h40 LT
Kalkgrund. Paula wühlt sich durch die See.“ Um 16
Uhr
erreichten Paula und ich Sønderborg, es wäre eine
Punktlandung für die Brücke gewesen, doch es schien
uns
korrekter, und an einem der Pfähle bei den Fischern
festzubinden
und auf die Anderen zu warten. Um 17 Uhr ging die Brücke
wieder
auf, und danach gab es zur Nachspeise den lieblichen Als Sund und das
beschauliche Sottrupskov.
Leider
schnabulierten wir das mit einem leicht bitteren Beigeschmack. Denn
auch Martha wühlte sich eher durch die See, als dass sie wie
ein
Vogel darüber wegflog - doch ihre elektrische Lenzpumpe fiel
aus.
Das Wasser - im Wesentlichen kam es über die Kante - schwappte
bei
dieser Schräglage nicht in der Bilge, sondern unter der
Steuerbordkoje. Das wiederum wäre der Crew aufgefallen,
hätte
sie nicht aus Gründen, die ich nicht nachvollziehen kann, so
dass
ich auch nicht bei der Einweisung davor gewarnt hatte... - also
jedenfalls hatten die die Niedergangstür zu und keine Sicht
unter
Deck. Also lenzten sie auch nicht mit der vortrefflich funktionierenden
Handlenzpumpe, sondern schöpften das Wasser, als wir
gegenüber vom Schloss an den Dalben lagen,
pützenweise raus.
Polster, Schlafsack und diverse andere Dinge waren vorläufig
triefnass. Doch Wind, Sonne und Optimismus ließen dieses
Problem
schon am nächsten Morgen bei weitem nicht mehr so gravierend
erscheinen. Die Pumpe hatte ich binnen fünf Minuten in Gang -
ein
Büschel Haare steckte im Impeller, von unidentifizierbaren
Vorgängercrews von der Kopfhaut gebürstet und auf
unergründlichen Wege beim dem Geschaukel in die Bilge geraten.
Ich
denke darüber nach, parallel zum Rauchverbot unter Deck auch
ein
Bürstverbot an Bord zu erlassen.
Dass
wir überhaupt bei so viel Wind eine Strecke wählten,
auf der
wir zeitweise so hoch am Wind laufen mussten, erhielt erst
nachträglich seine Rechtfertigung - bei der Regatta segelten
wir
die letzte Wettfahrt bei ähnlichen Verhältnissen. Der
ursprüngliche Grund, nämlich am Montag bei
Südwind nach
Middelfart, am Dienstag bei Südost nach Haderslev und am
Mittwoch
bei Südwest in die Dänische Südsee zu
segeln, zerschlug
sich, als DMI für den Mittwoch eine Starkwindwarnung
verbreitete.
Damit fehlte uns ein Tag, und wir sausten sicherheitshalber direkt in
den Einzugsbereich unseres Wochenziels Svendborg. Genauer gesagt: nach
Ommel. Das ist eine sichere Bank, Liegeplatz beinahe garantiert (obwohl
wir diesmal zu dritt im Päckchen lagen), und es ist ein
phantastischer Ort, vergleichbar einer Auswahl aus sonnengereifter
Wassermelone, Tiramisu und Apfeltorte mit Vanillesoße zur
Nachspeise. Der Hauptgang war ein abwechslungsreicher Mix aus allen
Kursen zum Wind, ruppigen
Böen, dödeligen Schwachwindphasen in alter Welle und
einer
fabulösen Kreuz in die flache, unbetonnte Bucht. Paula und ich
legten unter Segeln an, die Anderen staunten, beobachteten, lernten und
wählten die sichere Variante mit 5 PS. Zaubermeister Claus
hielt
seinen magischen Grill vorläufig noch unter Verschluss,
spielte
aber einen anderen Trumpf aus: Auf mein Stichwort hin, es gebe im Ort
eine Kneipe, mobilisierte er die ganze Gruppe zu einem Besuch dort. Wir
wollen sagen: Rustikal. Aber sehenswert. Und total Kult. Wirt und
Wirtin waren zu betrunken, um unfallfrei deutsch zu sprechen oder
zwischen Kronen und Euro umzurechnen. Als wir gingen, war uns das egal,
weil es uns kaum besser ging. Und die dänische Schlagermusik
hatte
sich vom Störfaktor zur Bereicherung gewandelt.
