Folkeboote im Winterlager nicolas thon: fotografie -schreiben - segeln
Paula
Salty
Martha Frieda Oliese



Die schmale Perspektive des Dickenhobels - Winterarbeit 2017-18
Ende Oktober: Den ganzen Monat warteten die Boote eigentlich nur noch auf den Abschied vom kühlen Nass. Das kam eher von oben, unterm Kiel war alle paar Tage nicht mehr viel Wasser. Anders gesagt: Bei überwiegend ungemütlichem Wetter klang die Saison aus. Salty hatte noch zwei Skippertrainings zu erledigen. Martha diente als überdachter Salon, solange Paula noch keine Kuchenbude hatte. Oliese war schon weitgehend leergeräumt - sie kam ziemlich gerupft von ihrem letzten Törn zurück und genoss schon die wohlverdiente Entspannung.

Weil das, was wir so vorhaben in den nächsten fünf Monaten, schon geplant war, legten wir auch gleich los. Der softe Einstieg: Unterbauten für die Tanks, die künftig aufrecht stehen und zum Nachfüllen mühelos vorgezogen werden können - eine deutliche Erhöhung des Bedienkomforts.

 




Das Kranen war anstrengend - immer hakte etwas: Einen Tag kamen die Boote wie die Armada, lauerten wie die Geier darauf, an der Reihe zu sein, so dass wir ohne eigenes Drängeln bis zum Abend hätten warten können. Mal platzte der Schlauch des Hochdruckstrahlers, mal blieb der Kran stehen, als Jane gerade auf dem höchsten Punkt hin. Und so weiter. Aber schließlich war es geschafft, alle unter Dach, und noch bevor alle ihre endgültigen Plätze erreicht hatten, waren auch schon die ersten Teile ausgebaut. Gelebtes Chaos!

Nun verengte sich meine Weltsicht wieder auf die schmale Perspektive des Dickenhobels. Der ist eine ziemlich gefährliche Höllenmaschine, aber zuverlässig, unermüdlich und effektiv. Mein Gefühl geht oft an einem Tag in Richtung "Oh Mann, wie soll ich das bloß alles schaffen?", am nächsten frage ich mich, womit ich mir nach Weihnachten zu Zeit vertreiben könnte. Aber ich mag diesen extremen Wechsel zwischen Segelsaison und Trockensaison, zwischen Segeln (lassen) und Bootspflege. Es wird nicht langweilig und nicht zu einseitig. 

Mitte März: Minusgrade, Sturm, leichter Schneefall, Hochwasser an der Schlei. Aber der Klarlack ist geschafft! Das Zeitfenster zwischen den Frostperioden war gerade so lang, wie ich brauchte, um fünf Boote zu lackieren: Fünf Tage. Bei täglich sinkenden Temperaturen war es ein Kampf, den Lack jeweils richtig einzustellen. Leider genügte ein Tag, um das Ergebnis zu verzunzen: Am Donnerstag beschmierte ich drei Boote, bevor ein winziger Schluck Terpentinersatz dafür sorgte, dass zumindest noch Friedas Baum super wurde und Oliese einen vertretbaren Anstrich auf Cockpit und Aufbausüll bekam. Insgesamt wieder mal nicht perfekt, aber weil es freitags an den Außenhäuten immerhin passabel verlief und ich zwischendurch nie die Lust verlor, bin ich jetzt doch ziemlich zufrieden - der Rest wird nächstes Jahr sowieso wieder geschliffen und neu gemalt. Ein Tag Pause - der Lack soll ja in Ruhe aushärten!


Winterarbeit früherer Jahre

Paula 


Und dann auch noch ein Schaden am Ruderblatt! Ich inspizierte eigentlich nur das Unterwasserschiff auf blätternde Farbe, klebte ab und bereitete alles vor für Primer und Antifouling - doch am mittleren Ruderblattscharnier klaffte das Sperrholz auseinander. Ein ganz klarer Fall von Delaminierung und eingedrungener Feuchtigkeit, der beim Frost ein Stadium erreicht hatte, das nach sofortiger Reparatur verlangte. "Das brauchte ich jetzt nicht auch noch", seufzte ich. Und ahnte nicht, wie sehr ich mich täuschte.

Es war längst März, wir lagen schlecht im Zeitplan, das Wetter war gleichbleibend zu feucht und zu kalt, und mein Elan war aufbraucht. Auch ohne Ruderblattreparatur kämpfte ich mich schwerfällig durch manchen überlangen Arbeitstag und wollte längst nur noch segelklare Boote haben, anstatt selbst etwas dafür zu tun. Diese Zusatzaufgabe war bei näherer Betrachtung nicht allzu aufwändig, aber es irritierte mich, dass Paula so gar nicht zu bedauern schien, mir zusätzliche Arbeit verursacht zu haben. Das war so gar nicht ihre Art.

Ihre unermessliche Weisheit erkannte ich erst einige Tage später, als das Ruderblatt ausgespundet war und auf Hobeln und Schleifen wartete. Das lief immer so nebenbei, in der Hauptsache stand das Montieren sämtlicher Beschläge und Kleinteile auf dem Programm. Und das war mühsam genug - den ganzen Tag schrauben schrauben schrauben, und dauernd fehlte eine Schraube, passte ein Teil nicht, vermisste ich etwas oder erinnerte mich nicht mehr, wie ich das im Herbst geplant hatte. Meine Fristtrationstoleranz sank. Marthas Schiebeluk hatte ich nach kleinem Umbau ausprobiert. Natürlich vor dem Lackieren. Da passte und lief es einwandfrei. Jetzt, mit all den Lackschichten, saß es nach dem Anschrauben der Führungsschienen bombenfest.

Es war noch nichtmal sechzehn Uhr - doch ich freute mich in Wirklichkeit über die Ausrede, sofort nach Hause zu gehen und mich dem Schiebeluk morgens mit frischem Elan zuzuwenden. Ich baute es aus und legte es bereit, dann wandte ich mich ab - jedoch nicht, ohne den kleinen Schlenker zu Paulas Ruderblatt zu machen, über dessen Genesungsprozess sie, unterstützt von einer Wärmelampe für das aushärtende Epoxidharz, seit Tagen akribisch wachte. Das Zeug war fest und schleifbar. Und ein bisschen Hobeln und Schleifen traute ich mir in meinem Zustand gerade mal noch so zu.

Eine Stunde später war die Reparaturstelle verschliffen, die Aussparung für das Scharnier gesägt und das Loch gebohrt. An dieser Stelle der Erzählung vermuteten alle Eingeweihten, ich sei daraufhin also mit gutem Gefühl nach Hause gegangen. Aber völlig verkehrt: Mit gutem Gefühl und neuer Motivation begab ich mich an die Anpassung des Schiebeluks, baute es ein, freute mich riesig darüber, dass es nunmehr passte - und schraubte gleich noch Scharniere und Beschläge an Marthas Niedergangstür.

