Als die Anderen auslaufen, bin ich so entspannt wie selten: Keines
dieser Boote gehört mir, für niemanden dieser
Menschen trage ich irgendeine Verantwortung. Der einzige Faktor, den
wir nicht beeinflussen können, bleibt das einzige Manko des
Folkeboot-Treffens: West 5 Böen 7 genau in den zwei Stunden,
in denen wir gemeinsam segeln wollten. Paula und ich haben morgens
endgültig beschlossen, im Hafen zu bleiben.
* Die Fotos stammen aus 2019 und sind von Björn und
Robert (ex-Folkeboot
Lotte) - ich habe auch diesmal einfach genossen und
konsequent kein einziges Bild gemacht *
Ich weiß nämlich
schon, wie sich das anfühlt, in kleinen Schlägen mit
rasantem Speed und Schräglage, dass das Wasser ins Cockpit
fließt, gegen erhebliche Strömung an der Badestelle
vorbeizukreuzen. Zweifellos machbar oder jedenfalls
überlebbar, aber wem hätte ich es nötig, das
zu beweisen? Die lustige, entspannte Regatta, auf die ich mich gefreut
habe, gibt es heute nicht. Ich liebäugele mit ein bisschen
Mittagsstunde, doch daraus wird nichts, denn nach zwanzig Minuten
kommen die Ersten zurück. Ich bin nicht überrascht
und mache mich nützlich, indem ich Leinen annehme und das
Päckchenbilden koordiniere.
Zweimal fiel das Folkeboottreffen wegen Corona aus. Nun sind
erstaunliche 20 Boote dabei, plus einige Crews (Lovis, Pauline, ...)
auf dem Landweg. Vorbereitet haben wir so gut wie nichts: Auf die
bisher übliche Livemusik verzichten wir, weil es keinen
Freiwilligen gab, der sich darum gekümmert hätte. Und
weil es im Herbst, als der Termin feststand, noch allzu ungewiss war,
ob es überhaupt ein Treffen geben würde. Eine kleine
Bühne zu bauen und mit Strom und Wetterschutz zu versorgen,
war bisher immer der bei Weitem größte Aufwand, und
dann spielte die Band, ohne dass so richtig jemand zuhörte.
Vincent (Folkeboot Saga) kümmert sich um die
Getränke. Ich mich um Grills, Tische und Bänke sowie
helfende Hände, die mal eben so etwas durch den Hafen rollern.
Thomas (Lord Jim) um die gemeinsame Ausfahrt mit inoffiziellem
Regattacharakter, die gerade in den heftigen Böen gerupft
wird. Sogar Thomas hat angesichts der Bedingungen lieber darauf
verzichtet, ankernd eine Startlinie zu markieren und ein Signal zu
geben. „Lasst uns versuchen, halbwegs gleichzeitig an der
Tonne zu sein, und einfach ein schönes Bild
abzugeben.“ Er sagt auch: „Entschieden wird auf dem
Wasser.“ Anderswo würde ich entschieden
widersprechen - über die Frage, ob man überhaupt
ausläuft oder im Hafen bleibt, kann man ja auf dem Wasser
nicht mehr entscheiden, und es gibt Situationen, in denen Seegang,
Strömung oder sonst etwas die Rückkehr erschwert oder
unmöglich macht. Nicht so auf der Schlei - wer sich genug die
Haare zerzaust hat, kann jederzeit umkehren und in der WSG
geschützt und einigermaßen stressfrei anlegen.
Auch wenn Einzelne behaupten, die komplette Bahn abgesegelt zu sein,
darf als gesichert gelten, dass niemand auch nur die Starttonne
erreicht hat. Egal - es gibt keine Schäden, manche
genießen eine neue Erfahrung, und für
zusätzlichen Gesprächsstoff sorgt das Erlebnis auf
jeden Fall. Während die anderen noch ihre Segel packen und die
blauen Flecke zählen, taucht zu meiner großen Freude
die komplette Familie Lovis auf und hat Kaffee und Kuchen mitgebracht.
Nebenbei drapieren Paula, Henri und ich die noch fehlenden Tische auf
den Spielplatz. Thomas startet inzwischen den Grill.
Als die Holzkohle weiß glüht, packen die Ersten ihr
Grillgut rauf. Es entwickelt sich ein angenehm anarchisches Chaos, in
dessen Zentrum alles gewendet wird, was eine Wendung braucht, und jeder
zufrieden mit vollem Teller wieder an seinen Tisch
zurückkehrt. Corona, Ukraine, Klimaveränderung,
jünger werden wir alle auch nicht, und manch einer ist
vielleicht aus gesundheitlichen Gründen diesmal nicht mit
dabei. Doch die Veranstaltung ist unbeschwert, ein Treffen aus alten
Bekannten und neuen Gesichtern in Vorfreude auf die weitere
Segelsaison, und ich kann gar nicht deutlich genug schreiben, wie sehr
ich das genieße. Ich genieße es so sehr, dass ich
zu faul bin, ein einziges Foto zu knipsen. Das ist ein bisschen schade,
erzeugt es doch den völlig falschen Eindruck, es habe keine
würdigen Motive gegeben.
Als alle satt sind, treibt kurzer Nieselregen die Ersten ins Auto oder
unter die Kuchenbude. Die Verbliebenen rücken dichter an den
einzigen überdachten Grillplatz. Dort ist Platz für
nur zwanzig Leute, und als die zusammensitzen, packt Koko seine Gitarre
aus, weil die Stimmung danach verlangt. Zumindest er und Ulf
können darauf spielen und haben auch eine Gesangsstimme.
Dargeboten wird eine gesunde Mischung aus den üblichen
Lagerfeuerschnulzen und selteneren Titeln - auf meinen Wunsch hin
spielt Koko sogar ´39 von Queen. Gegen mangelnde
Textsicherheit hilft Google.
Morgens um neun oder zehn koordiniere ich den Rücktransport
der Tische zu ihren eigentlichen Plätzen. Nebenbei sammele ich
den Müll auf: Zwei Schaschlikspieße. Sieben
Kronkorken. Ein einziger Raucher hat es für eine schlaue Idee
gehalten, die Filter auf den Rasen zu werfen. Doch er hat nicht
allzuviel geraucht und verhielt sich den Abend über recht
stationär - der Job dauert zwanzig Sekunden, dann ist alles
sauber und aufgeräumt. Warum ich es überhaupt
erwähne? Weil es bemerkenswert ist, dass man ein Fest mit um
die 70 Leuten feiern kann, und das Aufräumen dauert keine
fünf Minuten. Ich möchte zu Protokoll geben: Folkebootsegler
mögen, jeder auf seine Art, schrullige Individualisten sein - doch
im Durchschnitt verfügen sie über erhebliche soziale
Kompetenz.
Als die Boote ablegen, werde ich mehrfach angesprochen: „Na -
nun sind alle wieder weg, ne?“ Ich sage: „Die haben
mich nicht gestört, die hätten gerne noch bleiben
dürfen.“
Nächster
Folkeboot-Termin: KLINKER-CUP in Faldsled und der Helnæs
Bugt, 8.-10. August. Hey, und Paula hat sich als Allererste angemeldet
zur anschließenden Svendborg Classic Regatta.