Ich
übertreibe hier ein wenig, wir tranken in Wirklichkeit jeder
nur
zwei Bier, aber es war nett und eben rustikal. Unspektakulär
ging
es dann nach Faaborg, wo wir dann den Starkwindtag verbrachten. Die
Warnung wurde zurückgenommen, vormittags hätten wir
auch
segeln können, aber nachmittags pustete es wie hulle - und
abends
bekam dann gruppendynamisch wertvoll der magische Grill seinen ersten
großartigen Auftritt. Vorteil des Geräts: Der
Griller sitzt
mit am Tisch und isst, nach und nach werden die Sachen heiß
und
perfekt gar, und zwar in Rekordzeit, und so mampften wir uns durch
Lamm, Steak, Würstchen, Pilze und Zucchini und
verschmähten
mangels weiterem Platz im Magen die gute Melone. Unterdessen leiteten
die Stationsmeldungen befreundeter Folkeboote das unangefochtene
Hauptgericht ein: Jane lag in Troense. Lovis und Pommery lagen
gemeinsam mit dem M30 in Hjortø. Havfruen lag in
Rudkøbing. Wir legten um zehn Uhr in Faaborg ab und
gönnten
uns den Abstecher nach Hjortø, wo uns allerdings
ausschließlich Havfruen entgegen segelte, während
die
Anderen noch nicht in Gang kamen. Abends jedenfalls tummelte sich an
der Promenade in Svendborg ein illustres Feld aus Folkebooten, Knarrs
und anderen Klassikern.
Meine
Chartergäste hatten bis zuletzt durchblicken lassen, sie
würden wohl gerne das Ambiente genießen und
vielleicht ein
bisschen ums Regattafeld segeln, aber teilzunehmen trauten sie sich
nicht zu. Ich hatte bereits spekuliert, einen Vorschoter shanghaien zu
können. Doch als es ernst wurde, stand die Regattateilnahme
gar
nicht mehr in Frage. Nach einer Woche Folkeboot war der Trimm
natürlich nicht konkurrenzfähig, aber das hatten sie
auch
nicht erwartet. Frieda verzichtete nach der ersten Runde am Samstag auf
den Rest, die Crew gönnte sich lieber einen Stadtbummel. Aber
da
war berechtigter Stolz im Spiel. Und jede Menge Wertschätzung
dafür, welche Möglichkeiten und unvergesslichen
Erfahrungen
ihnen diese recht außergewöhnliche
Charterveranstaltung bot.
Wie es Paula und mir ging, sei an anderer Stelle berichtet.
Am
sonnigen Sonntag reiste Martha ab, um planmäßig den
Rest der
zweiten Woche auf eigene Faust zu verbringen. Wir Anderen warteten auf
die neue Salty-Crew und vertrieben uns die Zeit mit einem
Tagestörn rund Taasinge. Und der hatte es in sich: Im
Svendborg
Sund gab es eine spritzige Kreuz gegen die Strömung, im
Højestene Løb drehte der Wind, so dass wir immer
noch
mächtig Höhe laufen mussten, und es waren gut und
gerne
fünf Beaufort. Danach gab es dann eine der coolsten Aktionen,
die
man in der Dänischen Südsee machen kann: Damit die
Strecke
nicht zu lang wird, segelten wir nördlich an Birkholm und
Strynø vorbei. Dort ist es breit und tief genug. Aber
unbetonnt.
