| Folkeboote im Winterlager | |
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Zwischen
den Booten in der Halle ist es eigentümlich still. Staubige
Einsamkeit dominiert die Holzwerkstatt. Im ausgekühlten
Pausenraum finden keine Pausen statt. Das Farbenraum genannte
Materiallager wirkt auf den ersten Blick ausgedünnt und
unausgewogen: Ein ganzer Karton Mundspatel, aber nur fünf Paar
Nitrilhandschuhe; Schleifpapier, von der Rolle und für die
Maschine, nur noch 100er Körnung und feiner.
Staubbindetücher gibt es zum Abwinken. In dem
"Abreißgewebe" beschrifteten Karton tummeln sich zerfetzte
Glasfasergewebereste. Abreißgewebe gibt es auch, aber nur auf
einer 12cm breiten Rolle. Immerhin, Epoxi nebst Füllstoffen
ist genug da für einen einzigen Kunden...
Es
stimmt ja auch nicht ganz: Hinter ihr stehen ganz viele Boote, das
Winterlager ist voll, und die Werkstatt gehört weder ihr noch
mir. Doch Stephan hat den Betrieb in den letzten Jahren kontinuierlich
verkleinert und macht jetzt nur noch Winterlager und überhaupt
nicht mehr Bootswerft. Als Paula und ich hier kleinlaut, unerfahren und
planlos ankamen, sprangen fünf oder sechs Gesellen herum, dazu
der Meister und ein Auszubildender, gelegentlich eine Praktikantin und
außerdem ein verlässlicher Anteil von Bootseignern,
die in jeder freien Minute ihres Rentnerdaseins selbst Hand anlegten.
Vom Zugucken, von Gesprächen in den Pausen, vom Ausprobieren
und Tipps Beherzigen habe ich hier Bootsbau gelernt. Jetzt muss und
darf ich allein klarkommen und beweisen, dass ich das kann.
Komplett ungestört sind wir nicht. Eines Montags
öffnet
sich das große Schiebtor. Burkhard, der von sich sagt: "Jetzt
such ich meine Gasmaske" und Peter, der über Burkhard sagt:
"Das ist
ein zerstreuter Professor!", wollen Koralles Mast lackieren.
Burkhard hat heute ein anderes Thema, alle drei Minuten sagt er die
Temperatur durch: "Immer noch sieben Komma zwei Grad." Ich verziehe
mich in die Holzwerkstatt. Ich brauche bestimmt noch einen Riegel 10er
Teakproppen...
geplant:
Jetzt
haben wir also einen neuen Punkt auf der Liste, der nach und nach
bei allen Booten abzuarbeiten sein wird: Der Heckspiegel. Es geht
vornehmlich um den kritischen Bereich unterhalb der Wasserlinie, wo de
Spiegel herzförmig zusammen- und dann in den Steven
ausläuft. Paulas zum Beispiel entpuppt sich als
überaus mulchig - ein Fall für Stecheisen und
Oberfräse. Dann aber die spannende Frage: Wie kriege ich hier
neues Holz rein, ohne den ganzen Spiegel auszubauen? Die Planken
umgeben ihn ja so, dass man nicht einfach einen Schnitt machen und ein
Stück rausnehmen kann. Oder das vielleicht doch bei dem rotten
Zustand des Holzes - aber frisches Holz bekommt man nicht hinein.
Ein Gespräch mit Bootsbaumeister Andreas. Eine Runde
Gehirnschmalz. Dann entsteht in meinem Kopf ein fünfteiliges
Puzzle mit gewagten Schäftungen und komplizierten Schmiegen.
Für die Puzzleteile benutzen wir diverse Pappschablonen und
viel Geduld, dazu einen Schwung Mahagonireste aus der Werft. Bei den
Schmiegen hilft ein Geradschleifer, noch mehr Geduld und zuletzt die
Erkenntnis: Besser wird es jetzt nicht mehr, den Rest erledigt das
Wunderdicht. Bevor der ganze Kram mit Epoxi und amtlichen Schrauben
eingebaut werden kann, muss aber erstmal der Steven trocknen. Das Holz
ist noch fest, immerhin, aber triefend nass. Vielleicht soll ich da
noch einen kräftigen Schluck Imp reinkippen, damit es unter
der Reparaturstelle nicht gleich wieder losmuckelt...
Huah, was für ein Kampf! Das fünfteilige
Heckspiegelpuzzle ist die erwartete Herausforderung. Die begann ja
schon damit, die Teile einzupassen mit all den unerhörten
Schmiegen. Einmal habe ich so lange dran rumgefiedelt, bis das
Stück zu klein war und ich von vorne beginnen musste. Seit
alles passt, habe ich den Kram wochenlang nicht angefasst,
während Paula ihren Achtersteven ein bisschen trocknen
ließ. Doch jetzt, kurz vor Weihnachten, ist es endlich so
weit.
Bestmögliche Vorbereitung? Haha, ich werde improvisieren
müssen. Um vier Uhr konnte ich nicht mehr schlafen, um
fünf bin ich schließlich aufgestanden - das hat den
Vorteil, jetzt richtig früh am Tag loszulegen. Alles hinters
Heck holen, was wir brauchen. Tikal zwischen Puzzlestücke und
Planken. Ordentlich Epoxi zwischen das Puzzle. Vorsichtig
reindrücken. Dann in Position hämmern - sitzt ja
stramm, wie es sich gehört. Die neuen Spiegelstücke
bohren und mit dem Steven verschrauben. Oh ja, das schafft was - Harz
drückt aus den Fugen, kleckert herum wie sowieso schon die
ganze Zeit, aber das sieht gut aus jetzt. Schnell Tape auf die Fugen,
damit das Zeug nicht vollständig raussickert. Auf dem Boden
türmen sich die Nitrilhandschuhe - um das Werkzeug nicht
vollzusauen, nehme ich immer wieder ein frisches Paar.
