| Folkeboote im Winterlager | |
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Die
ersten Arbeiten für den soften Einstieg noch im Hafen: Die
Reitbalken. Dabei
habe ich delaminierte bzw. perforierte Schlingen entdeckt und in
Olieses Fall sofort ausgebessert. In Marthas Fall jedenfalls ausgebaut
und Ersatz vorbereitet - ich kam dann nicht mehr weiter, als das
Seitenteil des Hauptschotts im Wege war. Das ist mit der
Außenhaut verschraubt bis unter die Wasserlinie.
Als es damit also nicht weiterging, habe ich mich wieder den Masten
zugewandt: Hülsen für die durchgebogenen Bolzen am
Jumpbock,
Metallrahmen für die ausgeschlagenen Scheibenkästen,
hier und
da ein bisschen Holz - und dann Baustopp, erst im Februar kam das
Holz für die
neue Göhl. Am meisten nach Baustelle sah zunächst
Paula aus.
Sie trug noch ein paar stählerne, ziemlich rostige
Stevenbolzen mit sich herum, und ich konnte nicht widerstehen, sofort
daran herumzufummeln.
Kielnaht
neu kalfaten, die letzten vier alten Stevenbolzen ersetzen,
beharrlich blätternden Unterwasseranstrich zumindest in
Teilbereichen erneuern - das klingt danach, dass ich Paula
diesmal
vorwiegend von unten sah. Bzw. von oben kopfüber in die
Bilge. Das mit den Bolzen hat sich als nötig erwiesen, da war
nicht mehr viel von nach. Die hinterste verbolzte
Bodenwrange ließ sich ziemlich leicht entfernen, mit dem
Stevenbolzen drin. Das war aber ein Blindbolzen, der einfach stramm in
einem Loch im Stevenknie steckte. Zunächst schien es mir so,
als
sei er mitten im Stevenknie einfach abgerissen, doch die Suche nach dem
Rest war erfolglos. Weil ich dabei aber den Holzkiel ein
Stück aufgeprokelt hatte, gibt es dort nun einen Spalt
unterhalb
der betreffenden Bodenwrange, und mit dem langen Bohrer traf
ich genau diesen Spalt, so dass ich dort dem
künftigen
V4A-Bolzen eine schöne Mutter nebst U-Scheibe verpassen konnte
- so
bekommt das Gesamtwerk deutlich mehr halt.
Ein besonderes
Abenteuer war die alte Mastspur. Sie bestand im Wesentlichen aus einem
zwanzig Zentimeter hohen Kantholz auf dem Vorsteven. Das ist eine
ziemlich unzulängliche Konstruktion, wir wollen ja die
Riggkräfte in den Rumpf einleiten und nicht in den Steven, und
eine solche Erhöhung sorgt auch noch für einen
zusätzlichen Hebelarm. Im Zusammenhang mit dem Mastbruch
damals
habe ich Paula eine ordentliche Mastspur über die beiden
benachbarten Bodenwrangen hinweg gebaut. Das ergab sich so, weil der
neue Mast kürzer war. Die alte Konstruktion habe ich einfach
gelassen, wie sie war, und seitdem nicht mehr angeguckt.
Nun interessierte mich aber doch die Herkunft des rostigen Wassers in
der Bilge, also warf ich mal wieder einen Blick dorthin - und entdeckte
vier rostige Bolzenenden. Es hätte mir genügt, die
einfach zu
entfernen, doch in diesem Zusammenhang hat das Wort "einfach" definitiv
nichts verloren. Ausbohren? Der Rohrbohrer wühlt sich
irgendwann
in nassem Holz fest, wird die Späne nicht mehr los, sondern
verstopft vom entstehenden Schlamm und kommt nicht mehr weiter. Nach
diversen Experimenten war ein Stecheisen das Mittel der Wahl. Es sieht
jetzt nicht mehr ganz so gut aus, nachdem es die Hälfte des
Kantholzes in tausend Brocken zerlegen musste, bis die Blindbolzen
freigelegt waren. Die andere Hälfte der alten Mastspur konnte
ich
dann einfach rausnehmen.
Doch die Bolzen blieben im Vorsteven stecken. Dessen Holz sah
erstaunlich gesund aus, wenn man bedenkt, wie viel nasser Gammelkram
jahrelang auf ihm gelegen hat, und so soll das auch bleiben, weswegen
der rostige Stahl wegmusste. Nochmal überbohren, so weit es
ging,
danach habe ich zum dritten Mal die Hydraulikpumpe an Bord geschleppt
und auf die Bolzen - oder sollte ich sie Rundstahl nennen? - erstmal
schöne Gewinde geschnitten, auf die eine Augmutter passte, an
der
die Hydraulik dann ansetzen konnte. Hub für Hub, "Krrk Krrk
Krrk",
löste sich der ganze Mist.