Was ich gebraucht hatte, war eine Abwechslung von der eintönigen Tätigkeit des Zusammenbauens - und die weitsichtige Paula hatte das erkannt, und da kam ihr ein schadhaftes Ruderblatt gerade Recht.

 Eine eigene Werkstatt nur für Paula? Das wäre übertrieben - das richtig große Projekt will sie ja immer gar nicht sein. Aber dann möchte sie doch ein paar Dinge gemacht haben: Das Schiebeluk hakt und hat an der Vorderseite einen Riss. Der Mast braucht hier und da ein bisschen Zuwendung - die Fockfallschiene ist zu tief angebracht (seit sechs Jahren), das untere Ende der Göhl ist so geweitet, dass es manchmal das Segelsetzen bzw. -einfädeln behindert (auch schon seit längerem). Die wichtigste Veränderung wird nächste Saison aber die Kuchenbude sein!

Eine etwas größere Sache gibt es aber doch noch. Vor vier Jahren hatte ich an der Backbordseite die alte Scheuerleiste und Fußreling recycelt und wieder angebaut - ein Experiment, von dem man jedem nur abraten kann: Zu viele Löcher, Risse und zu stumpfe Schäftungen.  Das wird jetzt korrigiert mit frischem Holz. Was als ärgerlicher Mehraufwand begann - "hätte ich bloß gleich ordentlich..." - erwies sich beim Abreißen der alten Leisten als hilfreich. Da sind nämlich zwei Stellen aufgetaucht, wo der Decksbelag sich gelöst hat von dem nassen, morschen Sperrholz darunter. Das wird also in bewährter Weise ausgebessert.

Wo ich schon dabei bin, Dinge ordentlich zu machen, an denen ich vor Jahren mangels Erfahrung recht dilletantisch herumoperiert habe, widme ich mich auch gleich noch den Fenstern und den Backskisten. Es ist übrigens erstaunlich, wie trostlos und nach Großbaustelle ein Boot sofort aussieht, wenn man daran herumbastelt. Im Grunde ist ja gar nicht viel los, aber als da auch noch die Brocken vom Kajütdach und die Späne der Oberfräse herumlagen, sprach der neue Hallennachbar gleich von "Refit-Projekt".

Dabei war ihm noch nicht mal aufgefallen, was direkt neben seinem eigenen, seit Jahren werftgepflegten und unbenutzten Seefahrtskreuzer steht: Ein Folkeboot-Wrack ohne Zukunft. Eine erste Bestandsaufnahme mit dem neuen Eigner ergab als dringenden, unaufschiebbaren Handlungsbedarf für diesen Winter: Decksbelag einschließlich 20% des Sperrholzes, Aufbausüll ringsum, Schlinge im Cockpitbereich, Kajütdach mindestens am Rand. Alles andere, das man sehen kann, ohne unter Deck und in der Bilge nachzusehen, ist auf jeden Fall auch hin. Wie es um Spanten und Bodenwrangen steht, will ich gar nicht wissen. Er sagte: "Im April, spätestens Mai, soll das Boot zu Wasser." Und ich habe es zunächst nicht übers Herz gebracht, die einzig sinnvolle Frage zu stellen: "April zu Wasser ist kein Problem, aber in welchem Jahr?"

Natürlich ist so etwas machbar. Aber tausend Arbeitsstunden werden da wohl reinfließen müssen, bis die Kiste wieder segeln darf, und locker leicht tausend Euro fürs Material. Für den Anfang. Tags darauf nach der Krisensitzung war das Projekt gecancelt.

Nun aber vom Exkurs zurück zu Paula: Der Mast war als Erstes an der Reihe - in dieses neue Stück Göhl wird sich das Vorliek wieder mit Freude einfädeln lassen anstatt mit Mühe.

Wie ich schon dabei war, habe ich alle Beschläge abgenommen, um sie neu - und diesmal vernünftig, d.h. mit angesenkten Löchern und ausreichend Gummi - einzudichten. Und da zeigte sich, dass der Jumpbock nach unten gerutscht war. Ein typisches Phänomen: Die beiden Bolzen arbeiten sich Spiel in das Loch, in dem sie stecken, verbiegen dabei und ziehen die restlichen Schräubchen mit. Abhilfe schaffen zwei Hülsen, die künftig die Bolzen aufnehmen. Es ist ein Experiment: Man sagte mir, zwei Millimeter Wandstärke müssten sein, aber die Auswahl bestand zwischen einem und sieben Millimetern. Letzteres schied aus - ich werde in das schlanke Mästchen wohl kaum zwei fünfzehner Löcher jubeln, noch dazu an neuralgischer Stelle. Also gilt es jetzt abzuwarten, wie sich das dünnwandige Niro bewährt. Mit ein bisschen Bohren war es natürlich nicht getan, weil: Einfach ist nie. Der Mast wollte auch gleich noch einen Spund an der Stelle, weil das Holz an der einen Seite bei Bohren tüchtig ausfranste. Genau genommen könnte ich den ganzen Winter mit dem Ausbessern von ein oder zwei Masten verbringen, danach wären sie perfekt, aber mir sitzen ja schon diverse Leute im Nacken, die nicht unendlich lange um meine zwanzig Meter lange Extrabaustelle drumherum arbeiten möchten. Pünktlich zum Lackieren ist es nasskalt geworden, das beschleunigt die Malerei nicht gerade: Zwei Schichten sind drauf und wirklich hübsch geworden (wobei das rohe Holz den Lack erstmal tüchtig weggeschlabbert hat, aber es ist ja gut, wenn er einzieht), nun ist ein Tag Pause ratsam. Zumindest sind die neuen Hülsen superpraktisch, wenn es darum geht, den Mast zum Malen auzuhängen.

Zwei weitere Tage Arbeit galten dem Schiebeluk. Die beschäftigen mich dieses Jahr bei allen Booten außer Salty - und Paulas hatte ja vor nicht allzu langer Zeit eine neue Oberfläche aus Mahagoni-Furnier bekommen. Fazit: Geht nicht. Nicht bei waagerechten Flächen mit hoher Sonneneinstrahlung. Es arbeitet zu doll, dadurch entstehen Risse im Furnier und im Lack. Wir versuchen es als Nächstes mit einer zusätzlichen Lage Sperrholz. Zuvor ersetzten großzügige Dübel das geschädigte Furnier - so musste ich es nicht komplett entfernen, sondern nur plan schleifen.

Und dann traten PU-Leim und Schraubzwingen in Aktion.








Mitte Januar sah Baustelle Paula schon wesentlich aufgeräumter aus. Wenn noch das Deck zumindest grundiert ist und alles scheckige wieder einfarbig und dezent wirkt, lässt sich die übliche Schönheit wieder erahnen. Für der nächste geeignete Wetterperiode (kalt und trocken) dachte ich an den Klarlack, denn die Dachleisten, die ich nebst Proppen dabei mitbearbeiten möchte, waren ja jetzt montiert. Wenn der Trend eher in Richtung nasskalt geht, würden wir erst die Bilge machen und das Deck grundieren - da kommt das nicht so drauf an.