Uha, das Meiste ist geschafft. Jetzt nur noch die Planken gegen den
Spiegel verschrauben. Schafft auch was, sie ziehen sich schön
ran, jetzt quillt Tikal aus den Fugen. Dass nicht alle Schrauben tief
genug versenkt sind, um sie hinterher verspachteln zu können,
ist mir jetzt egal. Ich werde sie einzeln herausdrehen, nachsenken und
wieder einschrauben. Ganz in Ruhe, an einem anderen Tag. Jetzt nur
schnell noch die rausgequollene Sauerei mit dem Mundspatel entfernen,
dann darf Paula sich ums Aushärten kümmern.
Ich
atme durch. Und dann schiebe ich die ganzen Sachen rüber
zu Salty und wiederhole die ganze Aktion. Und als nächstes,
noch
immer im Januar, während Oli und ich mit schwindender Geduld
auf
die neuen Kielbolzen warten, widme ich mich mit Paula der
Sommerkollektion 2020: Außenhaut gründlich schleifen
- wir
arbeiten uns durch alle Farbnuancen der letzten Jahrzehnte. Grundieren
- für einen Tag ist sie wieder dunkelblau. Versuch eins - was
der
Hersteller "Creme" nennt, ist ein drastisches Gelb. Abends gibt es bei
allen, die meiner Enttäuschung zustimmen, Pellkartoffeln mit
Senfsauce. Nicht bei uns. Bei uns gibt es eine neue Mischung, ein
Drittel Creme, zwei Drittel Weiß, und dann bin ich gut
zufrieden
mit dem Ergebnis. Es fehlt nur noch ein letzter Schliff und eine
Endschicht bei günstiger Witterung. 
geplant:
Man muss wissen: Ich habe einen Rhythmus geplant. Montag bis Freitag
bin ich in der Werft bei Hauptprojekt Oli. Freitags bereite ich
nebenbei alles vor für den Samstag, den ich in der Halle mit
Paula, Salty und den Kleinteilen verbringe. Sonntag ist Büro,
Wohnung, Mittagsstunde und ein bisschen Pause. Zu tun gibt es immer
genug, da ist ja auch noch der Lackierraum, der vorläufig so
aussieht, als sei ein eingesperrtes Nashorn in Panik geraten.
Irgendwann will ich hier lackieren - ohne etwas Vorbereitung wird das
nicht gehen. Und das bisher allzu improvisierte Büro
möchte in eine wohnliche Ikea-Wunderwelt verwandelt werden.
Oder jedenfalls ich möchte das. Ein schönes
Bastelprogramm für einen Sonntag. Ach, und mein selbstgebautes
Sofa werde ich jetzt auch an die Gegebenheiten der neuen Wohnung
anpassen, und das bedeutet, es zu zerlegen und spiegelverkehrt wieder
zusammenzusetzen. Ich bin ja auch erst vor sieben Jahren eingezogen...
Wenn man allerdings Andreas danach fragt, greift der sich nicht nur
sofort zum Mobil-Klönkassn und telefoniert sämtliche
darin gespeicherten Holzhändler ab, sondern redet auch mit
seiner ebenfalls bootsbauernden Mitbewohnerin darüber, und so
kam es, dass ich eines trüben Morgens in Flensburg die
Nut-und-Feder-Reste vom Decksbau eines Traditionsseglers abholen
konnte. Brettware statt Bohlen, ein bisschen feucht vom
Außenlager, aber tauglich - für 50 Euro.
Besäumt, geputzt und gehobelt habe ich das Zeug gestern. Nun
geht das Puzzlespiel los.
Der Cockpitboden ist so weit fertig, muss nur noch vernünftig
verschraubt werden, und sieht todschick aus. Die Spunde am Schergang
sind angeklebt. Salty wirkt zufrieden. Was denn nun aber mit der neuen
Ruderbank? Ja, da steht schon das Sperrholz...
Ein Blick rüber zu Paula verrät mir: Der Clou an der
Ruderbank ist der Strak. Man sitzt ja beim Segeln immer nur in einer
Ecke. In der Mitte darf das gute Stück ruhig schmaler sein,
dann hat man mehr Platz für die Beine. Und über Nacht
habe ich mir auch überlegt, wie ich eine Führung
für die Oberfräse konstuiere, um Paulas Strak auf
Saltys Sperrholz zu übertragen. Umleimer ran, fertig.
Für heute jedenfalls. Die Backskisten sind auch relativ
zügig verleimt. Ich mache weiter mit diesem und mit jenem
Kleinkram, bis mir wirklich nichts Dringendes mehr einfällt,
dann fahre ich zurück nach Sörup. Im Hellen!!!
"Salty, das macht keinen Spaß!" Ich muss jammern. Die
ausgebauten Winschpodeste wollen aufgearbeitet werden. Sie waren
vollflächig mit Deck und Süll verklebt mittels einer
Gummipantsche, die ich jetzt mit dem Stecheisen runterschaben muss.
Absolut lächerlich war die weitere Befestigung:
Sechs-Millimeter-Bronzeschrauben durchs Süll, die dort, tief
eingesenkt und verpfropft, so gut wie kein Fleisch hatten,
dafür aber so endlos ins Winschpodest ragten, dass sie sich
nach all den Jahrzehnten beim besten Willen nicht mehr drehen
ließen und ausgebohrt werden mussten. Ist egal, da kommen
überall Proppen rein. Aber dies blöde Geschabe an dem
Gummi jetzt...
