Folkeboote im Winterlager nicolas thon: fotografie -schreiben - segeln
Paula
Salty
Martha
Frieda Oliese



Achtung, Baustelle! - Winterarbeit 2021-22

Der Wechsel der Jahreszeiten - ich mag ihn: Wenn das Wetter ungemütlich wird, ist die Saison vorbei, rechtzeitig bevor alles ungebliebte Routine wird und mir die Lust vergeht, mich auf immer neue Gäste angemessen einzustellen und einzulassen. Die Boote haben dann ja ausgiebige Pflege nötig. Kurz bevor ich wirklich keinen Lack mehr sehen kann, sind sie rundum fit für tolle Segeltage und kommen wieder zu Wasser. Es ist wie die Aussaat und Ernte, nur ein bisschen zeitversetzt gegenüber der Landwirtschaft. Das liegt daran, dass man bei Frost nicht pflügen und pflanzen, aber durchaus lackieren kann. Dabei hilft natürlich die moderne Technik.  




Zuallererst widmen wir uns, während die Boote noch schwimmen, dem Komfort der Gäste: Der Polsterer war schon da wegen der neuen Kojenpolster. Nun habe ich Friedas Kojen zehn Zentimeter nach oben versetzt. Ergebnis: Großgewachsene können wie bei Salty die Füße in die Vorpiek durchstrecken und dadurch ausgstreckt liegen.


Sobald ein Boot nichts mehr zu fahren hat - Salty war diesmal als Letzte noch bis 15. Oktober unterwegs - kann im Prinzip der Mast runter. Also erstmal Segel und Kuchenbude unter Deck, möglichst trocken, und dann alles laufende Gut, Stromkabel und was sonst noch Rumpf und Mast verbindet, einpacken. Ich habe gute Erfahrungen mit Serienproduktion - alle Boote am Stegkopf ins Päckchen, einen Mast nach dem Anderen runter, jeweiliges Boot vorziehen wiederum ins Päckchen. Aber das geht nur frühmorgens oder spätabends, wenn kein Andrang ist. Diesmal mache ich es nach und nach, wenn gerade kein Wind, kein Regen und das Gedrängel vorbei ist, aber sich noch helfende Hände zum Knöpfchendrücken im Hafen befinden. Wenn alles gut vorbereitet ist, dauert das Mastlegen an sich drei Minuten. Nur muss der Mast dann noch vom Stegkopf an Land gekarrt und auf Böcke gelegt werden. Vor dem Transport in die Halle baue ich Windexe und Jumpstagspreizen ab und häkele die Drähte ein. 

Zwischendurch - den Aufwand soll man nicht unerschätzen - ist wie jedes Jahr das Trocknen, Pflegen und Einlagern der Ausrüstung dran: Unsere Segel kommen zu CO-Segel in Grödersby zu "D+R": Das bedeutet Durchsicht und Reparatur und bedeutet, dass alle Segel zum Pauschalpreis ausgebreitet und von geschulten Augen beurteilt werden. Nähte, die aufgehen, werden nachgenäht, Löcher gepatcht - im Ergebnis übersteht das meiste Tuch eine Saison ohne Defekte, und wir müssen nur ein Minimum an Ersatzsegeln bereithalten. Natürlich werden alte Segel dadurch nicht jünger, und so habe ich diesmal drei neue Focks in Auftrag gegeben.

Auch die Außenborder kommen vom Heck auf direktem Weg zum Fachbetrieb, Kiesow in Kappeln, zwecks Wartung und Inspektion. Martha ist als letzte noch mit einem alten Zweitakter herumgefahren, sie im April wird einen fabrikneuen Tohatsu bekommen. Bei den anderen Motoren sind Öl, Impeller, Zündkerzen und alles Andere immer auf dem aktuellen Stand.

In meiner Wohnung stapeln sich währenddessen Kocher, Pützen, Rettungswesten, Polster, Kuchenbuden, Kisten mit Ausrüstung. Für alles gibt es einen Platz, der erst nach Trocknung, Prüfung und Reinigung eingenommen wird. Im Frühjahr muss ich die Sachen dann nur hervorkramen und an Bord bringen. Jetzt ist auch noch genug Zeit, für Verschlissenes und Verbrauchtes Ersatz zu beschaffen. Ich bin darin nicht immer so diszipliniert - mitunter muss es dann zwischen Krantermin und Saisonstart schnell-schnell gehen. Wasserkocher wollen entkalkt, Tauwerk und Polster getrocknet werden. Jetzt ist auch die Chance, die Wasserkanister zu reinigen: Ein bisschen Algenbesatz ist im Laufe der Saison unvermeidbar - das ist unkritisch, es handelt sich ja genau genommen um Kochwasser und nicht im engeren Sinne Trink-Wasser, macht aber keinen guten Eindruck. Spülmittel, Wasser und ein Sortiment verschiedener Flaschenbürsten leistet gute Dienste, die Küche wird notgedrungen geflutet, dann ist alles wieder hübsch und hygienisch.