Dazwischen lag natürlich eine Runde Schleifen. Grob kalkuliert hatte ich einen Tag pro Boot. Paula machte den Anfang und war bei Feierabend des ersten Tages noch lange nicht fertig. Allerdings war ich auch spät aufgestanden, hatte noch Büroarbeit zu erledigen, und nach der Werftarbeit warteten noch zu lackierende Kleinteile auf mich. Am Ende des zweiten Tages war ich mit Paula immerhin fast fertig - bis mir einfiel, dass ich ja unbedingt noch den Balkweger im Cockpit abziehen wollte. Ich bat sie, mich morgens daran zu erinnern, damit das nicht wieder verschoben werden musste.

Und ob sie mich erinnerte. Und zwar an den Balkweger, die halben Decksbalken und die Unterseite des Decksperrholzes, die etwas labile Ruderbank und die überhaupt nicht eingedichteten Schrauben der Winschpodeste. Wie ich da nun maikäferartig auf dem Rücken kauerte, mangels Cockpitboden immer wieder Richtung Bilge rutschte, über Kopf mit Schwingschleifer, Dreieckschleifer, Ziehklinge und sonstwas hantierte und mich immer wieder selbst vor die einzige Lampe wälzte, fiel mir noch ein zustätzliches Problem auf: Ein Nagel, der das Hauptschott mit der Schlinge verbindet. Ein ziemlich unsinniger Nagel, würde ich denken. Ein hässlicher Nagel, insofern er schräg eingeschlagen ist von der Innenseite des Schotts, und vor dem Erreichen der Schlinge ein Stück in der Luft hängt. Und ein reichlich problematischer Nagel, denn er war aus Stahl und rostete schon gewaltig. Jetzt war zweifellos der passendste aller Momente, den Kram beiderseits aus dem Holz zu operieren und die entstehenden Löcher zu verpfropfen. Ausnahmsweise hatte ich passende Proppen sogar noch liegen. Ihr ahnt, was ich mit den langen Ausführungen sagen möchte: Drei Tage, und Frieda wartete immer noch darauf, dass sie endlich an die Reihe kam mit dem Schleifen.

Nach dem Schleifen ging es dann endlich los mit dem Lackieren: Fenster, Aufbausüll, Dackbalken sowie Balkweger und Schlinge im Cockpit brauchten ja einen komplett neuen Lackaufbau. Das dauert. Und da konnte ich auch mal wieder keine Rücksicht aufs Wetter nehmen - pünktlich nach den ersten Pinselstrichen nistete sich erstmal der Frost ein, was kein Problem ist, wenn man ausreichend Zeit lässt zwischen den einzelnen Lackaufträgen. Und so wird das Schritt für Schritt alles wunderbar glänzend.  Hach - wie gerne hätte ich in diesem Stil bis zum Schluss weitergemacht. Aber Paula war ja immer als Erste dran. Als Versuchskaninchen. Je miserabler - beinahe hätte ich nen ruppigeren Ausdruck gebraucht - der Lack bei ihr lief, desto besser gelang es an Frieda. Ich fürchte, ich werde das die ganze Saison sehen. Aber ich weiß auch, was die Anderen sagen werden: "Oh, wie schön du wieder lackiert hast!" Jaja....




Salty: Am Fenster

Salty mag ihren Fensterplatz. Dort kann sie die sonnige Wärme der letzten Oktobertage ausgiebig genießen. Trotzdem ist sie nicht böse darum, sich in wenigen Stunden vom segelklaren Boot in eine Baustelle verwandelt zu haben: Es werden Tage kommen, an denen wir froh sind, an der geschützten Seite des Fensters zu sein. Und es gibt ja auch dringende Arbeiten zu verrichten:


Salty soll nun endlich ihr Echolot eingebaut bekommen. Vorerst liegt es immerhin schon auf dem Trailer. Das Ruderblatt braucht Pflege, und das Kajütdach auch. Kaum ist die ringsum verlaufende Teakleiste ab, schon zeigt sich: Höchste Zeit! Da ist schon reichlich Feuchtigkeit unters Glasfasergewebe gekraucht und hat dem Süll zugesetzt. 



Die äußere Leiste des Kajütdachs war folglich nicht mehr zu retten - sie ließ sich mit recht wenig Mühe abpulen. Der Aufwand bleibt damit im Rahmen, zumal es auf der Steuerbordseite wesentlich besser aussieht.







Also erstmal den Dreck wegmachen, hobeln, schleifen, trocknen lassen - und mit einer neuen Leiste sieht das Ganze schon längst nicht mehr so schlimm aus. Wenn der Leim ausgehärtet ist, muss die neue Leiste noch ein bisschen in Form kommen, dann darf sie hinter Glas verschwinden. 



Außer einem Streifen Glasfasergewebe ringsum verlangte das Kajütdach nach weiterer Bearbeitung: Bisher war es eine bergige Landschaft. Ein Geologe hätte seine Freude daran - so viele Schichten von unterschiedlichem Zeugs. Das Einebnen (Lack abkratzen, dann gründlich schleifen) förderte stellenweise schon GFK zutage, dicht daneben blieb die oberste Lackschicht unberührt. Uneben ist gar kein Ausdruck für so ein Drama, und dabei war da keineswegs nur Farbe drauf, sondern durchaus auch mal ein Versuch des Spachtelns. Der Versuch ist aber nur so gut wie die Mühe, die man sich beim anschließenden Schleifen gibt. Ich werde nun also versuchen, das nicht nur besser, sondern wirklich ordentlich hinzubekommen. Bis dahin sieht es scheckig aus, fühlt sich aber schon wesentlich glatter an als all die Jahre.

Zwischen den großen Aufgaben (Saltys Kajütdach, Marthas und Paulas Mast) war immer mal wieder Zeit für die Kleinigkeiten. Dazu gehörte der Salonboden. Verkratzt und unansehnlich geworden, hielt ich es für angemessen, die Flurbretter mal wieder aufzuarbeiten: Alten Lack ab, Löcher neu senken, die Aussparung für den Mast an dessen korrekte Position anpassen, hier und da ein Loch schließen.


Es folgten die ersten von zehn Lackschichten. Es bietet sich an, das so früh - schon Ende November - zu erledigen. Bei den kalten Temperaturen (ich möchte die Teile nicht unbedingt im Schlafzimmer aushärten lassen...) und der chronisch hohen Lösungsmittelkonzentration im Lackraum dauert es endlos, bis der Lack wirklich voll belastbar ist. Epifanes bleibt relativ lange "offen", das heißt ohne Anschleifen überstreichbar, und bis man da mit Schuhen draufrumtrampeln kann, ohne Macken zu hinterlassen, gehe ich tatsächlich eher von Monaten aus. Das Lackieren selbst geht einigermaßen zügig, wobei es sich empfielt, hin und wieder mal einen Tag zu warten mit der nächsten Schicht. Einen Zwischenschliff gibt es vor den letzten beiden Schichten. Es soll ja Menschen geben, die vor jeder Schicht schleifen - scheint mir komplett widersinnig: Ich möchte da ja etwas draufkriegen, da werde ich ja nicht den größten Teil gleich wieder wegnehmen. Außerdem verlängert es die Gesamtdauer über Gebühr. Ein Zwischenschliff genügt vollkommen, um die Oberfläche einzuebnen.