Ich machte es langsam, gründlich, ordentlich, in Ruhe. Und vor
allem: Total entspannt. Normalerweise stresst es mich, mit Kiloweise
Epoxi rumzuschmieren, ich fühle mich unter Zeitdruck, bin mir
allzu bewusst, dass mir im Laminieren Routine fehlt, die ich auch gar
nicht anstrebe, denn dazu müsste ich das öfter
machen, und wer reißt schon gerne Decks nur zum Üben
auseinander?
Das wird keine große Aktion. Soll es ja auch nicht. Deckel
ab, Leiste ran, fertig. Aber dann fallen wir die vielen Löcher
und Unansehnlichkeiten auf, die von früheren Versuchen zeugen,
auf die Schnelle die Pantry ein bisschen praktischer zu gestalten. Hier
war mal ein blöder Kugelschnäpper angeschraubt, da
saß mal dies, dort klebte mal das. Die Klappe des
Besteckfachs lässt sich nicht vollständig
öffnen - weil der Vorreiber der Tür im Wege
wäre, wird sie von einer Fangleine aus Takelgarn gestoppt. Ich
mache mich daran, den Vorreiber umzusetzen. Möglichst unter
Verwendung bestehender Löcher, ich will den Rahmen nicht noch
mehr perforieren. Doch die einzige mögliche neue Position
würde den Vorreiber tief unten neben dem Niedergang
verschwinden lassen - ich sehe vor meinem geistigen Auge schon die
ersten Charterer mit Gewalt an der Tür reißen, weil
sie den Verschluss nicht entdecken. Ach die Tür - sie klemmt!
Da schafft der Simshobel Abhilfe, aber schöner ist sie davon
nicht geworden. Ohnehin ist die Außenlage des Sperrholzes
Stellenweise durchgeschliffen. Anderswo ist sie so dünn, dass
sich eine Luft- oder Dampfblase darunter gebildet hat. Und
schließlich wird mir auch bewusst, dass die Tür im
Grunde zur völlig verkehrten Seite öffnet - wer kramt
denn vom Cockpit aus nach Töpfen?
geplant:
Langsam
und stetig dreht sich der Bohrer in den rostigen Stahl. Ein Kranz von
Spänen türmt sich um das Loch. Rauch steigt auf, es
riecht nach heißem Öl. Noch ist der Bohrer scharf.
Er darf nicht überhitzen.
Hub für Hub zerrt der Hydraulikheber am Kielbolzen. Ein
Stück
ist er schon rausgekommen aus seiner Bodenwrange, und sie ist nichtmal
aufgerissen. Weitere
Hübe, bis zum Anschlag, dann ein dickeres Pallholz als
Unterlage. Und weiter, Hub für Hub. In der Halle ist Stephan
aufgetaucht. Freudige Begrüßung, Smalltalk. Das
letzte Stück Kielbolzen flutscht aus dem Holz. Der Heber kippt
um. Längst ist die Gemütlichkeit der Kajüte
staubigem Baustellenflair gewichen. Überall
Pallhölzer, Keile, Werkzeug, Dreck. Alles rutscht und poltert
in
die
Bilge, einschließlich mir - der Halt gebende Cockpitboden war
im
Weg und
ist ausgebaut. Und jetzt ein weiterer Bolzen, ein weiteres
Erfolgserlebnis!
Die
Bodenwrange muss raus. Nicht nur, weil sich dann der Bolzen - er
verbindet sie mit Stevenknie und Kielbohle - leichter ausbauen
lässt. Vor allem wird der kurze Nachbarbolzen, dessen Mutter
direkt auf dem Stevenknie sitzt, halb von der Bodenwrange verdeckt.
Wie
war das noch beim Überbohren des Stevenbolzens? Klebte da
nicht jede Menge altes Sikaflex am Bohrer? Ich ahne Böses -
das bisschen Kraft, das ich mit dem Kuhfuß ausüben
kann, ist nicht stark und kontinuierlich genug, um den
hartnäckigen Kleber zu lösen. "Oli, sag du", seufze
ich. Und erhalte, zuverlässig wie immer, meine Intuition.
Krrk, Krrk, Hub um Hub strafft sich das Seil. Es reckt sich und reckt
sich, spannt sich und spannt sich, wird dünner und
dünner, der Knoten zieht sich zusammen. Ich achte auf meine
Sitzposition: Wenn das Seil reißt, was jeden Moment passiert
wird, möchte ich außerhalb der Schussrichtung sein.
Ein weiterer Hub. Krrk. Noch einer. Krrk. Resigniert sehe ich auch
diesen Versuch scheitern und habe keine Idee für den
nächsten. Gedankenverloren drücke ich den Hebel.
"Schrrrrrrrnkkkk!", sagt die Bodenwrange.
Das
Bodenwrangenunterteil ist aber auch wirklich witzig: Es besteht aus
irgendeinem Tropenholz - keine Jahresringe - und ist aus zwei Teilen
verleimt. Das kann man machen, wenn man keinen langen Bohrer hat, das
Loch für den Bolzen also mit der Oberfräse macht.
Aber üblicherweise baut man es dann so, dass die beiden Teile
nach dem Verschleifen bündig sind. Hier passt immer nur ein
Teil, deswegen auch das ganze Gummi - das sollte nämlich die
entstandenen Lücken füllen. Naja. Ganz
hinfällig ist diese Bodenwrange noch nicht. Sie wird
hübsch aufgearbeitet und kommt wieder an ihren Platz. Und ich
notiere mir, dass ich sie im Blick behalten werde. Dringender Rat an
alle Hobbybastler: Baut eure reparierten Teile tunlichst so ein, dass
man sie auch wieder ausbauen kann! Keine Verklebungen an unsinnigen
Stellen!
Dritter
Tag. Vier Bolzen noch. Nummer eins verbindet Stevenknie und
Achtersteven. Keine Wrange. Ich versuche ihn auszutreiben. Er verbiegt.