Niemand sonst ist dort unterwegs. Und es gibt am Anfang eine Untiefe,
nämlich den Claus Grund (!!), die es dringend zu umrunden
gilt,
und am Ende ein Flach von 1,50m Tiefe, wo man auch nicht unbedingt
rüberschrabbeln muss. Paula war der partout keine
Höhe
laufenden Frieda so weit davon gesegelt, dass ich sie nicht einmal mehr
sehen konnte und vermutete, die seien inzwischen umgekehrt. Also
warteten wir auch nicht auf sie, sondern machten uns auf den Weg ins
Unbetonnte. Als wir schon Strynø querab und das betonnte
Fahrwasser nach Rudkøbing in Sicht hatten, erkannten wir
Frieda
- die unverkennbare Silhouette eines Folkebootes vorm Wind mit
ausgebaumter Fock in einem Seegebiet, das kaum jemand
durchfährt -
hinter uns im Gegenlicht. Als wir das Fahrwasser erreichten, kam uns
euphorisch winkend Martha entgegen. Und dann schrammelten wir hoch am
Wind über die Regattastrecke in den Svendborg Sund und
zurück
in den Hafen - wo eine Stunde nach uns endlich Frieda ankam, dicht
gefolgt von der per Bahn anreisenden Salty Crew. Salty hatte keineswegs
untätig herumgelegen, sondern tapfer unseren bahnhofsnahen
Liegeplatz verteidigt. Wir lagen zu dritt im Päckchen, und es
war
bemerkenswert, wie sich der Ort gewandelt hatte, seit alle sonstigen
Regattateilnehmer abgereist waren, aber doch weiterhin unser Ort blieb.
Allerdings
nur bis Montag Mittag. Nach ein bisschen Einkauf und Aufklaren gingen
wir noch gemeinsam ins Dänische Segelsportmuseum, um uns die
schönen Bilder der Folkebootausstellung anzusehen, dann legten
wir
ab. Schwachwindig, mitlaufender Strom - wir wollten nach Ristinge.
Wieder mal so einem Hafen, der traumhaft ist, aber abseits der
üblichen Routen und ohne Luxus. Es wurde ein wunderbarer
Dämmertörn daraus, weil wir zwar im
Rudkøbing
Løb zeitweise gerade so die Position halten konnten,
dafür
aber später ohne Schräglage und Welle hoch am Wind
mit
fünfeinhalb Knoten unserem Ziel entgegenstrebten. Und das
wirkte
aus der Ferne unscheinbar. Von Nahem ist Ristinge ein Traum: Blick in
die weite Weite der Inselwelt, Sonnenuntergang inklusive, und ein
Ambiente aus Nebenerwerbsfischern und Nichts - genau was der (Folkeboot
segelnde) Mensch braucht, und noch ein Spur extra. Wenn es im
Nachhinein etwas zu bemängeln gibt, wäre das wohl
unser
Anleger: Wir sausten mit vier Knoten in, unerwarteterweise, die
völlige Abdeckung. Da gelingt ein Aufschießer
mäßig bis schlecht, das Boot wird einfach nicht
langsamer,
und so mussten die Fender und ich zwei Tonnen Paula in knapp drei
Knoten Fahrt von Hand aufstoppen. In einem zwar winzigen, aber
chronisch leeren Hafen ist das gleichwohl unproblematisch.
Dann
kam wieder unser magischer Grill zum Einsatz. Er tat es nicht ohne
kurzes Hakeln: Wir hatten zwar darüber gesprochen, an diesem
absehbar schönen Abend zu grillen, aber keine konkreten
Absprachen
über Einkäufe getroffen. Einkaufen gingen alle:
Frieda (also
ihre Crew) kaufte einen neuen Schlafsack und eine Vorrichtung zum
Nudeln Abgießen. Paula (also ich) kaufte Vorräte
für
die nächsten Tage. Salty (also wiederum die Crew) kaufte....es
war
ja von Grillen die Rede gewesen, also besorgten sie Würstchen
und
Dies und Das für den magischen Grill. Nach dem Anlegen gab es
kurz
lange Gesichter, aber als wir Brot und Kartoffeln und alles, was an
Bord war, zusammenpackten, wurde klar: Alle würden satt werden
von
super Leckereien. Und - dem magischen Grill und den phantastischen
Booten und vor allem den wunderbaren Gästen sei Dank - es
spielte
überhaupt keine Rolle mehr, ob jetzt Salty oder vorher Martha
oder
immer noch Frieda Paula begleiteten.
Das
bisherige Muster mag bereits aufgefallen sein: Wir segelten auf und ab.