Sind die Boote in der Halle, muss zunächst das restliche Wasser aus der Bilge. Mangels Lenzschrauben geht das mit Ösfass und Schwamm. Ich nehme die Flurbretter hoch und öffne die Vorluks, damit überall ein bisschen Luft rankommt. Schließlich werden alle Kleinteile abmontiert, die lackiert werden müssen: Ruderbänke, Schiebeluks, Niedergangstüren, Backskisten und -deckel und noch ein bisschen mehr.

Als Nächstes möchte ich die klobigen Seitenlichter durch LED-Leuchten mit viel kleinerem Gehäuse ersetzen. Die waren mir im ersten Anlauf zu teuer, aber an den jetzigen bleibt dauernd jemand mit dem Fuß hängen. Schon manches Gehäuse musste aus dem Hafenbecken getaucht werden - damit ist hoffentlich bald Schluss. Es war Martha, die den entscheidenden Hinweis gab: Die neuen Lämpchen mit ihrer winzigen Auflagefläche werden sofort abreißen, wenn eine lose Fockschot darunter geraten ist und nun beherzt dichtgeholt wird. Bevor wir den Teufel mit dem Beelzebub austreiben, schraube ich lieber weitere hässliche Leitösen aufs Kajütdach...

Aber dann geht es ja auch an die wichtigen Dinge: Schäden der Saison, allgemeiner Verschleiß, Dichtigkeit und Sicherheit.

Update Anfang Februar:
Wir sind ganz gut in der Zeit, und Aschenputtel hat Hochsaison: Täglich kraucht sie über Decks, wühlt in Cockpits, saugt, klebt ab - vor allem schleift sie alles an, was zwei frische Schichten Klarlack haben soll.  Das Tempo ist mittel: In Sörup ist jeden Morgen ein Baum oder Ausbaumer an der Reihe, in Grödersby sind es die Reparaturstellen an den Masten. Der Polsterer war auch an Bord, um Schablonen für die neuen Polster anzufertigen. Und nun entsteht ein gewisser Zeitdruck durch die milde Witterung ohne große Temperaturschwankungen, die für nächste Woche angekündigt ist: Die sollen wir zum Lackieren nutzen, nochzumal die Großbaustelle in Paulas unmittelbarer Nachbarschaft dann ruhen wird, es also einigermaßen staubarm sein wird. In der einen Halle schon lackieren, in der anderen noch schleifen - das dürfte gut gehen.

Update Ende Februar:
Die Witterung bot sich dann doch nicht wirklich an zum Lackieren. Statt dessen hat Aschenputtelt sich weiter ausgetobt. Inzwischen sind alle Boote und alle Masten angeschliffen, und der erste Klarlack ist schon drauf. Zu kalt zu feucht zu staubig, aber für einen guten Holzschutz wird es genügen, und wenn erst alles hübsch glänzt, wird niemand etwas zu meckern haben. Nicht einmal ich.
Wir werkeln jetzt so weiter, lackieren noch die Decks, die Wasserpässe und zwei Aufbaudächer, bauen alles wieder an - und schon beginnt die Saison!


Winterarbeit früherer Jahre



Paula 

Es steht nicht zum ersten Mal auf der Liste: Etliche Nieten haben Spiel und lassen gelegentlich Wasser durch. Der erste Versuch, das zu beheben, wird mit wenig Aufwand sein - einfach nachsetzen. Ob das hilft oder ob Nieten erneuert werden müssen, zeigt dann die nächste Saison. Da würde ich gerne unter einem Dachhimmel liegen, von dem keine Farbe abblättert. 


Nun denn - eine Woche vor Weihnachten rückt Erik an, der Nachnieten letztes Jahr mit Pommery geübt hat. Paula hat sich gut vorbereitet: Die Vorpiek ist leer und hell erleichtet, die Kojen sind entfernt. Das Innenleben ist auf die Außenhaut getapt: Plankengänge und Nietreihen sind mit Zahlen und Buchstaben numeriert, außerdem sind Spanten und Bodenwrangen markiert. Nieten, die noch verspachtelt und deshalb nicht sichtbar waren, sind freigekratzt. Im Vorpiekbereich habe ich auch allen schon zwei Schläge mit Hammer und Durchschlag gegeben. Kurze Absprache, wo wir anfangen und in welchen Schlagenlinien wir uns von vorne nach achtern arbeiten, schon können wir loslegen, Erik außen, ich innen. Um die etwas hochgerutschen Nietscheiben wieder bündig zu treiben, habe ich außer einem Hammer einen M8-Bolzen mit einer etwas überstehenden Mutter zur Hand.