Verschwindet in der Eiche. Auch sitzt er extrem fest. Ich versuche ihn
nach innen zu treiben. Der Kopf ist im Steven eingesenkt.
Überbohren von innen ist die einzige Chance. Dazu muss ich ihn
wieder gerade biegen. Dafür wiederum muss ich ihn
überhaupt
erst wiederfinden. Der Bohrer findet ihn tatsächlich, aber es
kostet Zähne.
Kostet Schärfe. Bedeutet dauerndes Festfressen. Ich bohre dann
doch unterm Boot liegend den
Kopf weg. Treibe ihn von außen nach innen. Treibe den Rest
des Kopfs durch ein Loch, das zu klein für ihn ist. Erfolg
nach zwei Stunden. Puh. Nummer zwei.
Stevenknie und Kielbohle. Keine Wrange. Schön senkrecht nach
unten. Er kommt ein Stück, der Kopf taucht auf. Drehen mit dem
Schraubenschlüssel würde ihn lösen. Der
"Kopf" ist eine Sechskantmutter. Sie ist nicht schön
festgerostet wie bei den anderen. Sie löst sich sofort.
Überbohren, Treiben von unten - alles keine Option: Das Brett
des Trailers ist im Weg. Also muss er weiter runter. Ich
überbohre. Stecke ein Rohr in das Loch, das den Bolzen
umringt, damit der Austreiber ihn zuverlässig trifft und ich
ihn nicht ins Holz neben den Bolzen schlage. Endlich habe ich ihn weit
genug raus. Gripzange, Kuhfuß, viel Geduld. Er kommt raus.
Nach zwei Stunden. Dafür steckt oben das Rohr bombenfest...
Nummer
vier. Hinterste Bodenwrange. Zum Glück kenne ich das Spiel
schon: Beim Einbau wurde der Bolzen rechtwinklig durch den Achtersteven
gesteckt, dann die Bodenwrange draufgestülpt, und beim
Positionieren der Bodenwrange wurde der Bolzen um dreißig
Grad geknickt. Bei den neuen V4A-Bolzen wird das nicht gehen. Das
Material ist zu hart und spröde. Aber raus geht es ganz
einfach, wenn man den Bolzenverlauf kennt. Und zuerst die Bodenwrange
ausbaut. Nochmal einen Schwung Löcher in den Rumpf. Dann geht
es ganz leicht. Und auch der Bolzen kommt beinahe freiwillig. Punkt 13
Uhr zwanzig sind alle r.a.u.s.!!
Der Rest des Tages vergeht damit, das Chaos zu ordnen. Im Cockpit und
unterm Heck liegt Werkzeug jeglicher Größe zwischen
Pallhölzern, Brocken, Bronzeschrauben, Stahlnägeln
und verbogenen Bolzenresten. Dazu jede Menge Dreck und
Krümelkram. Zum Feierabend ist die Baustelle so, dass man
morgen hier weitermachen kann. Erfolg!!
Die
neuartige, universell einsetzbare Smart Machine für die
Holzbearbeitung ist wirklich beeindruckend: Blitzend und leuchtend
scannen Laser und Kameras das Werkstück aus allen
Perspektiven. Die Software analysiert das Ergebnis, ermittelt
selbständig in Sekunden bisherige und künftig
gewünschte
Form. Sensoren bestimmen Holzart, Faserverlauf und Feuchtegrad. Surrend
huschen Anschlagschienen, Anlaufrollen, Klemmen und Saugnäpfe
in Position.
Nein, da arbeite ich doch lieber von Hand. Tatsächlich sehe
ich in dem hohen Anteil Handarbeit einen Vorteil in dem Job. Die
eingesetzten Hilfsmittel sind handelsübliche
Werkzeugmaschinen, deren Gebrauch oft Hilfskonstruktionen und
entsprechendes Gehirnschmalz voraussetzt. Wo das nicht geht oder
unglaublich aufwändig wäre, kommen seit Jahrhunderten
bewährte Dinge zum Einsatz: Hammer, Hobel, Handsäge,
Stecheisen. Und ich finde das gut so, auch wenn es manchmal
heißt, den Spund im Vorsteven tatsächlich von Hand
beihobeln zu müssen - leidlich über Kopf, und dann
auch noch mit Arbeitsrichtung von oben nach unten. Ein erfahrenerer
Handwerker hätte sich die Faserrichtung vor dem Anfertigen der
Schäftungen angesehen, damit die schweißtreibende
Arbeit zumindest ergonomisch erträglich bleibt. Aber nun ist
das Ding eingeklebt, Oli erträgt geduldig mein Gejammer, und
morgen oder übermorgen werde ich den letzten Rest verschleifen
können. Das natürlich dann maschinell...
"Tack!"
Gerne genommen löst sich eine Bodenwrange beim Ziehen des vom
Rost aufgeblühten Kielbolzens auf. Das sieht aus, als
würde man den Reißverschluss öffnen, man
kann, während man den Hebel der Hydraulikpumpe bedient, beim
Auseinanderfliegen resigniert und ernüchtert zugucken. Hier
ist es anders: Es geht um die Wrange vorne an der Mastspur, durch die
der "kleine" Kielbolzen geht. Sie hatte es schwer, weil die Mastspur
eingelassen ist und wenig Holz übrig bleibt, um die Form zu
halten. Sie war also schon Schrott, bevor der Bolzen auch noch die
Mitte auseinandergefetzt hat.
Zweiter Schritt: Wir brauchen die alte Bodenwrange als Modell
für die neue. In ihrer Postition mit einigen Sperrholzstreifen
zusammengespaxt, wird sie diese letzte Aufgabe gut erfüllen
können. Als nächstes brauchen wir Holz. Ich
drücke Niels die alte Wrange in die Hand, er sagt mir, wann er
wieder vor Ort ist, und zuverlässig wie ein Uhrwerk bringt er
einen passenden Abschnitt einer ausreichend dicken Eichenbohle mit. Und
nun kommen die Werkzeugmaschinen ins Spiel.