Das lag zum Teil am Fixpunkt Svendborg, ein bisschen an der Tatsache,
dass die Dänische Südsee schön und
vielfältig genug
ist, um viel Zeit hier zu verbringen und reichlich kurzweilige Meilen
dabei zu versegeln, aber vor allem daran, dass der Wind hin und her
pendelte und kein Fernziel suggerierte, das wir hätten
erreichen
und auch rechtzeitig wieder verlassen können. Nach Ristinge
wurde
es bei strammem Südost Falsled in der bezaubernden
Helnæs
Bugt. „Wilder Ritt“, hieß es von der
Salty nur knapp,
nachdem wir angelegt hatten. Wir wollen sagen: Vorm Wind ging das ganz
gut - als wir in der Bucht drei Meilen lang richtig Höhe
laufen
mussten, hätten wir die sechste Windstärke nicht
unbedingt
gebraucht, aber der Plan, im Lee der 15 Meter hohen Insel
Vigø
die Großsegel zu bergen, ging voll und ganz auf. Die
abendlichen
Gewitter waren eine Show, bis zu dem Moment, als der Regen auch uns
erreichte und vorübergehend unkommunikatives
Schließen der
Kuchenbuden veranlasste.
Mittwoch
war ein typischer Flauten-Dödel-Tag: Zwischenhoch, hier und da
ein
Brischen, dort und hier jedoch auch null Wind und Vertreiben in der
leichten Strömung. Und noch viel mehr. Paula hatte einen
Fahrgast,
der vielleicht und hoffentlich in Zukunft einmal Skippertraining,
Flottillentörn und sonstige Spezialitäten ordern
wird,
vorläufig aber mit seiner Familie auf Avernakø
weilte und
uns gern einmal für ein paar Seemeilen kennenlernen wollte.
Claus
und Steffi hatten definitiv beschlossen, was sie schon nach ihrem
allerersten Eindruck von der fabelhaften Frieda in Erwägung
gezogen hatten: Sie hängten eine Woche an. Und weil es keinen
Sinn
ergab, mit uns und Salty zurück zur Schlei zu reisen, legten
sie
unter Segeln ab und wandten sich nordwestwärts. Paula und
Salty
warfen vor Hornenæs für eine halbe Stunde den
Außenborder an, dümpelten sich ansonsten aber wacker
durch
das flautendurchzogene Meiste der fünfundzwanzig Meilen, bis
zwischen Lyø und Avernakø (wo wir Andreas
absetzen und
zum Dank Räucherfisch übernehmen sollten)
allmählich die
Abendbrise einsetzte. Und die war wie typisch stetig und
verlässlich bis kurz vor Sonnenuntergang.
Paula
legte also in Korshavn kurz an, per Aufschießer unter
Groß,
das auch während des kurzen Klönschnacks mit Andreas'
Familie
und den sonstigen Bekannten vor Ort (Amazone war da) nicht geborgen
wurde, und dann segelten wir Salty hinterher, die keineswegs den
Eindruck machte, aus Angst vor einschlafendem Wind oder bedrohlichen
Untiefen hier übernachten zu wollen.
Unser Ziel war nämlich ein mindestens so besonderes wie der
magische, inzwischen in Assens eingetroffene Grill: Der alte Hafen an
der Nordseite von Drejø. Den kannte ich bisher nur vom
Hörensagen, und was ich hörte, besagte, dass wir da
trotz
einer Solltiefe von 1,20m problemlos ein- und auslaufen
können.
Zumindest bei ruhigem Wetter.