Im Laufe des Schleifens und Lackierens, des Guckens und Machens trug Salty sich an prominenter Stelle in die Liste für künftige Arbeiten ein, zu denen diesmal spontan beim besten Willen keine Zeit war. Irgendwelche Charterer müssen da wohl mal mit richtig Schmackes achteraus wo gegen gefahren sein. Jedenfalls ist die Ecke am Heck an Steuerbord ziemlich lädiert, gut versteckt unter Scheuerleiste und Fußreling. Die Planke ist gerissen und wird schwarz, und wer weiß, was sich da noch hinter dem Teakholz verbirgt. Die Winschpodeste kann ich auch mal abnehmen, unter ihnen hat die Schlinge gelitten, und das kann vorläufig, aber nicht auf Dauer, so bleiben. Salty hat sich entsprechende Zuwendung verdient, war sie doch diesmal bescheiden und hat doch optisch und technisch erheblich gewonnen.






Oliese: Freier Blick zur Hallendecke


Oliese überwinterte in bester Gesellschaft: Sie verbarg sich hinter Lene und Jane und hatte es schön hell und sonnig. Sie hatte da so eine Planke. Eine, die nicht gut aussah. Da sollten wir mal bei. Und dazu die tausend Kleinigkeiten.



Wir bauten erstmal schonmal ein paar Sachen aus: Das Schiebeluk, die Backskistendeckel, den Motorträger...










...um als erste Aktion dem kleinen Havarieschaden an der Fußreling zuleibe zu rücken. Ein kleiner Spund ist kein wirklich großer Aufwand, aber bis er wirklich passte, was es doch ein meditatives Stündchen oder so.















Es wurde Januar - Zeit für die ersten Lackierarbeiten. Wozu natürlich zu sagen ist, dass feuchte Kälte nicht hilfreich ist - das Ergebnis trägt die unverkennbare Aufschrift "Mm grummel naja kann so bleiben", keineswegs das beliebte Label "Super!" Aber irgendwo mussten wir ja anfangen, und solange noch weiße Farbe versehentlich runterzulaufen droht, macht das mit dem Klarlack keinen Sinn. Also zunächst die Kajütdächer. In der alten Tradition, oben schon zu malen und unten noch zu vernieten, haben wir uns parallel noch an ein bereits angekündigtes Projekt herangewagt.

Die Rätselfrage lautet: Was hat es zu bedeuten, wenn ich auf dem Betonboden sitzend durch Olieses Vorluk die Hallendecke sehen kann? Da ist jetzt räumliches Vorstellungsvermögen gefragt! Allerdings habe ich die Lösung ja schon angekündigt: Da ist eine Planke raus.





Geplant war, die dritte Planke von unten zu erneuern, und zwar vom Vorsteven bis zum Hauptschott. Die gute Nachricht: Hinter dem Stoß ist das Holz tatsächlich gesund - das ist ja nicht selbstverständlich, auch wenn offenkundig war, dass das ausgebaute Stück weich, feucht und mit G4 stabilisiert war. Es blieb nicht bei diesem einen Plankengang: Oberhalb muss ein kürzeres Stück ebenfalls neu, unterhalb wird mittschiffs ein Spund eingesetzt. Dann ist alles wieder topfit. Diese Arbeiten mache ich tunlichst nicht selbst: Das Einpassen, die Landung und die Falz beim Auslaufen in die Sponung sind Dinge, die viel handwerkliches Geschick und Erfahrung verlangen, und da lässt sich auch kaum basteln und improvisieren. Jede Ungenauigkeit führt zu einem undichten Boot. Und das soll und möchte Oliese nicht sein.

Immerhin - Spanten und Bodenwrangen machen einen gesunden Eindruck, und der Vorsteven ist zwar nicht mehr neuwertig, hat er doch unter eingesperrter Feuchtigkeit gelitten, aber er ist allemal noch solide. Weil man gerade so gut ankommt, werden gleich noch zwei zusätzliche Bolzen gesetzt, die der Verbindung vom Kiel zum Steven mehr Stabilität verleihen.




Während Niels die neue Lärche vorbereitet und ich das Drama saubermache, ergeben sich ganz neue Perspektiven: Kojen, Bodenwrangen, Dachhimmel von unten betrachten ohne Verrenkungen, und sogar ohne an Bord zu klettern - das ist eine hübsche Abwechslung.


Nach und nach kam dann erstmal ein Spund in die Planke unterhalb, und dann die neuen Stücke der beiden betroffenen Plankengänge. Erstmal verschraubt und geklebt, und wenn dann die Brettlaschen an den Stößen eingebaut und die Stöße kalfatet sind, können wir allmählich ans Vernieten denken.

Oliese macht sich ganz fabelhaft als Übermittlerin von Informationen zwischen Niels und mir. Einmal sagte sie mir zum Beispiel, dass da im Steven noch eine Schraube säße, die unbedingt raus müsse. Und dann sind da ja auch noch die diversen Regieanweisungen, aufgrund derer man auch jetzt, wo der mühelose Durchblick nicht mehr da ist, genau zuordnen kann, wo ein Spant und wo eine Bodenwrange sitzt. Das ist nicht ganz unerheblich für die Verständigung von Innen- und Außennieter.

Der Innennieter war dann ich, der Außennieter ein handverlesener, hochmotivierter Charterer, der sich einen Einblick in die winterlichen Entbehrungen eines Holzbooteigners wünschte (und gleichzeitig schlicht seine Unterstützung anbot), und das Komplettprogramm geboten bekam: Er durfte bei Minusgraden in unbequem gebeugter Haltung Schrauben entfernen, Löcher aufbohren, senken und Kupfernägel ins Holz hämmern. Und zwar insgesamt gut 120 Mal.

Damit es zeitlich nicht ausuferte, verzichtete ich darauf, auch noch hübsche Fotos von diesem Drama zu knipsen. Die Fortschritte, die wir gemeinsam machten, könnte ohnehin keine Kamera, sondern höchstens eine Stoppuhr erfassen: Für die ersten Vernietungen an Friedas Rumpf brauchten wir sechs Minuten, am zweiten Tag bei Oliese waren wir bei einem Schnitt von zwei Minuten. Den hielten wir, weil Claus schneller geworden war, ich bequemeren Zugang zu meinem Part hatte, wir eingespielter waren. Und auch, weil ich an unzugänglichen Stellen (unter der Mastspur, neben dem Vorsteven) ohne lange Experimente beschloss, auf Kupfernieten zu verzichten und hinterher Schrauben M5 zu verwenden. Das konnte ich dann auch alleine - wobei es ein mächtiges Gefummel war. Fazit: Wo ich nicht mit dem Hammer hinkomme, habe ich auch mit den Fingern Probleme...