Dieser Dickenhobel zieht einen enormen Anlaufstrom und
verfügt, typisch für leistungsstarke, alte
Elektromaschinen, über eine Stern-Dreieck-Schaltung. Das muss
man nicht verstehen. Es genügt sich zu merken, dass man zuerst
alle anderen Geräte ausschalten muss, dann kann man ihn auf
die erste Stufe stellen. Und bevor er konstant auf höchster
Drehzahl läuft, darf man auf keinen Fall weiterschalten auf
Stufe zwei. Und erst, wenn er auf Stufe zwei konstant läuft,
darf die Absaugung eingeschaltet werden. Weil: Wenn man diese
Reihenfolge missachtet, fliegt die Sicherung.
Trotzdem
habe ich Respekt. So ein Band fragt nicht danach, ob es
weiches Modellbauholz, harte Eiche oder einen Finger zu fassen bekommt.
Es kann auch mal reißen - und dann ist die Frage, ob man auf
der richtigen Seite steht, oder ob der Arbeitstag abrupt beendet ist
(und so schnell kein nächster möglich ist). Ich
säge erstmal die Mallkante (das ist die Kontur ohne
Schmiegen
an der Seite der Bodenwrange, wo sie größer ist). Im
zweiten
Schritt
halte ich die neue Wrange schräg und unterfüttere
sie,
entsprechend der von der alten abgenommenen und an der neuen
angerissenen Schmiegen - so
weit vorne im Schiff laufen die Bordwände schon ziemlich spitz
aufeinander zu, also muss die Bodenwrange an ihrer Vorderseite
wesentlich kleiner sein
als achtern. Dann gilt es auch noch die Mastspur grob
auszusägen.
Anders als grob kann es sowieso nicht sein - die Bandsäge
zittert und erzeugt einen Schnitt, der auf jeden Fall noch verschliffen
werden muss. Immerhin verzichte ich diesmal - Olis Selbstvertrauen ist
ansteckend - auf eine gehörige Angstzugabe. Ich freue mich,
dass das Sägen schonmal gut gelaufen ist, dann besinne ich
mich darauf, dass der mühsame, zeitraubende, nervige Prozess
des Einpassens erst jetzt ansteht. Gehorsam klettere ich die Leiter
hinauf und begebe mich unter Deck.
Ich
höre das gerne, wenn Oli sagt: "Kannst aufhören. Wird
nicht
mehr besser." Dank ihrer beständigen Motivation bin ich
offenbar
gut in Form - sie sagt es ziemlich häufig. Was steht heute an?
Ein
Stück Planke. Ist ja erstmal nix besonderes. Nur dass es
nur einen halben Meter lang ist, vom Heckspiegel nach vorne, und dort
folgt unter einer krude vernagelten Brettlasche Mahagoni. Klarer Fall,
im weiteren Verlauf nach vorne war die Originalplanke marode und ist
erneuert worden. Oli hat an der Backbordseite mehrere so seltsam
reparierte Plankengänge: Immer ein Stück Mahagoni.
Waren die zu faul, sich die widerstandsfähige Lärche
zu besorgen? Warum sind da drei Plankenstöße
statisch ungünstig direkt übereinander? Warum sind
die Laschen nicht mit Kupfernieten eingebaut, sondern mit inzwischen
heftig rostenden Stahlnägeln, die wir nächstes Jahr
ausbohren werden?
Die hohe Kunst beim Bau eines Klinkerrumpfs besteht im Hobeln der
Landungen. Also der Stellen, an denen die Planken überlappen.
Wenn das nicht sauber und exakt gearbeitet ist, sind Leckagen sicher,
schließlich ist dort kein Kleber und sonstwas dazwischen, nur
Holz auf Holz. Zum Vorsteven und Heckspiegel hin geht die Landung in
eine Falz über, die schließlich auf null
ausläuft: Direkt am Steven und am Spiegel ist die
Außenhaut innen wie außen glatt. Und in diesem
Übergangsbereich befinden wir uns.
Oli war optimistisch. Sie war ja anfangs so skeptisch dem neuen Eigner
gegenüber, aber inzwischen wirkt sie ziemlich begeistert. Sie
ist überhaupt total bei der Sache. Genauso konzentriert wie
ich. Das ist bemerkenswert - an diesem Platz nahe der
Kettenzüge haben ja schon mehrere ballastlose Folkeboote
gestanden. Jane habe ich nicht mitbekommen, aber der war damals wohl
alles Recht, solange sie nicht ins ferne Holland musste, sondern ihre
Mission erfüllen konnte. Lene hatte sich ihren Wellnessurlaub
definitiv anders vorgestellt. Ihre Wärmebehandlung bekam sie
später auch, aber erstmal kam der Zahnarzt an Bord und brachte
den großen Bohrer mit, und das Boot wirkte panisch und
verängstigt. Martha letztes Jahr entschied sich vertrauensvoll
für den Winterschlaf und ließ die ganze Prozedur
über sich ergehen, ohne mir auch nur ein einziges Mal bei der
Suche nach Werkzeug zu helfen. Sie wachte erst wieder auf, als wir mit
den neuen Kielbolzen jonglierten und der Tag
näherrückte, an dem sie ihre Schwestern in der
anderen Halle wiedertreffen sollte.