Das
Echolot machte mich durchaus nervös auf dem Weg zum Hafen -
mit
fünf Knoten segle ich nicht gerne auf knapp zwei Meter
Wassertiefe. Aber das war alles richtig so, es ist dort eben flach,
aber ohne steile Kanten oder fiese Steine, und irgendwann bekamen wir
sogar den Prickenweg zum Hafen in Sicht. Salty motorte schon mal
hinein. Und wir näherten uns sicht- und spürbar der
Abdeckung. Bei Südwest muss man ordentlich Höhe
laufen, um
unter Segeln in dieses Häfchen zu kommen, und darf durchaus
die
bereits geborgene Fock noch einmal setzen, damit ein bisschen mehr Tuch
oben ist. Die Sonne stand schon tief. Vor uns lag wie gesagt ein
Häfchen, umgeben von Kiefern und Pappeln, ein Ensemble, wie es
in
Dänemark äußerst selten ist. Bereits von
einer Seemeile
Entfernung, also lange, bevor sich Details erkennen ließen,
wusste ich: Hier ist alles, aber auch wirklich alles, liebevoll gemacht
und improvisiert. Dass die grüne Markierung unseres freien
Liegeplatzes in Paula-gemäßer Herzform aus Sperrholz
ausgeschnitten war, ahnte ich natürlich noch nicht - aber
genau so
ist dieser Hafen. Und einen Kilometer landeinwärts beim
Kaufmann
gibt es ab morgens um acht, was der Mensch über Idylle hinaus
auch
noch dringend braucht.
Als
sich nichts mehr kräuselte, segelten wir trotzdem noch
über
einen Knoten, und der Hafen war in Hörweite. Die Stimmung war
traumhaft um uns herum, orange und rot und hellblau und dunkelblau und
pure Entspannung mit Vogelgeschnatter. In der Hafeneinfahrt war die
Fock wieder geborgen, und wir liefen 0,4 Knoten. Kommentar eines
überaus sympathischen Motorbootkapitäns: „N
büschn
Fahrt machste ja noch.“ Nun, sie reichte, um neben Salty in
die
Box zu schleichen. Mit dem letzten Schluck Wind der Abendbrise
anzulegen, ist so mit das Tollste überhaupt. Und es hat den
Vorteil, sofort nach dem Festmachen Sonnenuntergangsfotos knipsen,
aufgeregte SMS verschicken und ein Glas Anlegerotwein trinken zu
können. Die SMS gingen an alle, von denen ich hoffte, dass es
sie
interessierte, und enthielten den Tenor, dies sei definitiv der coolste
und schönste Hafen Dänemarks. An Salty
übergab ich den
in Korshavn erbeuteten Räucherfisch, und es wurde ein
Abendessen
mit Schwarzbrot und Butter vorbereitet. Bevor wir da gemeinsam
spachteln konnten, hatte ich aber noch etwas zu erledigen: Das
Großsegel wollte nun doch noch geborgen werden...
Vermissten
wir Martha und Frieda? Ein bisschen schon. Doch es tat auch gut, nach
dem ganzen Aggewaars von Regatta, Freunden, Fahrgästen,
Windrichtungen, wechselnden Flottillenbesetzungen und Chartercrews
endlich einmal zur Ruhe zu kommen und an diesem prächtigen
Abend
mit Salty und ihrer seit drei Jahren vertrauten Crew allein zu sein,
Räucheraal und -makrele zu genießen und den
Mücken bis
Mitternacht zu trotzen. Wer noch nie in diesem Hafen war, hat etwas
verpasst! Das Gleiche könnte ich auch über die
Svendborg
Classic Regatta, Ommel, Ristinge und neunundneunzig Prozent der 258
Meilen dieses Törns sagen.
Es
ging dann morgens aus dem Hafen und zielstrebig nach Hørup
Hav -
nicht der Bringer im Vergleich, aber ein schöner Segeltag mit
acht
Meilen hoch am Wind bei fünf Windstärken und einem
Meter
Welle und einem günstigen Ausgangspunkt für den
unvermeidlichen Rückweg in die Schlei. Salty reichte ein
exzellentes Nudelgericht rüber, als der Regen
aufhörte. Und
ich schrieb meinen Törnbericht und fragte mich, ob es mir auch
in
den folgenden Jahren weiterhin gelingen würde, mich und das
Drumherum immer wieder neu zu erfinden, um die Spannung und
Begeisterung auf diesem enorm hohen Niveau zu halten.
Ein Segelurlaub vom magischen Grill - was könnte
nächsten
Sommer darauf folgen? Paula und Salty verhalten sich dazu ganz ruhig -
es scheint so, als hätten sie bereits Ideen, von denen ich
noch
nichts ahne, die ich aber bald auf telepathischem Wege eingeimpft
bekommen werde.
weiter: Svendborg
Classic Regatta