Wir
wollten aber ja nicht nur Alteisen entfernen und Eichenholz retten,
sondern auch ein bisschen Leckagebeseitigung betreiben. Deshalb habe
ich
Dichtmasse und Kalfatbaumwolle aus Kielnaht und Sponungen komplett
entfernt. Was darunter zum Vorschein kam, durfte bis
Weihnachten ein
bisschen trocknen. Die Geschenke lagen statt unterm Tannenbaum unter
Paula, und es handelte sich um geliehene Kalfateisen, eine Spindel
Baumwolle und zwei Kartuschen Tikalflex. Kalfaten ist eine
schöne,
traditionelle Arbeit, aber auch eine, nach der man seine Arme
spürt... Immerhin hatte ich geübt, vor Paula war
nämlich
Salty mit ähnlichen Dingen an der Reihe.
Wie das ja so ist mit der jahrzehntelangen Interaktion rostigen Eisens
mit Eichenholz: Ganz ohne Blessuren blieb das nicht, aber für
richtig große Schäden waren wir noch rechtzeitig.
Das
unterste Stück des Achterstevens wirkte ziemlich geschunden
und
war beim Entfernen des Bolzens im Weg. Da ist jetzt ein neues
Stück angeschäftet, und verkleben ließ es
sich nur mit
einer undurchschaubaren Hilfskonstruktion. Kreative Lösungen
aus
herumliegenden Brettern und Schraubzwingen habe ich echt liebgewonnen. 


Anfang
März: Stephan von der Werft in Grödersby wirft einen
Blick
auf Marthas Fenster. Beginnende Risse, dazu Niro-Schrauben in
Messingrahmen - ob mir das schon aufgefallen sei und so. Ich antworte:
"Ich finde, Martha und ich haben für diesen Winter genug
geleistet." Und kaum jemand weiß so gut wie Stephan, dass ich
Recht habe. 
Vor
zwei Jahren unterzog sich Folkeboot Lene an gleicher Stelle derselben
Prozedur - und wirkte todunglücklich, so als habe sie mit
Wärmepackungen und reichlich Entspannung gerechnet, bevor
zuerst
eine rigorose Diät sie der Hälfte ihres Gewichtes
beraubte
und dann der Zahnarzt mit dem großen Bohrer an Bord kam.
Martha
war vom ersten Tag an froh und glücklich (nur musste sie zwei
Wochen an Land im Hafen warten, bis sie ihren Platz beziehen durfte,
und dachte da schon, wir hätten sie dort vergessen). Tapfer
ließ sie sich den Ballast abtrennen und das Alteisen aus dem
Rumpf bohren, treiben und ziehen. Während ich ihr Ersatz
für
die fünf Bodenwrangen anfertigte, die die Prozedur nicht
überstanden hatten, begab sie sich vertrauensvoll in den
Winterschlaf.
Zunächst
war ich an der Reihe: Cockpit- und Salonboden, Handlenzpumpe und andere
Dinge ausbauen. Muttern lösen bzw. abflexen (50/50). Proppen
aus
Vor- und Achtersteven bohren. Vorstevenbolzen austreiben (ging super).
Achterstevenbolzen vergeblich versuchen auszutreiben (war nicht anders
zu erwarten, der Weg durch die Bodenwrangen etc. ist lang und
festgerostet). Bodenwrangen der Achterstevenbolzen ausbauen (hat allein
fast zwei Tage gedauert).
Dann
trat das Werftteam in Aktion, und mit ihm die Kettenzüge.
Durch
gezielte Hammerschläge gelang es, dass sich zwischen Holzkiel
und
Ballast vorne ein kleiner Spalt auftat. Multimaster, Keile und
Elektrofuchsschwanz hatten etwas zu fassen, worauf sie sich gierig
stürzten. Von Kielbolzen zu Kielbolzen arbeiteten Andreas und
ich
uns vor, bis es beim letzten Bolzen ordentlich knirschte und der
Ballast frei auf den Trailer sackte.
Das
Gusseinen mit den prall in ihm steckenden unteren Teilen der
Kielbolzen, also die halbe Martha, reiste ab - in eine Schlosserei, die
hoffentlich eine Idee hat, wie man den Kram da rauskriegt. Die andere
halbe Martha setzten wir sanft auf Böcke. Und dann begann das
Gepuzzel. Grundidee: Ein paar Hammerschläge abwechselnd von
oben
und unten, um den stramm im Holz sitzenden Bolzen ansatzweise zu
lösen. Dann von unten ein Gewinde in den bündig
abgeschnittenen Bolzen schneiden, einen Augbolzen reindrehen, daran mit
der Hydraulik ziehen und gleichzeitig von oben mit
Hammerschlägen
nachhelfen. Beim ersten Kielbolzen ging das supergut. Und er sah auch
insgesamt so aus, als hätte er locker noch dreißig
Jahre
überstanden.