Mit Oli ist es nun so, dass wir gemeinsam an ihr arbeiten. Bisher hat
sie zwar manchmal auf die Zähne gebissen, aber wirklich jeden
Handgriff abgesegnet. Motiviert und selbstbewusst gehe ich mit der
Lärche in die Holzwerkstatt und nehme den Falzhobel - eher aus
Lust und Laune, so richtig geplant war das erst für den
nächsten Tag. Mal kurz ranhalten, hier noch weiterhobeln, dann
auch da anpassen, schließlich hierauf achten - eine halbe
Stunde später wage ich es, das neue Plankenstück
beherzt in Position zu hämmern, ohne zu befürchten,
alles ringsum zu zertrümmern. Ein paar kleine Korrekturen
noch, dann sagt Oli meinen Lieblingssatz. Eine
Drehstütze zwängt es perfekt in Position.
Stephan rief aus Hamburg an: Ob ich in der Halle sei und kurz Zeit
hätte, ihm einen Gefallen zu tun. "Ich bin gerade auf der
Leiter", sagte ich, "aber ich geh da auch gerne von runter, wenn du mir
sagst, wo ich stattdessen hingehen soll." Er sprach von Gold. Ich
schluckte. Und dass da im mittleren Schrank in der Schlosserei ein
Kästchen mit Gold stünde.
Es handelte sich natürlich um Blattgold. Deswegen war das
Kästchen auch schwer zu finden: Das Gold war nicht als solches
zu erkennen, und die ganzen Fläschchen und Tücher und
sonstigen Sachen drumherum sagten mir überhaupt nichts.
"Jonathan kommt gleich und holt das ab. Ich sag ihm Bescheid. Die sind
nämlich am Vergolden und haben nicht mehr genug."
Als Jonathan das Goldkästchen zurückbrachte, war
Stephan zufällig selbst da. Oli wunderte sich, was man im
Kontext Bootsbau für krasse Themen draufhaben kann: Es ging um
die Entwicklung des Goldpreises. Und wieviel also so eine Göhl
im Vergleich zu vor Jahren jetzt kostet. Olis Meinung: "Echte Segler
brauchen sowas nicht."
Olis
großer Tag beginnt mit Frieren bei leichten Minusgraden. Als
die
eben aufgegangene Sonne die Pfützen vor der Halle auftaut,
hängt das Boot bereits in den Kettenzügen und kann,
die Nase
durchs Tor gesteckt, selbst begutachten, was für ein
schöner
Sonnentag es wird. Gestern haben wir vorbereitet, was vorzubereiten
ging: Trecker
rausgefahren, damit Platz ist. Ballast angehoben, abgesetzt, angehoben,
abgesetzt - und dadurch um 180° gedreht, so dass er nun so
steht,
wie er angebaut wird. Die neuen Kielbolzen, vorgestern erst sind sie
eingetroffen, reingesteckt. Dazu die Löcher saubergefiedelt,
also
von reingelaufenem Primer, Rost und sonstigem Mist befreit. Teerfilz
angerissen, zugeschnitten und gelocht. Deck und Kajüte
aufgeräumt, ebenso die Halle um Oli herum.
Die Bolzen sind nicht alle parallel, Nummer vier spreizt
gewaltig. Ihn werden wir ganz zum Schluss erst einfädeln
können - solange noch reichlich Abstand zwischen Kiel und
Ballast
ist, trifft er sein Loch nicht. Aber das wird nachher gut gehen. Wir
sind im Begriff, den Teerfilz mit Wurzelteer zu tränken und
den
Kiel von unten mit Bitumenspachtel einzustreichen. Stephan
fragt,
ob ich ausprobiert habe, wie gut die Bolzen durch
die Löcher im Holz passen. Ging ja nicht:
Erst waren keine Bolzen da, und dann stand Oli aufgepallt auf dem
Trailer mit reichlich wenig Platz unter ihr. Alle Löcher sind
gründlich nachgebohrt, mehr kann ich nicht sagen. Wir
probieren es
aus. Und sehen keine Chance, auch nur einen einzigen Kielbolzen
einzutreiben - eher drücken wir Oli in die Höhe.
Wir versuchen alles, was zur Verfügung steht: Nachbohren mit
einem
zwanziger Bohrer - naja. So weit waren wir ja eh schon. Nachbohren mit
einer 20er Lochsäge - das bringt zumindest die Erkenntnis,
worin
das Problem besteht. Ursprünglich war der Ballast ja ganz
unklassisch mit Sikaflex angesetzt, davon hängt noch jede
Menge in
den Löchern. Jedes Mal Bohren fördert einen
Haufen
Krümel davon zu Tage, ohne dass der Bolzen insgesamt wirklich
fluffig liefe. Wir probieren einen langen Rohrbohrer mit
auseinandergebogenen Zähnen - danach geht der Bolzen allzu
leicht
rein und rutscht beim Loslassen gleich wieder raus. Das ist vielleicht
ein bisschen übertrieben viel Lochdurchmesser. Der Trick ist
ein auf einen etwas kleineren Bohrer geklebtes Stück
Schleifpapier. Damit fiedeln wir Loch um Loch, Zentimeter um
Zentimeter, sauber, bis jeder Bolzen mit akzeptablem Kraftaufwand in
seine Öffnung wandert.
Wir senken
Oli langsam ab, Schritt für Schritt, ein Stück vorne,
ein
Stück hinten, dann wieder vorne, dann hinten nochmal hoch,
weil
wir es übertrieben haben. Oli stürzt sich gierig auf
ihre
neuen Bolzen, aber wenn sie verkanten, sind sie eben verkantet. Und
nachdem sie nicht mehr verkantet sind, rutschen sie wieder perfekt rein
in den Bootsrumpf, der ihr neues Zuhause sein wird. Es läuft
perfekt, bis Stephan eine Leiter anstellt,
hochsteigt und einen Blick ins Cockpit wirft. Diagnose: Nummer
fünf ist wesentlich zu lang, Nummer sechs erheblich zu kurz.
Ich
klettere selbst hoch und, welche Überraschung, sehe nichts
Anderes.