Frieda: Solidarität unter Schwestern


Frieda findet es gut, den Winter über hinter verschlossenen Türen zu stehen: Zerzaust von der Saison und auseinandergepflückt von meinen wohlmeinenden Händen, möchte sie nicht öffentlich auftreten.

Frieda hatte eine kleine Macke oben am Heckspiegel, vermutlich Folge unachtsames Manövrierens in der Box. Sie war schnell ausgespundet, und bei dieser Gelegenheit stellte ich auch gleich fest, dass eine Achterstagpütting recht locker war. Also Schrauben raus, Proppen an die Stellen, neue Löcher gebohrt - fertig. Die halb lose Achterstagtalje hing seitdem am Spiegel herab.

Warum erwähne ich diese Nebensächlichkeiten? Weil man ohne diese Information nicht verstehen kann, was im Januar passierte, als es ans Lackieren all dieser kleinen Reparaturstellen ging. Dabei mussten die zwei Stellen am Heckspiegel jedes Mal mitbedacht werden, was man leicht vergessen kann, wenn man mit Vorluk, Aufbau und Cockpit fertig ist und schon mit Blick auf Martha und Saltys Ruderblatt die Leiter runterklettert. Und die Talje baumelte durchaus in einem oft genutzten Weg Richtung Werkbank und Martha, aber so, dass ich in all diesen Wochen nicht ein einziges Mal dagegen stieß.

Inzwischen bekam Frieda mit, dass an Olieses Außenhaut etwas nicht stimmte und neue Planken vonnöten waren. Dass ihre Schwester nun womöglich als unser Sorgenkind dastand, konnte sie nicht zulassen - am nächsten Tag nutzte sie mein harmloses Kratzen im dem letzten Teil der Bilge, den ich bisher noch nicht von blätternder Farbe befreit und neu gemalt hatte, um sich solidarisch zu erklären: Plötzlich hakte die Ziehklinge in der Außenhaut.

Ich hielt inne. Guckte. Guckte ein bisschen genauer. Kratze vorsichtig weiter. Und sagte: "Nee. Das kann so nicht bleiben." Statt mir allerdings die Haare zu raufen, baute ich das schadhafte Stück Planke aus, schnitt von den angrenzenden Planken weg, was ausgespundet werden musste, organisierte ein Stück Lärche und war abends bereits guter Dinge: Erstens war es so viel besser, als das Problem erst beim Kranen oder im Laufe der Saison zu bemerken, und zweitens traute ich mir in diesem übersichtlichen, gut zugänglichen Bereich die Reparatur selbst zu.

Der ungeplante Mehraufwand bedeutete natürlich zusätzlichen Wirrwarr im Kopf, und so lackierte ich an einem der folgenden Tage die Cockpitrückseite, dachte noch an die Stellen am Heckspiegel, stieg von der Leiter und rannte sofort zu Martha. Und als ich mit Martha und dem Ruderblatt fertig war, packte ich meine Sachen und war im Begriff, mich zu verabschieden. Und rannte gegen Friedas Achterstagtalje.

Ich wusste sofort, was sie mir sagen wollte: Der Heckspiegel! Vergessen! Es fällt mir selbst schwer zu erklären, wie ein Boot es schafft, ein Stück Tauwerk anders aufzuhängen, noch dazu, ohne dass das Tauwerk seine Postition verändert - aber genau das ist passiert. Und zwar nicht zufällig, sondern um meine Aufmerksamkeit zu erregen. Die Boote reparieren sich quasi selbst, benötigen nicht mehr als ein bisschen Hilfestellung, und können auch noch recht deutlich sagen, worin die bestehen soll - ich war - und bleibe - begeistert.

Diese Begeisterung erlitt allerdings einen Dämpfer, als ich noch eine weitere Stelle an Friedas Außenhaut entdeckte, die sofort ausgebessert werden musste. Allmählich verlor ich dann doch die Geduld und die Lust, und ich fand, nun sei es aber genug mit der Solidarität. Am nächsten Morgen, voll Optimismus und Entschlossenheit, diese letzte Reparatur zügig und solide zu erledigen, begrüßte ich Frieda im Scherz mit "Hallo, Sorgenkind." Oh, wie tief war sie geknickt! Absolut untröstlich. An diesem Tag rannte ich nicht weniger als drei Mal gegen die Achterstagtalje.

Aber keine Sorge: Wir redeten ausgiebig, denn Reden hilft. Abends bekam Paula den Auftrag, Frieda aufzuheitern. Und am nächsten Morgen, bevor ich mich Paulas Heckspiegel zuwandte, stellte ich den dafür benötigten Tritt erstmal unter Friedas Vorsteven, damit ich mich von dort aus an ihr Vorschiff klammern und mit ihr kuscheln konnte. Prompt vollbrachte sie das Kunststück, das Epoxidharz bei zwei Grad Celsius in einem Tag aushärten zu lassen. Naja, sie hatte ja auch einen 400W-Baustrahler zur Verfügung...

Vor diesem kleinen Drama schafften wir gemeinsam bereits eine Menge. Frieda wart ja nun wirklich hübsch geworden mit neuem Deck, neuen Scheuerleisten und vor allem dem schicken Vorluk. Jetzt war das Schiebeluk - ideal standard-Teak-Sperrholz aus Kerteminde - ein bisschen der Schandfleck auf der makellosen Schönheit.

Ein zweiter Schönheitsfehler entstand während der Saison, als die Rückseite des Cockpitsülls dem Gewicht des taumelnden Rudergängers nicht standhielt. Provisorisch war das eine halbe Stunde nach dem Anlegen repariert. Als Dauerlösung dachte ich mir eine Aufdopplung von innen aus, die auch gleich die zwecklosen Beschläge nebst Aussparungen verschwinden lässt und wieder richtige Stabilität schafft.

Das Einpassen des neuen "Innensülls" ging erstaunlich reibungslos: Zwei Schmiegen, dazu noch der Strak, der dafür sorgt, dass das Teil ein bisschen länger sein musste als der direkte Abstand von Backbord nach Steuerbord - das roch nach stundenlanger Fleißarbeit. Doch nein - einmal Maß genommen, an der Werkbank gesägt und glattgeschliffen, und schon passte es und konnte eingeklebt werden. Tags darauf gab es dann einen "Deckel", der oben auf altem und neuem Teil aufliegt. Jetzt sieht es so aus, als sei es nie anders gewesen.



















Schließlich bekam Frieda - wie ihre Schwestern - neue Verschlüsse für das Vorluk. Letztes Jahr waren die falschen gekommen, und zwar welche, die sich beim Schließen des Luks selbst im Weg waren. Die richtige Version des gleichen Modells muss es mal gegeben haben, Martha hat nämlich solche, aber bei Toplicht erinnerte sich niemand daran, jemals diese zweite Version im Programm gehabt zu haben. Es half also nichts, ich musste mir ein neues Modell aussuchen.