Ein paar Minuten müssen wir uns eingrooven, dann geht es rasant. Erik: "Einen nach oben." Ich: Warte, bis es außen klackt (das ist das Gegenhaltewerkzeug), setze die Mutter auf und haue locker drauf. Erik: "Ok." Ich: Bumm Bumm Bumm Plopplopplopplopplopplopplopp bis ich den Eindruck habe, dass der Nietkopf hält. Erik: "Einen nach achtern" oder wahlweise: "Der kommt nochmal zurück" wenn er beim Gegenhalten abgerutscht ist und der Niet rausgekommen ist, oder auch "Mach weiter." Drinnen im großen Resonanzkörper des Rumpfes höre ich im Wesentlichen Chaos. Draußen sieht und spürt Erik nicht nur viel besser, ob der Niet zieht. Er hört auch den Unterschied, ob es hohl klingt oder der Niet anliegt. So gut kann das nur ein erfahrener Außennieter. Plopplopplopplopplopplopp,  "Einen nach unten", tack, "ja genau der", plopplopppppppp und so weiter. Während Erik eine Lagerbockstütze wieder anzieht, räume ich unter der Mastspur auf: Eine leere Saftflasche, eine volle Saftflasche, sowie ein Wollknäuel, übrig vom vergeblichen Versuch, den Sommer über ein Hutband zu flechten, und jetzt leider triefend nass und salzig.

Nach sensationellen drei Stunden sind wir fertig. Nicht mit dem ganzen Rumpf, aber mit dem Bereich, um den es mir ging. War überhaupt kein Problem. Außer den typischen Sprüchen von Niels ("Viel Lärm um nichts") gibt es hinterher noch einiges Lob fürs Teamwork. Aber das können Erik und ich - wir geben uns ja beim Einhandsegeln auch manchmal gegenseitig die Kommandos zur Wende oder Halse. Insgesamt ein erfolgreicher Tag, denn wir waren so schnell, dass ich es bis Feierabend noch schaffe, die Hilfswrangen in der Vorpiek nachzuverschrauben und alle Schrauben und Nieten mit Epoxi zu verspachteln. Das ist auch gut so, es soll wieder kalt werden, mit entsprechend längerem Aushärten. Besonders befriedigend an der Aktion ist der deutliche Unterschied - es hat sich richtig was getan. Ein einziger Arbeitstag wird die Dichtigkeit erheblich verbessern. Wenn nicht, oder wenn nicht genug, kommt Erik nächsten Winter sicher gerne wieder für die hintere Hälfte.

Nun sind wir gut im Rennen für eine schwarze Weihnacht: Während es draußen womöglich schneit, wollen wir dann die Unterwasserschiffe malen.



 



 

Salty


Vorne am Aufbau regnet es rein - das kann so nicht bleiben, da muss das Dach aufgepult werden und lässt sich hoffentlich mit wenig Aufwand stabilisieren. Wenn das schnell geht, hält Salty noch eine lange Liste von Dingen bereit, die schön wären, aber auch noch Zeit haben. Wir haben ja letzten Winter viel Zeit miteinander verbracht, und die Resultate haben sich insgesamt sehr gut bewährt.

Erstmal machen wir in Elektrik: Salty genießt bisher Bestandsschutz und fährt mit einer Dreifarbenlaterne im Masttopp durch die Gegend. Das ist nicht vorschriftsmäßig, aber offenbar egal. Nein - es ist nicht egal: Aus der Perspektive des Navigators eines Frachters erscheint eine Dreifarbenlaterne im Masttopp auf der Höhe des Horizonts, wenn die Yacht vielleicht zwanzig Meter entfernt ist - und er geht davon aus, der Abstand betrage an die zwei Meilen. Ein leeres Kästchen fürs Hecklicht hat Salty ja schon (eine Chartercrew machte mich vor dem Auslaufen darauf aufmerksam, die Laterne sei verlorengegangen). Aber es müssen meterweise neue Kabel verlegt werden - keine schwierige Arbeit, aber mitunter eine extrem nervige.

Dann die Leckage am Aufbaudach: Leisten ab und freilegen - zutage kommen im Wesentlichen zwei feuchte Stellen. Die müssen ordentlich durchtrocknen, damit es künftig zuverlässig hält, und dann arbeiten wir mit zwei Lagen 450er Biax, damit nicht wieder Risse entstehen, durch die Wasser eindringt. Ich denke, das sollte für den Rest meines Erwerbslebens für Dichtigkeit sorgen.