Nachdenklich reibe ich mir das Kinn. Stephan ist überzeugt,
ich
hätte die hintersten beiden Bolzen vertauscht, aber das
alleine
löst das Rätsel nicht. Viel eher habe ich mich bei
einem
verrechnet und bei dem anderen vermessen, aber das hilft ja jetzt nicht
weiter - tauschen oder neu anfertigen lassen sind keine Optionen. Die
Bodenwrange von Nummer sechs wird ausgeklinkt - dauert fünf
Minuten. Bolzen Nummer fünf stört zum Glück
auch in
seiner Überlänge nicht den Cockpitboden - ich werde
die
Bodenwrange ein Stück aufbauen, verwende jetzt erstmal ein
provisorisches Eichenklötzchen mit eilig erledigter 22mm
Bohrung,
um ad hoc Druck aufbauen zu können, und bin letztlich mit dem
Resultat nicht unzufrieden: Wenn ich das Füllstück
ein
bisschen breiter mache, kann ich die "Türschwelle" des
Hauptschotts damit verschrauben. Daduch bekommt Oli an einer durchaus
neuralgischen Folkebootschwachstelle erheblich mehr
Stabilität.
Sogar die Handlenzpumpe zerrt künftig nicht einfach nur an ein
paar Schräubchen, sondern einem amtlichen 20mm-Kielbolzen.
Stephan macht erstmal Mittag, während ich mich mit
gekränktem
Stolz und kreativer Problembewältigung herumschlage. Oli sagt
nichts. Sie weiß ja sowieso, dass am Ende alles gut wird,
weil es
ja alternativlos so kommen muss.
Eine gute Stunde später sind alle Muttern kräftig
angezogen,
der Druck lässt den Wurzelteer den Ballast vollkleckern, und
Stephan räumt erstmal auf - es ist erstaunlich, wieviel
Werkzeug
man bei so einer Aktion nach und nach aus allen Richtungen
herbeischleppt. Ich rühre Epoxi an und klebe die vorbereiteten
Holzfüllstückchen in die Taschen. Um siebzehn Uhr ist
alles
erledigt, was wir uns für diesen Tag vorgenommen haben - das
darf
wohl als Erfolg gelten. 
geplant:
Nachdem jetzt alle meine Boote einen Reitbalken haben, möchte
ich als nächste Eskalationsstufe, dass sie alle sowohl mit als
auch ohne ihn gesegelt werden können. Salty hatte als
Alternative ein Auge im Cockpitboden, wo man die Großschot
hätte einschäkeln können - aber sich so tief
zu bücken, um die Curryklemme zu erreichen, schien mir
unpraktikabel. Frieda hatte: nix! Und jetzt kriegen beide also so
richtig Bock. Und dann auch noch aus so schönem Holz - beinahe
zu schade für ein Bauteil, das letzten Endes doch selten zum
Einsatz kommen wird, denn der Traveller ist keine ganz unwichtige
Trimmeinrichtung. Ich würde immer dazu raten, ihn zu benutzen.
Aber immerhin bin ich nun an einem weiteren Punkt die Diskussion los,
welches Boot für welche Bedürfnisse zu chartern ist:
Mit und ohne Reitbalken ist fortan kein Entscheidungskriterium.
Dafür habe ich aber schon die passende Idee, und sie
beinhaltet, dass der Bock auch als Träger für den
Cockpittisch dient. Unabhängig davon, ob der Reitbalken
eingebaut oder entfernt ist. Unabhängig sogar davon, ob ein
drittes oder gar viertes Crewmitglied auf der Ruderbank sitzt, wenn es
Essen gibt. Die passende Sperrholzplatte und Leisten für die
Umleimer habe ich auch schon gekauft. Ich fürchte nur, die
Damen werden - morgens, wenn sie an die Feuerwehrleute oder sonstige
Lieblingskunden und Fanclubmitglieder denken - ihre ganz eigenen Ideen
entwickeln, was ich aus dem Material bauen könnte, und wenn
dann die Zeit der neuen Cockpittische gekommen ist, werde ich mit
leeren Händen dastehen. Hoffentlich nicht auch mit leerem
Kopf.
Auf unserem Programm heute: "Blöde weiße Klappe
weg."
Auf dieser Liste stand diese Woche beharrlich: Olis Bilge impen.
Dienstag Abend war aber das Imp alle, die neue Lieferung für
Freitag zu erwarten, und ich zog in Erwägung, Andreas um ein
Gebinde oder wenigstens einen Schluck anzuschnorren. Oli fand, wir
könnten mit dem Weiterimpen problemlos warten und inzwischen
in Ruhe die restlichen Arbeiten erledigen. Also Baumscheren,
Aufarbeiten des Schiebeluksülls, und.... äh.... Ich
fand die Idee ja grandios, aber dann rutschte plötzlich die
blöde weiße Klappe ins aktuelle Tagesprogramm. Die
sonstigen Listeneinträge sind prägnant in Form von
Fachausdrücken - hier fiel mir wirklich nichts Treffenderes
ein als "Blöde weiße Klappe weg", und ich
befürchtete eine unerfreuliche Tätigkeit: Wie
verwandelt
man ein unförmiges Loch in eine definierte Öffnung
mit geraden Kanten, in die sich ein Füllstück exakt
einpassen lässt? Nun konnte ich mich nicht länger
drücken. Ich hielt die kleine Makita-Oberfräse ins
Cockpit und stellte fest, dass es eine Chance gab. Widmete Mittwoch
zwei Stunden dem Anfertigen einer Frässchablone.