Also leider auch sämtliche Löcher neu bohren, die alten verpfropfen und die Umgebung komplett neu lackieren. Aber ich bin optimistisch, damit jetzt eine gut und dauerhaft praktikable Lösung gefunden zu haben.

Es zählt nicht gerade zu meinen Lieblingsbeschäftigungen, in Serienproduktion Beschläge abzunehmen, Löcher zu schließen, neue zu bohren (nervenstark ohne Tiefenanschlag in 15 mm Holz), Beschläge anzuschrauben, dabei die guten Bronzeschrauben zu verhunzen, alles wieder abzuschrauben und die Löcher zu senken, damit später die Mumpe zum Eindichten Platz hat. Hier mal ein Loch übersehen, da mal einen Bohrer nicht in der Tasche, also nochmal Leiter runter und wieder rauf und wieder runter und wieder rauf - bei drei Grad in der Halle hält das warm und ansonsten ja auch fit, aber es ist schon erstaunlich, wie erschöpft man abends sein kann, wenn man im Grunde nur ein paar kleine Bronzeschräubchen gedreht hat. Aber dann durfte ich auf der Liste den Vermerk "Feinschliff" hinter das Stichwort "Vorluk" schreiben und freute mich wieder auf den nächsten Arbeitstag.

Nun aber zum Thema Schiebeluk. Das alte in schmuckloser Kerteminde-Qualität war schon im Neuzustand alles andere als schön. Als ich Frieda übernahm, bedurfte es einer gründlichen Aufarbeitung, um nicht gleich auseinanderzufallen. Inzwischen war es wirklich vollkommen unansehnlich geworden. Aber es taugte immerhin noch wunderbar als Vorlage für das Neubauprojekt: Zuerst bog ich darauf die zwei Lagen Bootsbausperrholz in Form. Dann nahm ich es mit in die Werkstatt und nahm Maß.

Nach einem Vormittag zwischen Kreissäge, Dickenhobel und Bandschleifer, Zollstock und Bleistift niemals außer Reichweite lassend, waren wir immerhin schon auf dem Stand, wie Ikea seine Möbel ausliefert. Nun warteten die Einzelteile auf die feinen Anpassungen an Bord. Also wieder Leiter rauf runter rauf runter bis alles strakt und läuft und tadellos ist. Letztlich musste natürlich das Lukensüll tüchtig angepasst werden, zumal ich einen peinlichen Messfehler kaschieren musste. Schließlich erreichten wir die Details, und Ikea lag hinter uns - so viel klassisches Design bieten die gar nicht erst an.






Mitte Januar war Friedas Liste so weit abgearbeitet, und es kam die Solidaritätsbekundung mit Oli. Nun denn - im Ausbauen defekter Planken hatte ich ja schon Übung. Nachdem dann ein wunderbar astreines, langsam gewachsenes Stück Fichte (!) aufgetrieben war, ging es erstmal an die zwei Spunde oberhalb und unterhalb des komplett entfernten Plankenstücks. Als besonderes Bonbon durfte ich dem einen Spund einen Falz verpassen, weil die zweite Planke in diesem Bereich allmählich in die Kielplanke ausläuft - es war wirklich aufschlussreich, bei dieser Gelegenheit überhaupt mal zu sehen, wie das konstrukiert ist. Das fällt einem ja gar nicht auf, solange man das Boot nicht auseinanderbaut.

Beim Verleimen der Spunde galt es, nicht an Schraubzwingen zu sparen - ich lieh mir sicherheitshalber noch einige aus, weil ich hauptsächlich riesige und winzige besitze. Frieda und ich brauchten hier einiges an Hilfskonstruktionen, damit Planke und Spund fluchten und um genügend Anpressdruck zu gewährleisten.



Der große Test war natürlich das Einsetzen des neuen Plankenstücks nebst Laschen. Vorläufige Einschätzung: Sieht ziemlich gut aus! Ich hätte gerne so genau gearbeitet, dass die Stöße nicht kalfatet werden müssen, aber das erscheint mir im Nachhinein beinahe unmöglich: Die Planke biegt, optisch kaum wahrnehmbar, ganz erheblich, und diese Biegung lässt sich erst im letzten Moment erzeugen, wenn das Holz bereits eingesetzt ist. Mit jeder Schraube wird es also kürzer, der Spalt an den Stößen wächst. Die Lücke schließt also ein Stück Baumwollfaden, und schon ist Friedas Rumpf wieder perfekt, und ich habe von ihr eine ganze Menge gelernt. Danke, Frieda!

So sieht das Ganze dann von innen aus, wo jetzt endlich die seit Wochen bereitstehende Bilgefarbe aufgetragen werden darf:







Frieda und ich kamen auch mit erheblich weniger Regieanweisungen aus als Oliese, auf deren Außenhaut ja zwei Leute rumkritzelten. Ob ich dort jetzt mit jedem Vermerk etwas anfangen kann, weiß ich noch nicht so recht... In Friedas Fall war es mir wichtig, nicht aus versehen das neue Plankenstück verkehrt rum einzusetzen - wir, also im Wesentlichen ich, haben uns auf einen Pfeil in Schiffsvorausrichtung und einen zweiten Pfeil gen Himmel verständigt. Damit ist eigentlich jedes Teil eindeutig gekennzeichnet.

Stellt man die Frage nach der Ursache, warum hochwertiges Holz nach gut vierzig Jahren gammelt, wenn es doch auch achtzig Jahre oder länger halten könnte, so scheint die Antwort diesmal nicht "Stahlnägel" zu lauten. Denn die Nägel, mit denen auch Friedas Planken an den Bodenwrangen befestigt sind, zeigten sich kerngesund und beinahe rostfrei. Die Bodenwrangen waren, vor allem in der Mitte, wo die Nägel stecken, in perfektem Zustand - und es wäre doch erstaunlich, wenn die Reaktion zwischen dem Eisen und der Gerbsäure der Eiche sich nebenan in der Lärche abspielen würde.

Es hatte aber ein Vorbesitzer ohne technischen Sachverstand, den man jetzt zur Strafe kielholen sollte, die mittelschlaue Idee, den Spalt zwischen Bodenwrangen und daneben sitzenden Spanten mit Sikaflex abzudichten. Das sollte wohl verhindern, dass Dreck in die Ritze fällt. Man kann sich aber leicht vorstellen, dass der Dreck dann eben von der Seite eindringt, vor allem aber die unvermeidliche Feuchtigkeit nun eingesperrt ist. Die Bodenwrangen halten sich wacker. Die Spanten sind in dem Bereich alle mehr oder weniger hinüber, hatten aber ihre Hauptaufgabe während des Aufplankens beim Bau des Bootes, als die Wrangen noch gar nicht drin waren. Dass nun aber auch die Außenhaut angegriffen ist, ist wirklich unschön. Allerdings auch kein Drama, inzwischen freue ich mich über die Bewältigung einer neuen Aufgabe und Frieda über ihre Solidarität mit Oli. Und zur Ehrenrettung des Vorbesitzers sei erwähnt, dass ich Frieda inklusive des Sikaflex in ihrer Bilge schon seit fünf Jahren kenne und das absehbare Problem erst jetzt angegangen bin. Bei wem sollte ich mich also beschweren?