Aus
dem zweiten Kielbolzen flog der Augbolzen sofort wieder raus. Er war so
vergammelt, dass um unser Gewinde herum nicht mehr viel Substanz war.
Endlich also ein handfester Grund für die ganze Operation! Wir
versuchten es von oben, unter Deck, wo ja noch die volle
Materialstärke in Form eines inzwischen etwas
pilzförmig
gehauenen Gewindes vorhanden war: Bohren, Gewindeschneiden, Hydraulik,
von unten lösende Hammerschläge. Ging phantastisch!
Flutschte
mehr oder weniger einfach so raus.
Kielbolzen
Nummer drei: Auf die gleiche Weise, nicht nur, weil es ja eben so gut
ging, sondern auch, weil von unten ein abgebrochener Bohrer
drinsteckte. Ergebnis: Fünf Millimeter rauf und runter,
knirschende Bodenwrange, aber kein erkennbarer Fortschritt. Dann war
erstmal Feierabend. Martha sieht das Ganze gelassen - sie
weiß
ja, dass nach und nach alles gut wird, auch das, was unterwegs zu Bruch
geht. Lene ("Folkeboot Lene hatte sich den Wellness-Urlaub im
Sanatorium Grödersby anders vogestellt...") machte vor zwei
Jahren
einen unglücklicheren Eindruck. Trotzdem war mir wohler, als
das ganze Alteisen endlich raus war aus dem Boot.
Fünf neue Bodenwrangen sind es geworden. Die anzufertigen, ist
mit
freiem Zugang zu Bandsäge und Hobelbank kein großes
Problem.
Das bestand eher schon im Bohren der Löcher für die
Kielbolzen. Die Lösung, mit der ich am besten zurechtkam,
bestand
in der Verwendung der Ständerbohrmaschine. Deren zu geringem
Hub
ließ sich dadurch beikommen, den Bohrer nicht etwa
rauszuziehen,
sondern in der Wrange stecken zu lassen, sie mit anzuheben und mit
weiteren Pallhölzern zu unterfüttern. Ein in allen
Dimensionen gerades Loch schafft man nur mit Hilfe einer
aufwändigen Hilfskonstruktion, aber nach einigem Ausprobieren
und
Üben ging es besser als urpsrünglich gedacht. Ein
einziges
Stück habe ich verbohrt, aber es war noch ein bisschen Eiche
da,
um es schnell neu zu sägen.
Zwischendurch haben wir noch ein paar andere Sachen erledigt: Die
Schlinge im Cockpitbereich an Steuerbord ist neu, und auch die
Befestitung des Reitbalkens steckt schon drin. Am Hauptschott sind die
aufgerissenen Leimungen ausgeleistet, das Eichenstück an
Steuerbord ist komplett neu und bereits eingebaut, die Schwelle am
Niedergang hat durch einen zusätzlichen Balken Festigkeit und
Torsionsstabilität. Die Rüsteisenspanten - die waren
genagelt! - sind ausgebaut und aufgearbeitet und kommen dann mit
ordentlichen V4A-Schrauben wieder rein. Für diese Arbeiten
musste
Martha nach und nach völlig geleert werden: Vorpiek,
Salonkojen,
Schwalbennester, Salon- und Cockpitboden, Wegerungen - alles ist raus,
bis auf die Schapps. Das wird noch ein Riesenspaß, den ganzen
Kram wieder einzubauen.
Doch vorher möchte der inzwischen gesandstrahlte Ballast
geprimert
und geprimert und geprimert und gespachtelt, geschliffen und noch
dreimal geprimert werden. Parallel dazu kommen aus verschiedenen
Himmelsrichtungen die ganzen Bolzen und der Teerfilz, so dass wir
Anfang Januar zwei Tonnen Bootsgewicht wieder zu einer einzigen Martha
zusammensetzen können.
Die erträgt die Prozedur nicht nur mit
der gleichen stoischen
Gelassenheit, mit der sie segelt, wie ich anfangs den Eindruck hatte.
Sie hat einfach komplett abgeschaltet und entspannt sich. Gelegentlich,
wenn ich sie um Hilfe bei der Suche nach einem Werkzeug bitte, kommt
sie zu sich, aber dann muss sich sich wirklich erst aufrappeln und
einen Überblick verschaffen, bevor sie mir sagen kann, wo es
liegt. Dieses kaum ermessliche Vertrauen in die Qualität
meiner
Arbeit ist wirklich rührend - und ich werde es nicht
enttäuschen! 