Heute nun: Die Schablone passt und ist angespaxt. Die Dachleisten sind
perfekt, Projekt Kajütdach kann von der Liste (markieren und
beherzt auf Entfernen drücken). Die Baumscheren sind fertig
gesägt, gefräst und geschliffen. Der Kaffee ist
durchgelaufen und getrunken. Eine Tasse zumindest. "In Ruhe Kaffee
trinken? Ich habe doch gar keine Ruhe", sage ich zu Oli,
während ich sie aus der Höhe der Empore zufrieden
betrachte.
Danach also endlich - nach Feierabend der ersten Schicht und zu Beginn
der kürzeren zweiten - lasse ich mich nach Wochen mal wieder
bei Martha und Frieda blicken. Martha bekommt den Schlitten ihres
Motorträgers eingebaut, mit neuem Holzklotz. Komplett fertig,
kann nun gestrichen werden von der Liste. Frieda passe ich erstmal den
neuen Großschotbock ein, bohre Löcher durch die
Bodenwrange, die ihn tragen wird, und reiße im Cockpitboden
die künftige Aussparung an.
Oder ist sie es? Als die Oberfräse zum ersten Mal
hängenbleibt, wird mir klar, warum es schien, als sei bei
Frieda reichlich Platz im Vergleich zu Oli: Ihr Hauptschott sitzt
hinter dem benachbarten Spant anstelle von davor, wie es ansonten
üblich ist. Das wirkt optisch geräumig, hilft aber
nichts, denn das Gehäuse der Fräse
stößt nun eben gegen den nächsten Spant und
gegen die Außenhaut. Geräumig wirkte es auch auf
denjenigen, der die blöden weißen Klappen eingebaut
hat - und er ist dadurch erheblich nach außen gerutscht, ohne
dass es auffiel.
Zwischendurch tritt Team Heidi nebst Lackfräse in Aktion, um
an der Außenhaut das ungeliebte 2k-Produkt, dessen Name mit C
beginnt und nicht genannt werden darf, zu entfernen. Die Coellanbeize,
die die Lärche rötlich eingefärbt hat, hat
für eine unnatürliche, grässliche bis
scheußliche Optik gesorgt, und abgesehen davon ist das Zeug
nur so lange gut und pflegeleicht, bis man es dann doch mal
nachlackieren muss. Auf einem Folkeboot hat es definitiv nichts zu
suchen.
Jörg und Ralf sind jedenfalls ganz begeistert vom Fortschritt,
den ihr neues Werkzeugmaschinchen erzielt. Ich komme
hauptsächlich vorbei, um ihnen die bestellten Kalender zu
liefern, dann auch, um Frieda und Martha Hallo zu sagen, und
selbstverständlich gucke ich mir interessiert Baustelle Heidi
an. Mit eigenem Werkzeug im Gepäck nähere
ich mich Frieda
erst drei Tage später wieder. Ich habe auch eine kleine
Bastelarbeit zur Anprobe mitgebracht: Aus Saltys Teakresten habe ich
zwei Flurbretter gebaut, die in Friedas Cockpitboden künftig
die Sperrholzteile ersetzen werden. Das vordere passt ganz wunderbar -
Frieda wünscht sich das Griffloch...hier? Oder hier? Nein,
ungefähr da. Ich reiße es an, gebohrt wird
später. Das zweite Flurbrett...naja, wer hat denn da die
Aussparung für den Bock gemessen? Kann ja nie und niemals
passen. Das kann ich ja gleich wieder mitnehmen. 
geplant:
Martha
zeigt hier stellvertretend für ihre Schwestern die Upgrades
aus dem Herbst: Zuverlässig schlürfende Membranpumpen
für die Bilge. Und Positionslaternen am Aufbausüll
anstelle der Stolperfalle an der Bugspitze. Eine Pumpe, die sich nicht
an jedem kleinen Krümel Dreck verschluckt, ist gut
für ein leckes Boot, dachte sich Martha. Aber sie dachte auch,
eine beseitigte Leckage sei noch viel besser. So stellte sie sich mit
Frieda und fünf anderen Folkes in den "Kohlenschuppen" - und
hatte erstmal viel Zeit. Als ich mit Oli und Salty und den
blöden weißen Klappen so weit durch bin und mich zu
Martha geselle, hat sie sich schon etwas schönes
überlegt, mit dem sie mich ein Weilchen aufhalten kann. 
Allein,
die ganze Woche schon finden Oli, Salty und ich immer einen Grund,
nicht das ganze Werkzeug und Material ins Auto zu laden, nach
zweiminütiger Fahrt wieder auszupacken und die wenigen
Handgriffe
endlich zu erledigen. Aber heute ist Martha-Tag! Es ist ein
ausgesprochen schöner Freitagmorgen, beinahe
frühlingshaft.
Mitte Januar ist das durchaus bedenklich, Greta Thunberg ist
großartig, hat vollkommen Recht, aber ich fürchte,
sie kommt
dreißig Jahre zu spät. Naja, milde Winter wie diesen
und den
letzten und die ganzen davor sind für uns durchaus
vorteilhaft,
und wie die gerade aufgegangene Sonne Frieda mit rötlichem
Schimmer zu überziehen beginnt, ist wirklich schön
anzusehen.
Mittags
ist die Liste abgearbeitet. Martha ist zufrieden. Ich bin es nicht -
hat sich kaum gelohnt, die Sachen hin und her zu schleppen. Aber was
verspricht doch die Wetterprognose? Nächste Woche relativ mild
und
vor allem trocken - das ist eindeutig Lackierwetter! Olis
Kajütdach und Paulas Freibord habe ich schon fest eingeplant.
Jetzt fange ich mal an, Marthas Außenhaut anzuschleifen. Vier
Stunden später ist das erledigt, und ich verabrede mit Frieda,
dass sie Montag nachzieht, damit wir Dienstag die erste Schicht
Klarlack machen können. Klarlack im Januar? Mir scheint, wir
liegen extrem gut in der Zeit.