Nein - wenn sie dann wieder tadellos schwimmt, will ich mich ja gar nicht beschweren. Zuvor mussten wir allerdings noch eine Runde vernieten. Claus musste hier erstmal ein paar Dinge lernen, und wir mussten uns einspielen, bevor es an Olieses Planken dann wirklich fluffig lief. Was nicht heißen soll, dass Frieda nun total verhunzt ist - es hat einfach nur anfangs länger gedauert als hinterher, und das ist erstens normal und zweitens ein wunderbares Ergebnis, das die gemachten Fortschritte reflektiert. Wie bei Oliese gab es auch hier einen Bereich, wo ich schnell die Entscheidung zu Gewinderschrauben statt Nieten fällte: Die hintere Brettlasche sitzt in einem Bilgesegment, wo gerade genug Platz für einen Hammer ist - aber nicht für das Nietwerkzeug und schon gar nicht zum Ausholen.

Nun denn - Claus hat sich hoffentlich keine nachhaltigen Verspannungen oder Infektionskrankheiten zugezogen, und ich habe inzwischen die Schrauben gesetzt, die Temperaturen steigen, und das Epoxi zum Verspachteln der Kupernägel wartet darauf, angerührt zu werden.








Martha: Rauchende Colts


Einer von Marthas Vorbesitzern muss großer Western-Fan gewesen sein. Vermutlich wurde das Segeln am Wochenende immer so getimt, dass er pünktlich 17 Uhr 40 vorm Fernseh saß, denn es lief "Rauchende Colts". Und so dachte sich Martha: Wenn schon am Sonntag gearbeitet wird und das Fernsehen flachfällt, spielen wir eben Rauchende Colts.


Aufmerksame Leser kennen das Spiel ja vom letzten Winterarbeitsblog, also spare ich mir erklärende Worte: Es ging um die restlichen Eisennägel im Rumpf. Es sei lediglich erwähnt, dass es hundsgemein ist, wenn eine Bodenwrange nach dem Vorbohren verrutscht ist, sämtliche Nägel also einen Knick machen. Besonders gemein, wenn man diese Wrange als erste erwischt. Der Start wurde so extrem frustrierend - für die ersten eineinhalb Nägel verbrauchte ich schon den ersten der knappen Kernbohrer. Aber danach lief es recht fluffig, und nachmittags erinnerte die Luft in der Halle schön an einen Wildwest-Saloon nach einer wilden Schießerei.

Also gut, dann doch noch ein paar erläuternde Worte: Wessen Boot vernagelte Bodenwrangen hat, muss sich irgendwann auch dieser Tätigkeit widmen. Manche Nägel waren noch in erstaunlich gutem Zustand, von anderen blieb nach fünfzig Jahren kaum mehr als ein paar Krümel reduzierten Eisens übrig, und das Problem besteht eher noch darin, dass das gute Eichenholz dabei zu zähem Schlamm wird.  Was man dazu außer drei Tagen Zeit noch so alles braucht, erzähle ich gerne auf Anfrage - man muss die Arbeit nicht über zwei Winter verteilen. Nach dem Ausbohren müssen die Planken noch ordentlich mit den Bodenwrangen verschraubt, die Löcher verpropft und die Schraubenköpfe verspachtelt werden. Also nochmal ein bis zwei Tage. Aber dann hat sich die Lebenserwartung des Bootes gleich wieder um einige Jahre verlängert.

Ist übrigens ganz praktisch, dass ein Schluck Kühlwasser für den Bohrer schon im Holz steckt. Trotzdem gäbe es allen Grund zu jammern: Der Rauch beißt manchmal in den Augen, die Körperhaltung unter dem Rumpf ist auf Dauer sehr unbequem, der Gang zum Schraubstock zwecks Reinigung des Bohrers strengt an und hält auf. Und so weiter. Und wenn der Rumpf voller Löcher ist, ist ja noch lange nicht Schluss.

Denn die Wrangen wollen ja wieder verschaubt und die Löcher verschlossen werden. Sie unter ständigem Geklecker mit 10er Dübeln und üppig Epoxi zu stopfen, ist schon wieder eine mittelschöne Arbeit. Geht aber schnell, wenn sie gut organisiert ist. Damit eine saubere Oberfläche entsteht und nicht irgendein Gespichtel und Gespachtel, kommt am nächsten Tag der 20er Forstnerbohrer zum Einsatz, gefolgt von passenden Proppen, und bei der Gelegenheit dürfen gerne die neuen Schrauben verspachtelt werden. 

Darüber sammelt sich unter dem Boot eine Menge Müll an: Späne, Nagelreste, verschlissene Bohrer. Epoxitropfen, Plastikbecher, Pinsel, Gummihandschuhe, Reste von Leisten, aus denen die Proppen gebohrt waren, abgestochene Proppen. Tape, noch mehr Leisten, weitere Proppen.





Nach erledigter Arbeit - also mit verspachtelten Schrauben und abgestochenen 20er Proppen, vor dem Verschleifen gönnten wir dem Harz ein paar Tage zum Aushärten - lohnte der Aufwand, mit dem Besen durchzugehen. Und es war ja auch ein markanter Punkt des Jahres: Zu Weihnachten durfte die Halle sauber und die wesentlichen Holzarbeiten erledigt sein. Fazit: Wir lagen gut im Plan.

An Martha war danach nicht mehr viel zu machen außer zielgerichtetem Abziehen, Schleifen und Lackieren. Ich fand es an der Zeit, mich unter Deck einen Meter nach vorne zu wühlen: Bisher war bis zum Hauptdecksbalken das Meiste abgezogen, nun waren die nächsten Decksbalken, die Umgebung des Vorluks und Marthas Special, das Vorpiekschapp, an der Reihe. Außerdem fiel mir mit Entsetzen auf, dass auch der Balkweger im Cockpit auf der Liste stand. Ein Kontrollblick zeigte, dass ich das nicht zum Spaß aufgeschrieben hatte. Nachdem ich aber gerade drei Tage an Paula herumgekratzt und anschließend in Friedas weicher Planke gestochert hatte, musste ich doch ein wenig seufzen, als es schon wieder hieß, mir auf dem Rücken liegend bröckelnden Lack in die Augen zu schubbern. Ich schärfte ihr ein: "Den Balkweger, Martha, nur den Balkweger. Keine große Aktion!" Ihre Bescheidenheit belohnte ich mit neuem Lack für einen Teil der Innenseite der Außenhaut. Was nun leider wohl bis nächstes Jahr kleben bleibt, ist das unsägliche G4 unter der Backbordkoje. Dafür habe ich aber auch noch ein Stück Außenhaut von außen abgezogen, wo die Blasen unter dem Lack besonders gravierend waren. Hach, und sonnenuntergangsrot statt honiggelb sieht die Lärche nunmal wirklich erheblich schicker aus und verlangt danach, diesen Schritt ringsum bald nachzuvollziehen. Doch für kommenden Herbst hat Martha erstmal einen Wellnessurlaub gebucht...