Während also das Kajütdach trocknet, fette ich Winschen. Muss ja auch mal sein: Wenn die Winsch beim Schotholen klingt wie ein Rasenmäher aus den Siebzigern, ist das alte Fett gut trocken und harzig, und es wird höchste Zeit. Auseinanderbauen, mit fiesem Aceton entfetten, tüchtig neu einfetten und zusammenbauen - so lautet der Plan. Nun haben ja Oli, Frieda und Salty, wie sie da so nebeneinander stehen, die bewährten Andersen-Winschen mit Achsen durchs Deck zu den Winschkurbeln unter der Schlinge - für den Benutzer eine gute Idee, für den Bootsbauer ein Wagnis, denn schnell mal neu fetten ist eine Illusion.

Olis Winschen einschließlich Achsen gehen zauberhaft raus. Dummerweise verpütschere ich das Aceton und schrotte den Lack der Ruderbank - eigentlich sollten da nach feinem Anschliff zwei neue Schichten rauf, jetzt wird es wohl das Komplettprogramm. Friedas Winschen gelingen ohne solches Missgeschick, leise klickend tun sie ihren Dienst. Saltys Backbordwinsch - ein Traum. An Steuerbord: WIE KRIEG ICH DAS BLÖDE DING NUR RAUS???!!!!????naja, gucken wir morgen.

Die Achse hängt in ihren (ehemals) verchromten, verbogenen  Messingrohr fest. Wenn ich mich richtig erinnere, hatte ich beim letzten Mal schon das gleiche Problem, glaubte es aber durch Entfetten/gründlich neu Einfetten behoben zu haben. Falsch gedacht: Kaum ist die Winsch raus und mit Hingabe und Optimismus bearbeitet, schon will sie nicht wieder rein. Jedenfalls nicht, ohne das Rohr nach unten rauszudrücken. Ach - das lässt sich ja vermeiden, es gibt ja Schraubzwingen und Zulagen und Hämmer und Hebel und Kraft und Gewalt und...es entfaltet sich ein Drama, in dessen Verlauf ich hin und wieder einfach etwas anderes mache und dann wieder zur Baustelle zurückkehre (jedes Mal mit fettigen Winschen hantieren führt allerdings zu neuerlichem gründlichem Händewaschen, bevor ich wieder irgendetwas leidlich Sauberes anfassen kann).

Ich erfinde ein Holzstück, mit dem ich von unten das Rohr zurücktreiben kann, während das Gewinde der Winschkurbelachse in ein Loch im Holz rutscht. Das geht gut, bis der Vierkant für die Kurbel kommt. Jetzt mache ich weiter mit der Mutter, dann der Mutter plus Karrosseriescheibe, schließlich der Mutter plus drei Karrosseriescheiben, deren dritte ich tatsächlich in irgendeinem Regal leihweise finde. Als ich die Winschkurbel selbst zum Unterfüttern nehmen kann für den Rest, gibt das Gewinde auf. Schlechte Laune? Ach was. Salty vielleicht, die ungern solchen Ärger verursacht. Ich mache erstmal weiter an Marthas Schubladen und bringe dann den Kasten mit den Gewindeschneidern.

Von den ursprünglichen 3/8" sind wir beim letzten Austreiben bei M14 gelandet. Nun wird es also M12. Das geht nicht, ohne eine ordentliche Phase anzuflexen, und das scheitert in eingebautem Zustand - also wieder raus mit der frisch gefetteten Winsch. Habe ich da Lust zu? Okay, ich sehe es ein...geht auch schon erheblich besser raus, aber das liegt wohl daran, dass ich die richtige Technik schon draufhabe. Gewinde fertig, prima, jetzt wieder einsetzen - aber so ist ja wenig gewonnen. Ich bastele mir aus einem Rundstahl, doppelseitigem Klebeband und 80er Schleifpapier eine Art Reibahle, mit der ich das Rohr von innen durchfiedele. Zuerst sutsche von Hand, dann kurz mit der Bohrmaschine, fiedelt das Ding allen Dreck und altes Fett weg. Ergebnis: Ein Traum! Endlich kann ich weitermachen mit der Kante des Kajütdachs. 

Das Kajütdach machen wir Schritt für Schritt immer mal so zwischendurch: Also erstmal Leisten ab und gründlich abkleben, damit der gute Lack heil bleibt. Als Nächstes Kleber entfernen und erste Runde Epoxispachtel, um Schraubenlöcher, Abplatzungen und Vertiefungen zu schließen und einzuebenen. Dann laminieren (Eingeweihte erkennen ja auf dem Bild, was verwendet wird. Wer daraus nicht schlau wird und selbst vor diesem Thema steht, darf sich gerne melden). Nach dem Laminieren und Schleifen noch zwei Runden Spachtel, dann können wir uns den neuen Leisten zuwenden.