Zuvor hatte ich mit dem Mast Größeres vor: die olle Mastrutscherschiene entsorgen, die alte, mit Besenstielen und Epoxi aufgefüllte Göhl abnehmen und eine neue bauen. Hui, wenn das mal klappt!



Der erste Schritt, das Abhobeln der alten Göhl, ging schonmal ganz gut von der Hand. Dann fand sich ein auf den ersten Blick schönes Stück rumänischer Kiefer, das Niels mir für den Zweck wärmstens empfahl. Nicht gerade astrein und frei von Schönheitsfehlern, das gute Holz - es brauchte es einige Tage Aufwand, bis das Ergebnis bereit zum Verleimen war.













Man nehme: Alle verfügbaren Schraubzwingen, Nervenstärke und vierzehn Hübe Expoxi (zehn hätten es auch getan).  Ich bin ja sonst ein großer Freund von PU-Leim, aber hier kam der nicht in Frage: Er reagiert zu schnell, um in aller Ruhe auf achteinhalb Metern Länge aufgetragen zu werden. Selbst das restliche Epoxi im Rührbecher war schon hart, als ich mit den Zwingen so weit war.

Jetzt sieht es noch ein bisschen eckig aus, und ein Segel durchziehen kann man durch diese Göhl auch noch nicht - das wird Martha nicht gefallen. Da muss ich wohl noch nacharbeiten...






Inzwischen sind schon die ersten beiden Lackschichten drauf. Muss sich noch in der Praxis bewähren, aber der Aufwand war in Ordnung, und das Ergebnis sieht zwar nicht perfekt, aber wirklich zufriedenstellend aus. Und gelernt habe ich dabei auch, zum Beispiel, dass ich nächstes Mal lieber mit kürzeren Stücken arbeite und eine Schäftung mehr in Kauf nehme. In einer Werkstatt, die auf 2- bis 3-Meter-Stücke ausgerichtet ist, lassen sich sechseinhalb Meter nicht wirklich maschinell bearbeiten, man kommt von der einen Seite nicht an den Dickenhobel ran und auf der anderen Seite nicht aus der Kreissäge raus. Von Hand ist es aber erheblich aufwändiger, den Kram auf Maß zu bringen und das Maß dann auch zu halten. Weil ich den Verschnitt für Paulas Mast sowie diverse Nachbesserungen brauchte, war das Material ein bisschen knapp - es kam genau hin, aber es ist wesentlich angenehmer, die Oberfräse bis in das überstehende Stück laufen zu lassen und es hinterher auf Maß zu kappen, anstatt die letzten Zentimeter mehr oder weniger freihand fräsen zu müssen. Und für die Öffnung der Göhl muss ich mir auch etwas Besseres einfallen lassen, als sie mit der Handkreissäge zu schneiden und die restlichen eineinhalb Millimeter von Hand zu schleifen, dabei die Geduld zu verlieren und mit dem Multimaster tausend Kinken zu sägen. Aber von diesen Einschränkungen abgesehen bin ich zufrieden.

Martha verfügt über ein gewisses Talent, auf sehr charmante und unwiderstehliche Weise Sätze zu formulieren, die mit "Guck dir dies mir mal an, das müsste doch auch mal...." beginnen. Diesmal betraf das ihr Schiebeluksüll. Das ist dieser H-förmige Rahmen, der das Luk nicht nur abdichtet, sondern auf dem es auch läuft. Von oben werden dort Messingschienen aufgeschraubt, die verhindern, dass der Lukendeckel sich einfach abheben lässt bzw. verloren geht. Im Umkehrschluss heißt das: jedes Mal, wenn das Luk bearbeitet werden soll, müssen die Schienen ab, also die Schrauben alle raus. Nicht jeder macht sich die Mühe, sie danach mit Gummi einzudichten, und nicht bei jeder Schraube gelingt das immer - im Ergebnis dringt über die Jahre schön Feuchtigkeit in die Löcher. Martha hatte Recht: Der rotte Kram war früher oder später fällig, und ich gerade so schön in Stimmung.

Nun ist das Kajütdach eine extrem dreidimensionale Angelegenheit, entsprechend frickelig geriet das Anpassen dieser Leisten. Wenn ich mit solchen Teilen fernab des Bootes in der Werkstatt vor den Maschinen stehe, kommt mein räumliches Vorstellungsvermögen manchmal an müdigkeitsbedingte Grenzen, und dann wird auch mal die Schmiege verkehrtherum angeschliffen. Reichlich Hobeln von Hand ließ sich ohnehin nicht vermeiden, wobei das ja mal eine recht angenehme Tätigkeit ist - einen geeigneten und scharfen Hobel vorausgesetzt. Inzwischen passt alles und möchte nur noch vor dem endgültigen Einbau lackiert werden.

Bei einer Sache musste mir Martha nicht durch knirschendes, knackendes Holz mitteilen, dass sie ihr am Herzen liegt, denn wir waren uns seit Jahren einig: Das Plastikbulleye in der Aufbaufront musste endlich durch ein richtiges Schiffsfenster ersetzt werden! Zum Glück liefert Toplicht ein solches genau in der Größe des vorhandenenen Lochs - ich musste da nur ein bisschen saubermachen und Platz für den Gegenring schaffen, der von innen in das Fenster eingreift, also etwas mehr Platz beansprucht. Auf Millimeterarbeit kam es nicht an, weil das alles später hinter dem Gegenrahmen verschwindet. Wichtig war, beim Einbau ausreichend MS-Polymer zu verwenden - nur wenn es überall üppig rausquillt und eine Riesensauerei entsteht, ist man auf einem guten Wege zu 100%iger Dichtigkeit.

Mit welchen Tricks und Verrenkungen es mir gelungen ist, die Muttern anzuziehen, obwohl die Schrauben mitdrehten, verrate ich nicht. Ich hätte nur ein, zwei Tage warten müssen, bis sich mal wieder jemand zweites in die Halle verirrt, der sich zweifellos gerne für fünf Minuten Gegenhalten hätte shanghaien lassen. Aber ich habe lieber eine Stunde experimentiert - zu groß war der Wunsch, den Punkt gleich abends von der Liste streichen zu können. Später bereute ich das ein bisschen. Nicht, weil das Ergebnis eine Katastrophe wäre - sieht im Gegenteil todschick aus. Aber ich befürchtete, dass mir zu Weihnachten die Arbeit ausgeht und die große Langeweile Einzug hält. Die Sorge war unberechtigt, dafür sorgte allein schon Frieda.