Oliese



Das Minimalprogramm besteht darin, das - so weit mir bekannt - letzte weiche Stück Planke zu erneuern. Oli wäre aber nicht Oli, wenn sie keine zusätzliche Ideen für meinen Zeitvertreib bereithielte. Unter Anderem hat da ja gegen Saisonende jemand das Hecklicht abgesegelt. Und im Frühjahr gab Oli selbst einen deutlichen Hinweis: Sie ruckte in den Krangurten, etwas flog weg, wir setzten sie erstmal wieder auf den Lagerbock. Das Weggeflogene, so stellte sich schnell heraus, war die vordere Spitze des Kiels, unter dem Druck des dort sitzenden Gurts abgebrochen, und die Sollbruchstelle war das Schraubenloch einer völlig unsinnigen Spaxschraube. Die sollte wohl die Kiel-Vorsteven-Lasche zusammenhalten...

Es gab erstmal, was wir so hatten: Tikal und Antifouling - für eine Saison würde das genügen. Es handelt sich aber um einen durchaus neuralgischen Punkt, der bei jedem Folkeboot (oder in diesem Bereich ähnlich konstruierten Boot) irgendwann ein Upgrade benötigt. Olis Lasche ist schon wieder solide neu verbolzt, sogar mit einem zusätzlichen Bolzen. Der über die Jahrzehnte entstandene Spalt zwischen Kiel und Steven war für mich bisher kaum erkennbar. Andere hatten da aber schon von der einen Seite reichlich Sikaflex hingeschmiert und von der anderen Seite sogar kalfatet - mit roten und gelben Baumwollfäden, aus denen wohl eigentlich mal jemand einen schönen Pullover hatte stricken wollen. In Wirklichkeit gehört hier natürlich Eichenholz hin - nun eben schmale Leisten von beiden Seiten, die den ausgearbeiteten Spalt füllen und sich an die Bolzen schmiegen, und dazu noch ein Füllstück vornean, wo im Frühjahr die Spitze weggeplatzt ist. Aber erstmal muss der Spalt trocknen, und ich gucke mir das Ruderblatt genauer an...oha! ...ach, wenn erstmal das Antifouling weggekratzt und der Primer abgeschliffen ist, sieht es gar nicht mehr schlimm, sondern nur nach ein bisschen Ausleisten aus.  

Die Planke: Die Frage ist, ob sich der geschädigte Bereich ausleisten und der Rest erhalten lässt. Aber negativ - in diesem Fall ist es viel einfacher, einen ganzen Meter rauszutrennen und durch neue Lärche zu ersetzen. In der Enge des Schapps (das sich nicht ohne Weiteres ausbauen lässt, siehe letztes Jahr die Pantry) dicht unterhalb der Nietreihe und um die Spanten herum eine saubere Nut fräsen? Wechselweise von innen und außen den oberen Teil der Planke abtrennen und an den Enden saubere Schäftungen basteln? Nein. Nieten raus, zwei Schnitte mit der Zittersäge, ein paar Hammerschläge, dann ist das betroffene Plankenstück raus. Landungen, Ecken und Kanten saubermachen. Altes auf neues Holz legen, ringsum mit dem Bleistift, dann mit Säge, Hobel und Kantenschleifer hinterher...am Ende des Arbeitstages ist die neue Planke nebst zweier Laschbretter fertig zum Einbau. Das probeweise Reinprügeln hat offenbart: Eine Minilandung muss da doch rangehobelt werden, obwohl sie mit bloßem Auge nichtmal zu erahnen ist. Dann passt es und flutscht in die Lücke.







Frieda



Frieda ist auf den ersten Blick das Boot mit der längsten Liste. Haupstsächlich Kleinkram und Verschönerungen - unter Deck könnte hier und da frischer Lack her, etliche Unsinnsbeschläge sollten dann gleich vorher noch verschwinden. Es liegt eine neue Motorhalterung bereit, aus feinstem Niro, die könnte das verzinkte Modell ersetzen. Wichtiger ist , obwohl sagenhaft dicht das Unterwasserschiff: Da gehen einige Schäftungen allmählich auf, es sind reichlich rostige Stahlnägel drin, und das Unterwasseranstrich blättert, was jedes Frühjahr aufs Neue nervt, weil es nicht einfach mit einer Schicht Antifouling getan ist.

Fangen wir doch mal an mit - oh Mann! - den Schäden der Saison. Die durchgedrückte Planke...von außen sah das ja auf den ersten Blick harmlos aus, nach einem Spund von zwei Zeigefingergliedern. Tatsächlich wunderte ich mich schon, warum ich da so ein recht großes Sperrholzstück draufgeklebt hatte, aber ach ja, das für solche und ähnliche Fälle an Bord mitgeführte Brett hatte eben diese Größe. Aber nein: Salmischablone gebaut, grob mit dem Multimaster durchgefiedelt und danach erstmals unter Deck den Schaden begutachtet, und schon war klar: Der Spund muss erheblich größer als gedacht. Tja. Ich hab schon manches meiner Boote geistesgegenwärtig gerettet, aber auf Frieda habe ich in dem Moment nicht gut aufgepasst. Ist jetzt so. Ist jetzt auch gefräst, so gut das ging, und die Späne liegen in der Vorpiek.

Der Vorstevenbeschlag ist abmontiert und sollte eigentlich von Dr. Zobbott gerichtet werden. Ich mache das jetzt doch selbst - das war der Eigentanteil unseres Haftpflichtfalles. Der Steven hat zwei Dellen, die neulackiert so bleiben werden als Dokument der Bootsgeschichte, und einen Riss, der sich ausspacheln lässt.  Unterdessen fiel auf, dass der Teakklotz an der Bugspitze auch nicht mehr so taufrisch aussah. Das möchte ich nur begrenzt individuellen Charterern anlassten, aber wenn der Beschlag schonmal ab ist, muss da wohl die Japansäge kommen - hier ist sie schon. Aber ach - ein kleiner Spund? Mit dem erhabenen Steven ergibt sich eine hochkomplexe Form, und die Oberfräse steht zwar schon an Deck, aber es gibt keine Bezugsebene, entlang derer ich alles bündig und plan fräsen könnte. Also fliegt der ganze Stevenklotz raus (Aua! Da steckte noch eine abgerissene Schraube im Holz. Wann hatte ich die frisch geschärften Stecheisen abgeholt? Vor einer Stunde?), die Fußrelings werden ein Stück gekürzt, schon ist Platz für die Japansäge, damit sie den Vorsteven auf Decksniveau kappen kann - schon ist sie da, die Bezugsebene. Und zwischen Vadderns Erbstücken findet sich sogar noch ein passendes Stück Kambala.

Den Spund in der Außenhaut hätte man auch, schöner, schneller, besser, sauberer machen können, wenn nicht...ein Spant und der Balkweger sind im Weg, wenn ich von innen arbeiten möchte, das Loch ist außen recht klein, aber innen total ausgefasert, und dann habe ich bei Niels auch noch ein wunderbares, makelloses, hochwertiges Stück langsam gewachsener Lärche mit engen Jahresringen ergattert, wo doch ausgerechnet dieser Plankengang der ansonsten tadellos verarbeiteten Frieda aus schnellgewachsenem Holz besteht. Man wird die Stelle immer sehen. Aber sie ist ja auch ein Teil der Bootsgeschichte. Jedenfalls ist sie wieder wasserdicht.

Nächster Punkt in der Liste: Offene Schäftungen. Überspringen wir kurz - wo ich mich schon in der Vorpiek wälze, um den Spund von Hand beizuschleifen und dabei ständig die Lampe umreiße oder sie abschatte, fällt mir den Eintrag "Unsinnsbeschläge Vorpiek" wieder ein. Neben zwei Leitösen, die einmal die regattamäßige Regulierung der Vorliekspannung geleitet haben, geht es dabei um einen Teakklotz mit einem amtlichen 10er Bolzen unter der Decke. Die Mutter lässt sich nicht ohne Weiteres lösen, weil sie tief in einem Loch steckt und der Bolzen gewaltig rausragt - daran kann man sich böse den Kopf verletzen. Welchen Sinn das Teil hat oder mal hatte? Keine Ahnung. Der Bolzen kann nur vom Deck her kommen, aber den Decksbelag habe ich vor einigen Jahren selbst erneuert - da wäre mir ein großer Sechskantkopf im Sperrholz sicherlich aufgefallen.

Jetzt bräuchte ich eine 17er Langnuss, um die Mutter zu lösen. Aber ich kann ja auch das Holz mit Hammer und Stecheisen zerstören, bis die Mutter zugänglich ist. Stecheisen angesetzt, ein leichter probeweiser Hammerschlag - große Überraschung: Das ganze Teil fällt von der Decke. Es war mit ein bisschen Gummi angeklebt. Dafür aber völlig solide mit sich selbst verbolzt. Hä? Was? Wie? Wozu? Ich denke nicht lange darüber nach, sondern freue mich, dass dieser Unsinnsbeschlag so einfach und zerstörungsfrei von Bord fliegt. Dabei fällt mir auf, dass ich nach sechs Jahren mal endlich das Vorluksüll beilackieren könnte.

Nun also schnell die beiden Plankenschäftungen öffnen, säubern, trocknen und verkleben. Ich bohre auch noch die Stahlnägel aus den vorderen drei Hilfswrangen und ersetze sie durch Niroschrauben, und wo ich schon dabei bin, wird auch die Vorstevensponung nachverschraubt - dass die Bronzeschrauben nicht mehr halten, sieht man an der Feuchtigkeit, die um den Kitt herum unter den Lack kriecht. Rechtzeitig ist alles verspachtelt und beigeschliffen - nun machen wir "Schwarze Weihnacht": An den Feiertagen rechne ich nicht mit Publikumsverkehr in den Hallen, also wird sich auch niemand am Lösemittelmief von Chlorkautschukprimer und Antifouling stören. 




Martha


Martha hat ihren Fockausbaumer verloren - ich werde gleich drei neue bauen, weil Friedas und Olis recht improvisiert aus einem alten Großbaum geschnitten sind. Und dann ist Marthas Heckspiegel dran: Die neuralgische Stelle an der Wasserlinie, wo Spiegel, Spiegelrahmen und Achtersteven aufeinandertreffen und auch noch ein Ruderlager in der Nachbarschaft für Spannung sorgt, ist bei den anderen Booten schon bearbeitet, jetzt ist Martha an der Reihe. Der Bereich ist schon freigelegt, so gut es schwimmend geht - ich bin gespannt, wieviel Mulch zum Vorschein kommt, auch wenn sich das eindringende Wasser bisher auf ein winziges Rinnsal beschränkt hat. Und dann ist da ja auch noch der Running Gag der Decksfugen - oft verschoben aus Mangel an Lust oder Zeit, ist es von selbst nicht besser geworden. Die Spannung steigt: Wird es uns diesmal gelingen?

Also schonmal das Heck: Der Umbau hat auch Riesenvorteile. Martha hatte bisher einen Zwischenboden unterm Achterdeck, für den es vor meiner Zeit sogar mal zwei Klappen gab (die die Luftzufuhr komplett auf null reduzierten). So ein Zwischenboden ist auf den ersten Blick praktisch, weil man da alles und wirklich alles reinstopfen kann, aber eine Ordnung entsteht dort nicht, sondern wenn der Bootshaken mal ganz nach hinten geraten ist, dann bleibt er da auch recht lange und ist im Bedarfsfall so gut erreichbar, als wäre er nicht an Bord. Unter dem Zwischenboden war das Platzangebot begrenzt - zum Beispiel passte da die Insulanerin nicht vollständig hin, sondern waberte unter der Ruderbank herum. Und der Tank stand da zwar ganz gut, aber das Öffnen und Schließen der Belüftungsschraube war etwas für die wenigen Menschen mit äußerst schlanken, extrem kräftigen Fingern, fürs Nachtanken musste der Tank komplett ins Cockpit gezerrt werden, und weil das mit einer ordentlichen Schlingerleiste, die ihn in Position hält, nicht mehr gegangen wäre, musste er dann wieder mit einem Gurtband angebändselt werden.

Um überhaupt an Spiegel, Spiegelrahmen und alles Sonstige anzukommen, musste der Zwischenboden samt Blende sowieso gewaltsam entfernt werden. Er kommt da auch nicht wieder rein. Erstmal kann ich jetzt da den bisher unzugänglichen Dreck von sechs Jahrzehnten wegwischen. Und dann gibt es Schubladen "Modell Oliese". Da passt auch alles rein, was Marthas winzige Backskisten nicht fassen. Aber sie werden schlanker, leichter entnehmbar und jugendlich-frisch. Ich hatte überlegt, mich bei dieser Gelegenheit an einer Schwalbenschwanzverzahnung zu versuchen - aber beim Blick auf die Gesamtliste schien mir das nicht mehr so ratsam: Schwalbenschwanzverzahnung ist toll, muss geübt werden, Versuche werden schiefgehen, wenn es dann ringsum gelingt, ist es großartig - aber vorläufig brauchen wir so schnell und einfach wie möglich haltbare, passende, fertige Schubladen. Also auf Gehrung gesägt und zusätzlich mit Pilzleisten verschraubt, damit kann man auch viel Zeit verbringen.

Der Heckspiegel sendet unterdessen unmissverständliche Zeichen: Das unterste kleine Stück ist längst raus. Den nächsten Streifen drinzulassen, wäre eine schlechte Idee - ich will das nicht in vier, fünf Jahren wieder aufmachen. Ein größeres Loch erleichtert sowieso das Arbeiten, auch wenn der Holzbedarf, um es zu schließen, ein wenig wächst. Immerhin - der Steven, man muss nach dem Trocknen nochmal gucken, aber bis jetzt scheint er fest und stabil zu sein. Der Spiegelrahmen hingegen - was für ein Desaster! Aber hey: Dass er sich den fortgeschrittenen Verfall bisher kaum anmerken ließ, übersetzt sich in die erfreuliche Tatsache, dass er als Modell für seinen Nachfolger durchaus tauglich ist. Wenn ich die Geduld behalte beim Rausdrehen all der abgerissen alten Bronzeschrauben, bleibt eine Kontur üblich, die sich abfahren lässt. Erstmal habe ich bei Niels Eiche bestellt: "Nach Muster, die Brocken liegen irgendwo unter Martha." 

Schubladen passen. Heckspiegel ist, soweit marode, demontiert. Nur schnell Löcher stopfen und neues Holz einschließlich aller komplexen Schmiegen und gewagten Schäftungen auf Maß bringen, dann kann Martha wieder zusammen. Es ist erst Mitte November - und doch ahne ich bereits, dass die Decksfugen ein weiteres Jahr in die Zukunft rutschen.


Ende November ist der Spiegelrahmen eingepasst und provisorisch eingebaut. Nach Augenmaß freihand am Kantenschleifer und anschließend mit Stecheisen und Geradschleifer vor Ort geht kaum exakter, den Rest erledigt das Wunderdicht...Nun denn, die ersten Löcher sind geschlossen, der Reparaturbereich ist innen und außen mit der Schleifmaschine geputzt. Und was sehen wir?  Dass der Achtersteven gerne mit der Oberfräse Freundschaft schließen würde.  Hoffentlich entpuppt die sich nicht als zu kratzbürstig...

Oberfräse ist toll, freundet sich gleich mit ihrer Kundschaft an, und das Füllstück ist schnell angefertigt. Es geht wirklich recht schnell, bis wir alle neuen Stücke probeweise trocken ein- und wieder ausgebaut haben. Dann warten wir auf mildere Temperaturen, bevor wir den ganzen Kram einkleben.

*

Wenn es um das Anrühren von Epoxi geht, führt Frieda die Oberaufsicht: Sie steht auf dem Trailer statt auf einem Lagerbock,  und über den anders nicht nutzbaren Raum, den die Deichsel einnimmt, habe ich die Werkbank aufgebaut - unter ihrem Bug. Wenn sie der Meinung ist, die Menge reiche nicht, veranlasst sie mich meistens dazu, beim Zugeben des Härters zu spät zu stoppen und mit Harz auffüllen zu müssen, damit das Verhältnis stimmt. Die Menge ist dann in der Regel ideal - sie weiß genau, dass ich es nicht mag, eine zweite Runde anrühren zu müssen, sondern dann lieber Feierabend mache und den Rest für den nächsten Tag lasse, was bis zum Aushärten des Ganzen insgesamt einen Tag kostet, und das gefällt ihr nicht, weil es doch auch noch mehr zu tun gäbe, was dann vielleicht aufs nächste Jahr verschoben wird, für das sich die Schwestern schon wieder neue Wünsche überlegt haben.

Martha kann das toppen: Morgens ist jetzt immer Lackieren von Kleinteilen. Danach hatte ich einige Dinge zu besorgen. Entsprechend spät tauchte ich bei Frieda auf, um Proppen zu bohren, Löcher zu schließen und Schrauben zu verspachteln. Erst am frühen Nachmittag kam ich endlich in die andere Halle zu Martha - wie der Heckspiegel geworden war, interessierte mich schon seit Tagen brennend. Nach gründlichem Beischleifen war klar, was zu erwarten war: Ein bisschen nachspachteln hier und da, zusätzlich zu den planmäßigen Proppen und den noch zu senkenden und zu verspachtelnden Schrauben. Sie verordnete fünf Gramm mehr Epoxi, als ich nehmen wollte, und dazu schnellen Härter.

Als die Mischung aufgebraucht war, wurde das Zeug im Becher allmählich fest, es war gerade erst halb fünf, und es waren nur noch vier Schrauben zu erledigen - klar, dass mich ein spontaner Motivationsflash überkam an einem Tag, in den ich nicht unbedingt lustlos, aber latent träge gestartet war. Jetzt kann ich es wieder kaum erwarten, den ganzen Kram beizuschleifen und eventuell noch nachzuarbeiten, aber dann ist das Heck wieder wunderhübsch wasserdicht.


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Mit den Jahren hat sich eine Menge Bootsbauerfahrung angesammelt. Ich habe ja den großen Vorteil, die gleichen Arbeiten mehrfach durchzuführen und die Boote langristig zu begleiten - was so nicht funktioniert, bekomme ich also mit und kann es nächstes Mal besser machen. Ich habe aber keine Lust, mich im Internet als Superexperte darzustellen. Für mein Ego brauche ich keine Auftritte auf YouTube, in Internetforen oder sonstwo, wo ich euch "mal zeige, wie man das macht", wie es leider viele Hobbybastler gerne tun. Ich überlasse das lieber den Ausbildern in den einschlägigen Handwerksbetrieben oder den Bootsbaumeistern, die in ihrem Winterlager nicht nur Reparaturen ausführen, sondern auch Eignerberatung anbieten. Das machen die natürlich nicht umsonst, und ich auch nicht.  Deshalb habe ich das, was ich im Winterhalbjahr mache, bewusst als Kinderspiel dargestellt. Wer einen eigenen Sanierungsfall hat, darf mich natürlich gerne kontaktieren. Bisher ist mir noch zu jeder Frage eine kompetente Antwort eingefallen.